Lizenz-Ärger bei Oracle Primavera

Streit um User Nr. 4

31.03.2011 von Jan Schulze
Mit der Übernahme des PPM (Project Portfolio Management)-Anbieters Primavera hat Oracle das Lizenzmodell umgestellt. Altkunden fühlen sich jetzt bei der Umstellung von Concurrent auf Named User ungerecht behandelt.

Lizenzgebühren sind per se ein heikles Thema. Die Primavera-Benutzer haben sich deshalb innerhalb der Deutschen Oracle Anwendergruppe (DOAG) in einer eigenen "Special Interest Group" (SIG) organisiert. Das Streitpotenzial: Primavera bot seinen Kunden bis zur Übernahme durch Oracle zwei mögliche Lizenzmodelle an: Named Users oder Concurrent Users.

Christian Körner Projekt-Manager, Uhde GmbH: "Oracle weiß selbst nicht, welche Lizenzen die Kunden genau haben."
Foto: Uhde GmbH

Während die Named-User-Lizenzen an Personen gebunden sind, regeln die Concurrent-User-Lizenzen nur, wie viele Anwender gleichzeitig auf die Anwendung zugreifen können. Im Gegensatz dazu bietet Oracle für seine Anwendungen sogenannte "Application User"-Lizenzen an. Diese sind auf einzelne Anwendungen, nicht aber auf eine einzelne Datenbank beschränkt.

Seit 2008 befindet sich Primavera im Besitz von Larry Ellison. Und damit sollen auch die Orcale-typischen Lizenzen auf Primavera angewandt werden. Für Neukunden kein Problem, für Altkunden hingegen schon: "Rund 80 Prozent der Primavera-Anwender in Deutschland stammen noch aus der Vor-Oracle-Zeit", erläutert Sebastian Hunke, einer der Leiter der Primavera-Community innerhalb der DOAG BSC (Business Solutions Community). "Was uns bislang gefehlt hat, waren klare Aussagen seitens Oracle, wie die Lizenzumstellung im Rahmen einer Migration auf das neue Release erfolgen kann."

250 Primavera-Kunden

Offensichtlich haben die Bemühungen der Anwendervertreter zumindest hinsichtlich der Kommunikation bei Oracle Erfolg gehabt. Beim zweiten Primavera Community Day, der am 1. März in München stattfand, war der Hersteller mit mehreren Mitarbeitern vertreten. Guiseppe Rossi, Vice President International Sales, und Laurent Jacquemain, EMEA Sales Director bei Oracle, nahmen dabei die Gelegenheit wahr, den versammelten Anwendern die Vorstellungen Oracles in der Lizenzfrage auseinanderzusetzen. Dabei legte Rossi ein klares Bekenntnis zur Wichtigkeit des deutschen PPM-Markts für Oracle ab. Rund 250 Primavera-Kunden könne das Unternehmen hierzulande aufweisen.

Der wichtigste Part fiel jedoch Jacquemain zu. Er stellte klar, dass Oracle die bestehenden Altlizenzen respektieren werde. Allerdings würden keine neuen Named oder Concurrent User mehr lizenziert. Für alle Neulizenzen gelte das Modell des Application Users. Ob die Anwender sich im Rahmen der Umstellung auf Release 8 neu lizenzieren müssen, hänge laut Jacquemain davon ab, ob ein Upgrade oder eine Migration ansteht.

Der Unterschied zwischen Upgrade und Migration

Der Unterschied: Ein Upgrade umfasst nur die Aktualisierung der bereits implementierten und lizenzierten Primavera-Funktionen. Bei einer Migration werden im Gegensatz dazu auch Funktionen eingeführt, die Oracle seiner PPM-Lösung nun hinzugefügt hat. Dazu zählen der "BI Publisher" oder das "Universal Content Management" (UCM).

Anwender, die von Primavera Level 1 bis Level 4 auf das sogenannte EPPM (Enterprise Project and Portfolio Management) wechseln wollen, müssen ihre bisherigen Lizenzen gegen Application User umtauschen. Während das Upgrade kostenlos und in den Wartungsverträgen enthalten sei, können also bei der Migration unter Umständen erhebliche Kosten anfallen. Wobei Jacquemain betont, dass bei manchen Lizenzkonstellationen auch die Migration kostenneutral ablaufen könne. Eine individuelle Prüfung der Lizenzsituation vor Ort sei aber immer notwendig.

Oracle tauscht 1:1 bis 1:3

Bei der Umstellung vorhandener Altlizenzen auf das Oracle-Modell kommen - je nach individueller Situation beim Kunden - verschiedene Umtauschverhältnisse zum Tragen. Während Named User eins zu eins gegen Application User getauscht werden, liegt das Verhältnis bei den Concurrent Usern zwischen eins zu eins und eins zu drei.

Damit ist die DOAG indes nicht ganz einverstanden: "Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern hat ergeben, dass eine Umstellung eins zu vier bei den Concurrent Usern realistisch wäre", so Christian Körner, Leiter der Primavera-SIG. Er kritisiert: "Oracle weiß selbst nicht, welche Lizenzen die Kunden genau haben. Historisch gab es bei Primavera sehr unterschiedliche Lizenzmodelle. Viele Altanwender haben einen Lizenz-Mischmasch, der nun erst einmal sortiert werden muss."

Zudem steckt aus Sicht der Anwender noch ein Fallstrick in dem vorgeschlagenen Konstrukt: Das neue Release wird im Gegensatz zur Vorversion komplett über den nun vorhandenen Web-Access administriert. Damit benötigen die Anwender mindestens eine Lizenz nach dem neuen Modell. Das kritisiert etwa Alan Ziesik, bei der Backnanger Tesat-Spacecom für Primavera verantwortlich: "Durch den Umzug elementarer Funktionen in die Web-Anwendung bei Release 8 ist man zur Migration von Lizenzen gezwungen."

Zwang zur Migration der Lizenzen

Ziesik sieht trotz der Erklärungen seitens Oracle noch Informationsbedarf. Eineinhalb Stunden habe Oracle Zeit gehabt, um über das Thema Lizenz- und Wartung aufzuklären. Stattdessen sei viel Zeit zur Werbung genutzt worden. Ziesiks Fazit: "Hinhalten durch Informieren - dadurch wollte man wohl verbergen, dass der Kunde gezwungen wird, Geld auszugeben."