Dokumenten-Management der Superlative

Telekom macht Schluss mit dem Vorlagenchaos

25.05.2010 von Lars Reppesgaard
Die Deutsche Telekom hat 210.000 Personalakten von papierbasierten auf elektronische Prozesse umgestellt.
Rainer Hahn, Leiter IT-Management Personal Service, Deutsche Telekom: "Wir wollten eine höhere Effizienz erreichen, indem wir Dokumente nicht nur vereinheitlichen, sondern auch proaktiv mit Daten befüllen."

Akten, Akten, nichts als Akten. Bis zur Decke hoch sind die Regale mit Hängeregistraturen gefüllt, in sieben Ebenen sind sie übereinander angeordnet. Ein Regal reiht sich an das nächste, der ganze Flur ist voll mit ihnen, und das nicht nur auf einer Etage, sondern im ganzen Gebäude. Drei Stockwerke hat das zentrale Aktenlager der Deutschen Telekom in Osnabrück, einer ehemaligen Hauptvermittlungsstelle. 210 000 Personalakten werden hier aufbewahrt.

Dass sie alle nicht mehr aufwendig zwischen den Zweigstellen hin- und hergeschickt und per Hand aktualisiert werden müssen, ist das Verdienst von Rainer Hahn. Der Leiter IT-Management Personal Service Telekom bei dem Bonner Konzern ist die treibende Kraft hinter einem Human-Resources-Portal, über das Mitarbeiter und Management konzernweit den digitalisierten und zentral gespeicherten Personalaktenbestand des Rosa Riesen einsehen und bearbeiten können.

Mehr als 200.000 Personalakten sind kontinuierlich auf dem neuesten Stand zu halten.
Foto: Telekom

Zugleich können sie alle schneller als bisher die Dokumente, die für die Personalarbeit relevant sind, abrufen und bearbeiten. Formulare, die mithilfe digitaler Marker und Barcodes allein ihren Weg durch die Hierarchien und die Zweigstellennetzwerke finden, gehören ebenso zum sogenannten Human-Resources-Document-Management-System wie Formularvorlagen, die automatisch alle relevanten Informationen in die Dokumente integrieren, die aufgerufen werden.

Die Unternehmenseinheit Personal Service Telekom (PST) ist der verlängerte Arm der Personalabteilung. Sie muss beispielsweise 26 000 Reisekostenabrechnungen und 40 000 weitere Anfragen pro Woche
abwickeln. Mehr als 200 000 Personalakten sind kontinuierlich auf dem neuesten Stand zu halten: Unfallmeldungen, Bewertungen durch Vorgesetzte oder Urlaubsanträge laufen regelmäßig bei den Personalern auf, die diese neuen Dokumente in die Akten einpflegen müssen. "Für uns als Personal-Service-Einheit war schon lange klar: Um schneller und effizienter zu werden, brauchen wir eine standardisierte, zentrale Plattform für die Dokumente", sagt Hahn.

Personalarbeit als Shared Service

Zentrale der Deutschen Telekom in Bonn.

Anfang 2002 begann der Aufbau der intelligenten PST-Infrastruktur mit einer wesentlichen organisatorischen Entscheidung: Der Vorstand beschloss, die Personalarbeit zentral als Shared Service abzuwickeln und die Abteilung Personal Service Telekom ins Leben zu rufen. Der organisatorische Umbau dauerte zwei Jahre. 2004 arbeiteten an 87 Standorten eigene Personalstellen, die auch die Unterlagen der Mitarbeiter am Standort aufbewahrten. Wer wo beispielsweise für die Zeitwirtschaft oder für Zahlungsvorgänge zuständig ist, wurde fest definiert.

Zeitgleich startete ein von T-Systems entwickeltes elektronisches Ticketsystem, das Arbeitsaufträge durch die Organisation leitete. "Für viele Vorgänge war es allerdings weiterhin nötig, die Originale der Personalakten in der Hand zu halten", sagt Hahn. "Es macht aber keinen Sinn, die Akten physisch durch die Gegend zu schicken. Deshalb haben wir das Archiv durch die Einführung der elektronischen Personalakte auf Räder gestellt."

Unternehmen

Deutsche Telekom

Hauptsitz

Bonn

Umsatz

61,7 Milliarden Euro (2008)

Nettogewinn

1,5 Milliarden Euro (2008)

Mitarbeiter

260 000 (Juni 2009)

CIO

CIO Hamid Akhavan (COO), im Vorstand verantwortlich für Produkte und Innovation sowie für die Bereiche Technik, IT, Einkauf, International Sales und International Marketing.

