Die sechs wichtigsten IT-Entscheidungen

Strategie-Serie - Teil 6: Kommandoketten bei IT-Projekten

11.07.2006 von Peter  Weill und Jeanne W.  Ross
In ihrer Unkenntnis von IT treffen CEOs und CFOs ständig die falschen Entscheidungen - bis hin zum Total-Outsourcing. In der folgenden Artikelserie erklären Peter Weill und Jeanne W. Ross von der Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wie Vorstände ihre Hilflosigkeit bei IT-Entscheidungen überwinden können. Im sechsten Teil der Serie erläutern die Autoren, wie Führungskräfte Entscheidungsstrukturen bei IT-Projekten richtig aufbauen.

Die ständig wiederkehrende Sorge, die wir von Managern in unseren Seminaren hören - dass IT-Aufwendungen nicht den beabsichtigten Geschäftsnutzen bringen, ist meist mit einem Vorwurf verbunden: Irgendetwas, so die Annahme, muss in der EDV-Abteilung faul sein. Wir dagegen haben festgestellt, dass oft eher etwas in der Art und Weise nicht stimmt, wie die Kaufleute im Top-Management IT-getriebene Veränderungsprozesse im Unternehmen durchführen.

6. Entscheidung: Wer ist verantwortlich, wenn ein IT-Projekt scheitert?

Nehmen wir die wohl bekannten Beispiele der Einführung von ERP- und CRM-Systemen, die niemals irgendeinen messbaren Nutzen brachten. Die Projekte scheiterten sämtlich an einer einzigen Annahme: dass nämlich EDV-Abteilungen oder Unternehmensberater die Systeme allein einführen können, während die Manager weiter ihrem normalen Tagesgeschäft nachgehen.

Tatsächlich haben aber neue IT-Systeme für sich genommen noch keinen Wert. Der entsteht erst durch neue oder veränderte Geschäftsabläufe. Ein mittelgroßes Industrieunternehmen, dessen frisch installiertes und teures ERP-System keine erkennbaren Ergebnisse gebracht hatte, bekam einen neuen CEO. Der wunderte sich, dass es ein derartig leistungsfähiges System gab und niemand dessen Potenzial wirklich nutzte. Also machte er sich daran, die Vorteile auszuschöpfen, indem er die Arbeitsabläufe entsprechend umkrempelte. Diese Reorganisation nannte er später als Grund dafür, dass das Unternehmen bald darauf zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder schwarze Zahlen schrieb.

Wenn Führungskräfte Katastrophen verhindern wollen, müssen sie kaufmännischen Managern die Verantwortung dafür übertragen, dass das wirtschaftliche Potenzial eines IT-Vorhabens auch ausgeschöpft wird. Diese "Sponsoren" brauchen Ressourcenverantwortung für die einzelnen Projekte und Zeit, um die Konzeption und Durchführung dieser Vorhaben zu beaufsichtigen.

Sie sollten sich regelmäßig mit den IT-Leuten zusammensetzen, Schulungen für Mitarbeiter organisieren und gemeinsam mit der EDV-Abteilung klare Kriterien für die Erfolgskontrolle aufstellen. Solche Sponsoren können sicherstellen, dass neue IT-Systeme für das Unternehmen Wert schaffen; Manager, die in diesem Kontext ständig über die EDV-Abteilung schimpfen, zeigen nur, dass sie nicht wissen, was diese leisten kann und was nicht.

Erfolgreiche IT-Neuerungen brauchen manchmal auch die starke Unterstützung derer, die die Technik nutzen und von ihr profitieren sollen. Ein Beispiel ist das "Longitudinal Medical Record"(LMR)-System, das 1998 von Partners Healthcare eingeführt wurde, einer Bostoner Dachorganisation großer Kliniken und lokaler Krankenhäuser.

IT-Verantwortung für das Management

Von Anfang an übernahmen die Manager - in diesem Fall eine Gruppe praktizierender Ärzte mit Management-Aufgaben - die volle Verantwortung für die Wertschöpfung der neuen LMR-Technik. Das System sieht vor, dass Ärzte bei jeder Untersuchung standardisierte Daten über Diagnose und Behandlung des Patienten in den Computer eingeben. Später liefert der Rechner bei zukünftigen Untersuchungen wichtige Informationen über den Patienten.

Die Einführung des LMR-Systems war eine technische Leistung, noch größer aber war die organisatorische Herausforderung: Ärzte sollten ihre kostbare Zeit dafür einsetzen, Daten in ein Programm einzugeben, das in den ersten Versionen alles andere als perfekt war.

Die an der Initiative beteiligten Ärzte haben bei der Entwicklung dieses IT-Systems langfristig eine Rolle gespielt, die weit über die Hilfe bei der Definition von Anforderungen hinausging. Sie mussten das System benutzen (obwohl es häufiger abstürzte), ständig Feedback zu den verschiedenen Funktionen geben (damit die EDV-Abteilung das System verbessern konnte) und Kollegen zum Mitmachen bewegen (weil ein IT-System nur wertvoll ist, wenn viele es nutzen).

Solange Manager keine Verantwortung für den Erfolg - und das Scheitern - von IT-Systemen übernehmen, werden diese Systeme vielleicht technisch elegant sein, sie werden aber keine realen Auswirkungen auf das Geschäft haben. Die EDV-Abteilung sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass Systeme pünktlich fertig werden, die Kosten dafür im Rahmen des Budgets bleiben und dass sie das Potenzial haben, nützlich zu sein und genutzt zu werden.

Aber nur kaufmännische Führungskräfte können dafür verantwortlich gemacht werden, die organisatorischen Veränderungen umzusetzen, die neue Systeme erst zu Wertgeneratoren für das Unternehmen machen. Wenn die Führungsriege diese Verantwortung nicht annimmt, werden die Unternehmen weiter über zu hohe Ausgaben für zu wenig Gegenwert klagen.

Peter Weill ist Direktor des Center for Information Systems Research an der renommierten Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Jeanne W. Ross arbeitet als Principal Research Scientist am Center for Information Systems Research.

Bereits erschienen in dieser Reihe sind folgende Artikel:

Strategie-Serie - Teil 1: Richtige IT-Budgetierung

Strategie-Serie - Teil 2: IT-Projektsteuerung

Strategie-Serie - Teil 3: IT-Standardisierungen

Strategie-Serie - Teil 4: IT-Ressourcen-Management

Strategie-Serie - Teil 5: IT-Sicherheit richtig planen