IT von Sachsen-Anhalt an Dataport

Streit um Outsourcing-Pläne

08.11.2012 von Johannes Klostermeier
Dataport soll nach dem Willen der Regierung neuer IT-Dienstleister Sachsen-Anhalts werden. Nicht alle im Bundesland sind begeistert.
Der Unternehmenssitz von Dataport in Altenholz bei Kiel.
Foto: Dataport

Der Anfang der Presssemiteilung aus der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt klingt zunächst kryptisch. Sie beginnt mit einer Selbstverständlichkeit: „Das Ministerium der Finanzen legt, seitdem die Zuständigkeiten hier gebündelt worden sind, stärkeres Augenmerk auf ein hohes Niveau im Bereich der Informations- und Kommunikations-Technologie", heißt es dort.

Das Spannende folgt danach: „Angesichts der sich abzeichnenden demographischen Entwicklung auch im öffentlichen Dienst und des Konsolidierungskonzeptes der Landesregierung war es angezeigt, effektive Kooperationen mit anderen Ländern auszuloten."

Dann geht es zur Sache: Seit geraumer Zeit sei es „das Ziel der Landesregierung, Dataport zukünftig als zentralen IKT-Dienstleister des Landes nutzen zu können", schreiben die Behördenautoren. Der Beitritt zum Trägerverbund werde zum 1. Januar 2013 angestrebt.

"Strategische Handlungsoptionen"

Dataport sei deswegen die erste Wahl, weil es dort bereits reichhaltige Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit mehreren Bundesländern gibt. Um diese ebenfalls nutzen zu können, sei der Beitritt zu dem nordostdeutschen Verbund Voraussetzung. Die Zusammenarbeit eröffne mit den anderen Trägerländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen "strategische Handlungsoptionen", heißt es.

Die Vorteile fürs Land: „Sachsen-Anhalt würde dann über einen leistungsfähigen IKT-Dienstleister verfügen, der eine hohe Gewähr für die dauerhafte, effiziente und qualitativ hochwertige Erledigung aller Aufgaben in diesem Bereich bietet." Sachsen-Anhalt könne dann als Kernträgerland über die Weiterentwicklung von Dataport entscheidend mitbestimmen.

Jörg Felgner, Landes-CIO von Sachsen-Anhalt, will den Betrieb des Landesrechenzentrums an Dataport übertragen.
Foto: Land Sachsen-Anhalt

Im Auftrag der Landesregierung werde der CIO des Landes, Staatssekretär Jörg Felgner den Entwurf des Staatsvertrags abstimmen, der noch dieses Jahr den Landesregierungen der Trägerländer von Dataport vorgelegt werden solle. Zurzeit solle mit externer Unterstützung eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgenommen werden.

Vollständigen Verlagerung aller IKT- Verfahren und Aufgaben

Im Landesrechenzentrum habe bereits eine Bestandsaufnahme stattgefunden: Grundsätzlich solle es zu einer vollständigen Verlagerung aller IKT- Verfahren und Aufgaben, die in Sachsen-Anhalt bislang durch das LRZ erledigt werden, kommen. Dataport werde dazu voraussichtlich in Magdeburg eine Niederlassung errichten, heißt es weiter.

Die politische Steuerung im IKT-Bereich bleibe aber „selbstverständlich beim Land." In einem ersten Schritt würden Verfahren von Dataport übernommen, die bislang vom LRZ betrieben werden. Den Ressorts der Verwaltung stehe danach „die Tür der Kooperation zum gemeinsamen Betrieb ihrer Verfahren im Verbund offen".

Um Werbung für die Beitrittsidee zu machen solle alle von der Entscheidung Betroffenen und Beteiligten umfassend informiert werden. Informationen dazu würden in den IKT-Gremien des Landes behandelt werden, zum Beispiel im „IKT-Beirat des CIO". Neben den Fraktionsmitgliedern nehmen dort auch die Vertreter der regionalen Wirtschaft sowie Vertreter von Wissenschaft und Forschung teil.

Doch gegen die Idee des schnellen formiert sich Widerstand im Land: So fordert die Gewerkschaft Verdi „schnellstmöglich den Beschäftigten die notwendige Sicherheit über ihre Arbeitsplätze, Arbeitsorte, Entgelte und Tätigkeiten zu verschaffen". Angesichts von „erheblichen politischen Widerständen, insbesondere aus der Wirtschaft sowie fehlender Entscheidungen, welche Aufgaben mit welchen Beschäftigten auf Dataport übergehen", bestehe bei vielen Beschäftigten des LRZ eine „große Unsicherheit über die künftige Entwicklung", schreibt die Gewerkschaft.

Johann Bizer, Dataport-Vorstand Lösungen, will zukünftig auch die IT-Probleme Sachsen-Anhalts lösen.
Foto: Dataport

Die Fraktion „Die Linke" im Landtag von Sachsen-Anhalt monierte Anfang Oktober weiterhin: „Nach wie vor allerdings liegt keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vor. Damit bleibt unklar, welche Bereiche Dataport übernehmen soll, auch wenn hier von einer Vollübernahme die Rede ist", so die haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion, Angelika Klein. Auch die Aufgaben der geplanten Niederlassung von Dataport in Magdeburg seien noch völlig unklar.

