Branchenkompass 2011 Kreditinstitute

Stimmung der Banken auf neuem Tiefpunkt

08.11.2011 von Ursula Pelzl
Basel III, MaRisk und die wachsende Konkurrenz von Non- und Nearbanks lassen Deutschlands Banken pessimistisch in die Zukunft blicken.

Die Lage ist ernst - die Perspektiven sind nicht besser: 40 Prozent der Bankentscheider in Deutschland rechnen damit, dass die Kreditwirtschaft bis 2014 hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben wird. Weitere 30 Prozent der befragten Entscheider trauen sich keine Prognosen zu. Unvorhersehbar, so ihre Aussage, sei die Zukunft der Branche.

Dunkle Wolken am Horizont der Kreditwirtschaft zeigt der Branchenkompass 2011 auf.
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Die Stimmung in der deutschen Bankenwelt hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt der "Branchenkompass 2011 Kreditinstitute" von Steria Mummert Consulting und F.A.Z.-Institut nach der Befragung der 100 größten deutschen Kreditinstitute.

Als besonders belastend bewerten 95 Prozent der Führungskräfte die im Zuge der Finanzmarktkrise aufgesetzten internationalen Regulierungsvorhaben. An die Stelle von Eigenverantwortung tritt das immer enger werdende Korsett von Richtlinien, Gesetzen und Vorschriften. Dazu zählen die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), das Reformpaket des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) - bekannt unter dem Begriff Basel III - sowie die Protokollierung von Gesprächen in der Anlageberatung. Die Umsetzung der Verordnungen und gesetzlichen Vorschriften in die tägliche Praxis fordert die Banken organisatorisch wie finanziell.

Hohe Investitionen für MaRisk

Das gilt in besonders hohem Maß für die umzusetzenden neuen Mindestanforderungen an das Risikomanagement. Für die Anpassungen aus der dritten MaRisk-Novelle haben 53 Prozent der befragten Bankführungskräfte hohe Investitionen eingeplant. Unter den öffentlich-rechtlichen Instituten sind es sogar 69 Prozent.

Die Novelle umfasst ergänzende Anforderungen zu Stresstests, Risikokonzentrationen, Liquiditätsrisiken, Vergütungssystemen sowie zur weiter verstärkten Rolle des Aufsichtsorgans. Hier drängt die Zeit, denn die dritte MaRisk-Novelle muss bis zum Ende dieses Jahres umgesetzt sein.

Basel III erfordert Aufstockung des Eigenkapitals

Etwas mehr Luft bleibt den Banken, um ihre Mindestkapitalausstattung und Kapitalpuffer aufzustocken. Basel III schreibt künftig eine harte Kernkapitalquote von 7 Prozent (hartes Kernkapital der Mindesteigenkapitalanforderungen 4,5 Prozent plus hartes Kernkapital des Kapitalerhaltungspuffers von 2,5 Prozent) vor. Hinzu kommt weiter weiches Kernkapital in Höhe von 1,5 Prozent und Ergänzungskapital in Höhe von 2 Prozent.

Im Ergebnis addieren sich die Eigenkapitalanforderungen auf 10,5 Prozent. Damit wird die ursprüngliche Quote von vor der Krise empfindlich erhöht. Auch die Anforderungen für andere wichtige Stabilitäts-Kennzahlen wurden erhöht. Bis 2012/2013 müssen die Banken den Anforderungen gerecht werden.

Den aus Basel III resultierenden Handlungsbedarf beurteilen alle Teilnehmer als groß. Den vergleichsweise höchsten Druck vermelden mit 82 Prozent jedoch die Banken, die ihren Geschäftsschwerpunkt im Segment Firmenkunden haben. Sie sind zugleich auch insgesamt besonders pessimistisch.

55 Prozent der "Firmenkundenbanken" erwarten eine unterdurchschnittliche Entwicklung. Sie fürchten insbesondere eine stagnierende Konjunktur und in der Folge weniger Firmenkunden-Geschäfte sowie steigende Kreditrisiken, wie die Befragung zeigt.

Überfällig: Beratungsprotokolle in der Anlageberatung

Im Gegensatz zu den erforderlichen Anpassungen an Basel III, ist die Umsetzung von Beratungsprotokollen in der Anlageberatung überfällig. Sie steht bei vielen Instituten jedoch nach wie vor auf der Agenda - obwohl die Banken bereits seit dem Januar vergangenen Jahres verpflichtet sind, jede Anlageberatung mit Privatkunden schriftlich zu protokollieren. Jede zweite Bank sieht laut Branchenkompass noch hohen Anpassungs- und Investitionsbedarf.

Auch das Thema Wettbewerb bereitet den Bankern Kopfzerbrechen. Die Umfrage zu den Branchentrends, Strategien und Investitionszielen der Banken bis 2014 zeigt Druck aus der Konkurrenz im deutschen Bankenmarkt auf.

Near- und Nonbanks erhöhen Wettbewerb

Waren es bislang überwiegend Konsumkredit- und Direktbanken, die den etablierten Instituten Kunden abzuwerben versuchten, dringen nun zunehmend branchenfremde Konkurrenten in den Markt. Near- und Nonbanks wie Zahl- und Kreditkartenunternehmen und neue Zahlungsdienstleister im Internet und Mobilfunk bieten Bankkunden mit komfortablen, innovativen Angeboten Mehrwerte.

Die befragten Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Kreditbanken setzen als Strategie die Intensivierung ihres Bestandskundengeschäfts dagegen. Sie planen, die vorhandenen Zahlen, Daten, Fakten besser zu nutzen, Bankprodukte nutzergerecht zu gestalten und zu vermarkten.

Seit 2002 befragt das Management- und IT-Beratungsunternehmen Steria Mummert Consulting jährlich Vorstandsvorsitzende, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, die Leiter der Unternehmensentwicklung, die Leiter von Finanzen und Controlling oder die Vertriebs- und Marketingleiter. Die Auswertung der aktuellen Umfrage vom Juli 2011 ergab die schlechtesten Prognosen in der Geschichte des "Branchenkompass Kreditinstitute".

Veranstaltungstipp zum Thema: Gipfeltreffen Banken und Politik

Banken haben mit der Finanzkrise im wahren Wortsinn viel Kredit verspielt. Die politisch Verantwortlichen in Deutschland, Europa und den USA wissen sich nicht anders zu helfen, als die Regulierung der Finanzmärkte und der Rating-Verfahren voranzutreiben. Ist das der einzig richtige Weg? Diese Frage diskutieren Spitzenvertreter beider Seiten auf dem Gipfeltreffen Banken & Politik - diskutieren Sie mit!

Der exklusive Dialog über Finanzmarkt, Regulierung und Rating findet am 29. Februar 2012 in der Schweizer Botschaft in Berlin statt.