87 Aktenlager aufgelöst

Das hieß: Einscannen von 210 000 Personalakten. Dafür und für die finale Lagerung der Papierbestände wurde ein zentraler Standort benötigt. Nach einer Überprüfung aller Telekom-Immobilien fiel die Entscheidung für die alte Hauptvermittlungsstelle in Osnabrück. Die 87 dezentralen Aktenlager wurden aufgelöst, die Unterlagen nach Osnabrück gekarrt. 200 Lastwagenladungen waren nötig, um die Personalakten von Beamten und Angestellten im Laufe eines Jahres dorthin zu verfrachten.

Hahn initiierte damit ein Scan-Projekt, das den Vergleich mit Projekten des Internet-Riesen Google nicht zu scheuen braucht. Unter seiner Regie wurden binnen fünf Jahren, zwischen 2004 und 2009, rund 100 Millionen Blatt Papier erfasst. Eingescannt wurde wie am Fließband. Das Projektteam hatte ein Regelwerk definiert, damit die etliche Seiten langen Dateien am Ende des Scan-Vorgangs wieder in Einzelschreiben zerlegt wurden. Dazu suchte die Klassifizierungssoftware nach Schlagworten und Phrasen in den Dokumenten, an denen sie erkennen konnte, in welche Kategorie welches Schreiben gehört, ob es etwa ein Zwischenzeugnis oder ein Urlaubsantrag ist.

2005 erweiterte der Telekom-Vorstand den zunächst nur für die Telekom vergebenen Arbeitsauftrag auch auf die Bestände von T-Systems und T-Mobile. Bis zu 100 Mitarbeiter arbeiteten in der Folge gleichzeitig im Scan-Center. Mit den Korrekturen waren nach Abschluss der Massenerfassung etwa 70 Mitarbeiter beschäftigt. In rund 15 Prozent der Akten gab es Dokumente, bei denen die Klassifizierungssoftware versagte, was händische Korrekturen erforderte. Noch einmal 15 Prozent der Digitalakten mussten nachbearbeitet werden, weil sich in ihnen einzelne Blätter aus anderen Akten wiederfanden. Sie waren schlichtweg im Lauf der Zeit falsch eingeordnet worden.

Digitale Dokumentenvorlagen

Trotz des großen Personalaufwands sagt Hahn: "Bei den Effekten, die wir erzielt haben, würde ich heute schon klar bei der Frage nach dem Return on Investment sagen, dass sich das Projekt gerechnet hat." Für die endgültige Erfolgsbilanz war aber ein zweiter wesentlicher Schritt nötig: die Einführung einheitlicher digitaler Dokumentenvorlagen für den gesamten Konzern.

Deutsche Telekom

Vorlagen-Management

Branche

Telekommunikation

Zeitrahmen

11/2006 bis 02/2007: Aufbau des IT-Systems;
02/2007 bis heute: Befüllung des IT-Systems
mit Dokumenten im Rahmen eines Stufenplans,
Erweiterung um zusätzliche Funktionen

Mitarbeiter

vier Kräfte

Aufwand

ca. 20 Mannmonate

Produkt

Adobe LiveCycle

Dienstleister

T-Systems

Umfang

national, ca. 2000 User, ca. 140 000 ESS-User

"Ein Problem beim Umstellen auf die Shared-Service-Einheit war, dass alle Standorte eine eigene Historie hatten", sagt Hahn. „Das bedeutet, dass sie unabhängig voneinander eigene Vorlagen für Dokumente und Formulare entwickelt hatten." Einige setzten dabei auf Word-Dokumente, andere auf Excel-Blätter, wieder andere auf PDFs. Die Folge: Für ein und denselben Sachverhalt gab es im Konzern Dutzende von verschiedenen Formblättern in unterschiedlichen Datenformaten. Sie alle wurden ausgedruckt, ausgefüllt und in die Personalakten gelegt.

Rund 3000 unterschiedliche Word Docs, Power-Point- und andere Vorlagen kursierten im Unternehmen. "Der Personal Service Telekom trat auch Jahre nach der formellen Integration noch nicht unter einem einheitlichen Erscheinungsbild auf", sagt Hahn. "Die Leute benutzten die Dokumente, die sie noch in den Schubladen hatten." Es passierte durchaus, dass Urlaubsanträge auftauchten, bestückt mit einer Kopfzeile von einer längst aufgelösten Einheit.

Das Projektteam ersetzte das Vorlagendurcheinander nach und nach durch einheitliche digitale Vordrucke im PDF-Format. "Das Ziel war, eine höhere Effizienz zu erreichen, indem wir die Dokumente nicht nur vereinheitlichen, sondern auch proaktiv mit Daten befüllen", erklärt Hahn. Jemand, der einen Antrag bearbeitet, muss zum Beispiel die Adressen nicht mehr per Hand eintragen. Für diesen Arbeitsschritt war Adobe als Softwarepartner zu gewinnen, entschied man im November 2006 auf Basis eines 50 Punkte umfassenden Pflichtenhefts. Wesentlich war die einfache Integration der Technologie in das SAP-System, die auch für das Zusammenspiel mit dem Ticket-System wichtig war. Aber auch die hohe Akzeptanz des Adobe Readers, der als Einzelsoftware bereits im Konzern genutzt wurde, sprach für diesen Anbieter.