Der geplante Beitritt zum 1. Januar 2013 zum Trägerverbund sei auch deswegen ein „wahrhaft ehrgeiziges Ziel", denn der entsprechende Staatsvertrag dürfte laut Klein erst 2013 im Landtag beschlossen werden.

Versprechungen an Beschäftigte sind wertlos

Bei E-Government-Computing moniert ein anonymer Online-Kommentator: „Es ist nur schade, dass den Beschäftigten in Halle erst große Versprechungen gemacht wurden. Dabei wurde das FRZ (Finanzrechenzentrum) mit dem LIZ (Landes Informationszentrum) zum neuen zentralen LRZ verschmolzen, der Hauptstandort Halle festgelegt, um es ein Jahr später an Dataport in den Norden zu verkaufen." Der Schreiber fürchtet, dass es zukünftig nur noch ein Rechenzentrum am Regierungssitz in Magdeburg geben könnte. Über die 100 Beschäftigten in Halle würde dabei nicht nachgedacht.

Auch die Industrie- und Handelskammer Magdeburg (IHK) äußerte sich skeptisch: Die IT-Unternehmen in Sachsen-Anhalt seien "sehr beunruhigt " über die Pläne des Landes, eine Kooperation mit dem norddeutschen IT-Dienstleister Dataport einzugehen, heißt es in erner Erklärung.

Bei der IHK fürchtet man um Aufträge für die heimischen Unternehmen: „Die IT-Branche des Landes Sachsen-Anhalt ist qualifiziert genug, IT-Leistungen zu erbringen, die den Service von Fachdienstleistern, wie Dataport unnötig machen", heißt es bei der IHK. Aufträge und Arbeitsplätze im IT-Bereich müssten in Sachsen-Anhalt gesichert werden. So will Sachsen-Anhalts Landesregierung den Betrieb des bisher selbst betriebenen Landesdatennetzes, an das sämtliche Behörden angeschlossen sind, ebenfalls ausgliedern und modernisieren.

Warum können nicht Firmen aus Sachsen-Anhalt die IT-Aufgaben des Landes wahrnehmen? Das fragt die IHK.
Foto: STRATO AG

Der Arbeitgeberpräsident Sachsen-Anhalts Klemens Gutmann sagte in einem Interview mit der Magdeburger Zeitung „Volksstimme", beim Betrieb des Landesrechenzentrums gehe es um ein Volumen von rund 250 Millionen Euro über einen Zeitraum von insgesamt zehn Jahren. Das entspreche mehreren hundert hochqualifizierten Arbeitsplätzen, deren Leistung dann außerhalb des Landes erbracht werden würde.

Bislang gab es keine Ausschreibung der Dienstleistungen

Dirk Bartens, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der IT- und Multimediaindustrie Sachsen-Anhalt (VITM), moniert, dass bei den Beitrittsüberlegungen stets mit positiven Kosteneffekten argumentiert würde, diese aber nicht belegt werden können. Zum anderen wolle man die gesamten IT-Aufgaben des Landes mittels Beitritt zum Staatsvertrag der Dataport übertragen, es habe aber bislang keine Ausschreibung der in Frage kommenden Dienstleistungen gegeben. Zudem sei es auch nicht ersichtlich, "inwieweit Alternativen überhaupt in Betracht gezogen worden seien."

Bartens: „Wenn ein zentraler Dienstleister außerhalb des Landes die wesentlichen Aufgaben wahrnimmt, findet die Wertschöpfung auch dort statt. Zudem wird die vom Land angestrebte Gewinnung und Ansiedlung von Hochqualifizierten in Sachsen- Anhalt unterminiert. IT-Fachleute werden direkt dorthin gehen, wo die Aufgaben erledigt werden und zwar nach Kiel und nicht nach Sachsen-Anhalt."

Ebenso fehle noch die strategische Entscheidung über die IT-Ausrichtung des Landes. Diese könne aber erst getroffen werden, wenn das Landesparlament das E-Government- Konzept beschlossen habe. „Im Augenblick erhielte Dataport einen Blankoscheck für die zu erbringenden IT-Leistungen, ohne dass die Folgen für den Landeshaushalt sorgfältig geprüft worden wären", heißt es.

Alle an Dataport beteiligten Länder müssen der Neuaufnahme zustimmen - das kann dauern.
Foto: AXA

Völlig unverständlich sei auch der aufgebaute Zeitdruck. „Warum muss die geplante Übertragung der IT-Aufgaben zum 1 Januar 2013 abgeschlossen sein? Ein solcher Vorgang ist hochkomplex, und die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass ein gewissenhaft und gründlich geplanter Übertragungsprozess sich über mehrere Jahre erstreckt", so Bartens.

Der Zeitdruck ist unverständlich

Damit Sachsen-Anhalt bei Dataport Mitglied werden kann, sind aber auch noch einige weitere Hürden zu nehmen: Der Landtag von Sachsen-Anhalt und die Parlamente der bisherigen Träger, also Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern müssen dem Vorhaben zustimmen.