Zudem bot Adobe der Telekom an, die Dokumentenvorlagen gemeinsam weiterzuentwickeln. "Wir wollten bewusst als Beta-Tester Akzente setzen, damit die Lösung unseren Anforderungen gerecht wird", sagt Hahn. "Und wir waren als Kunden anspruchsvoll und haben viele Änderungen eingefordert." Heute finden sich viele Features, die sein Team gefordert hat, in der Vollversion des Acrobat Readers und in "Life Cycle".

Hahns Projektteam startete mit der Entwicklung von 50 Vorlagen für die Familienkasse der Telekom. "Sie sitzt in Fulda, wo auch mein Büro ist", begründet Hahn die Entscheidung. „Ich musste nur ins Büro nebenan gehen, um zu sehen, ob die Arbeit mit den Vorlagen funktioniert." Die Mitarbeiter dort konnten selbst entscheiden, ob sie mit den digitalen Vorlagen oder wie gewohnt mit Papier arbeiteten. Schnell zeigte sich, dass die Mitarbeiter, die Ersteres taten, ihr Pensum deutlich besser stemmten als die Papierarbeiter. "Dass der Vorteil der befüllten Vorlagen schnell deutlich wurde, sorgte für die nötige Akzeptanz des Projekts", sagt Hahn.

Nach den Dokumenten für die Familienkasse weitete man die Entwicklung von elektronischen Dokumenten auf alle anderen Bereiche der Telekom aus. Bis heute hat die Personalabteilung 2000 Dokumentenvorlagen entwickelt. Sie alle sind im Voraus mit Informationen befüllt und mit elektronischen Steuerzeichen versehen. Damit können sie automatisch an den richtigen Stellen eingeordnet werden.

Medienbrüche stören nicht

Das bedeutet nicht nur, dass die Dokumente in den Datennetzen der Telekom von allein ihren Weg finden. Die in die Vorlagen integrierten Barcodes werden beim Ausdruck auf Papier mit übertragen – und natürlich auch, wenn ein ausgedrucktes Dokument wieder mit einem Fax oder einem Scanner erfasst wird. Auf diese Weise bleiben die Steuerinformationen auch bei Medienbrüchen erhalten. Praktisch bedeutet das etwa bei der Änderung eines Absatzes in einem Arbeitsvertrag, dass weder die Personalabteilung noch der betroffene Arbeitnehmer das Dokument aus Versehen innerhalb des Konzerns an die falsche Adresse schicken kann. Der Steuercode sorgt dafür, dass sich das Dokument nur auf dem Bildschirm des Mitarbeiters öffnet. Druckt er es aus, unterzeichnet und scannt es ein, leiten die Steuerbefehle im Barcode es durch das Intranet an den Sachbearbeiter zurück.

Deutsche Telekom

Einführung "ePersA"

Branche

Telekommunikation

Zeitrahmen

11/2004 bis 04/2005: Aufbau des IT-Systems für ePersA;
01/2005 bis 02/2009: Befüllung des IT-Systems im
Rahmen eines Stufenplans mit Inhalt, Erweiterung um
zusätzliche eAktenarten

Mitarbeiter

ca. 120 Kräfte in der Spitze

Aufwand

ca. 200 Mannjahre

Produkte

SAP RM, ImageMaster von T-Systems

Dienstleister

T-Systems

Umfang

national, ca. 2500 User, ca. 140 000 ESS-User

Automatisch korrekt abgelegt

Das Dokument wandert automatisch in die korrekte Personalakte und hier in die richtige digitale Schublade. Gleichzeitig wird auch das Ticket im Auftrags-Management-System der Personalabteilung um die Information ergänzt, die etwa bei der Rückantwort vom Vertragspartner angekommen ist. "Das ist gegenüber den früheren, manuellen Versandverfahren wesentlich günstiger und weniger fehlerträchtig", sagt Hahn. Vorbei sind die Zeiten, als eine wichtige Vereinbarung nicht auffindbar war, weil sie auf einem Blatt steht, das aus Versehen in die falsche Hängeregistratur gerutscht ist.

Doch nicht nur die Personaler können nun ruhiger schlafen, weil sie um eine gesicherte Ordnung in ihren Aktenbergen wissen. Auch für die Juristen der Telekom bringt das System eine große Erleichterung: Der Austausch aller Vertragsunterlagen wird durch das intelligente Dokumenten-Management ohne menschliche Eingriffe auf eine Weise dokumentiert, die die Anforderungen des Sarbanes-Oxley-Act zur Dokumentation geschäftsrelevanter Vorgänge erfüllt.