CeBIT 2015

Telekom und SAP gründen Konsortium für Industrie-4.0-Standards

16.03.2015 von Martin Bayer
Die Deutsche Telekom will gemeinsam mit SAP ein Konsortium für die Entwicklung von Standards für Industrie 4.0 auf die Beine stellen. Unternehmen will man den Weg in das neue Industriezeitalter mit neuen Services, Produktpaketen und mehr Sicherheit ebnen.

Das digitale Wirtschaftswunder stellt alles auf den Prüfstand, was die deutsche Industrie in den zurückliegenden Jahrzehnten getan hat, sagte Reinhard Clemens, Telekom-Vorstand und CEO von T-Systems, zum diesjährigen CeBIT-Auftakt. Es müsse nun darum gehen, in Deutschland und Europa in Sachen Digitalisierung nicht von den großen Wirtschaftsregionen in Nordamerika und Asien abgehängt zu werden.

Damit dies nicht passiert, hat die Deutsche Telekom gemeinsam mit SAP ein Konsortium für die Standardisierung von Industrie 4.0 gegründet. Ziel dieses Konsortiums ist Clemens zufolge, Deutschland eine gemeinsame Stimme zu geben, um den hiesigen Interessen in den internationalen Gremien Gehör zu verschaffen. Man beabsichtige jedoch nicht, einen deutschen Standard zu schaffen.

Industrie 4.0 könne nur im internationalen Kontext funktionieren. Der T-Systems-CEO mahnte indes an, die Standard-Entwicklung pragmatisch anzugehen und kein akademisches Werk daraus zu veranstalten. "Nicht der Gründliche wird das Spiel gewinnen, sondern der Schnelle."

Reinhard Clemens, CEO von T-Systems und Vorstand der Deutschen Telekom, fordert deutsche Unternehmen dazu auf, die Chancen von Industrie 4.0 zu nutzen - und zwar schnell.

In der Klärung der Terminologie rund um Industrie 4.0 und der Entwicklung von Standards sieht Clemens den derzeit wichtigsten Handlungsbedarf. Es würden bereits Gespräche mit großen Industrieunternehmen wie Siemens und Bosch geführt. Zudem sei das Konsortium offen für alle interessierten Unternehmen, auch für die großen IT-Anbieter aus den USA und Asien.

Grundsätzlich sieht der Telekom-Manager gute Chancen für die deutsche Industrie, eine Vorreiterrolle einzunehmen, und verwies auf die marktbeherrschende Rolle deutscher Unternehmen im Automobil- und Anlagenbau sowie im Bereich Embedded Systems. "Wir haben also die besten Voraussetzungen, wenn es darum geht, alte Geschäftsmodelle der Industrie in neue digitale zu überführen", sagte Clemens. "Wir müssen sie nur nutzen - und zwar schnell."

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Stärkere Lokalisierung
Fertigungsunternehmen werden künftig noch wesentlich stärker ausdifferenziert und verteilter sein. Kleinere, aber dafür mehr Standorte sorgen dann dafür, dass sie einen besseren Zugang zu lokalen Ressourcen haben und auf neue Marktanforderungen direkt vor Ort reagieren können. Das ermöglicht ihnen, ihre Supply Chains zu optimieren, agiler zu sein und die Lieferzeiten deutlich zu verkürzen. Daneben wird es aber auch weiterhin sehr große Fertigungsstandorte geben, an denen die Unternehmen ihre größten und wichtigsten Teile herstellen oder montieren.
Fortschreitende Digitalisierung
Durch die stärkere Lokalisierung der Supply Chain spielt die Informationstechnologie in Zukunft eine noch größere Rolle, als das in der Branche ohnehin schon der Fall ist. Ein Beispiel dafür ist der 3D-Druck. Er wird es etwa ermöglichen, dass ein lokaler Vertriebsstandort zumindest bei kleineren Ersatzteilen einfach die Blaupause herunterlädt und sie direkt vor Ort druckt. Darüber hinaus wird die zunehmende Verbreitung von Cloud Computing und des Internets der Dinge eine neue Generation intelligenter Objekte hervorbringen, die Fertiger mit Echtzeitdaten versorgen können. Sensoren von Anlagen und Maschinen, die bei Kunden installiert sind, liefern den Herstellern dann beispielsweise selbstständig wertvolle Informationen für die Wartung und Instandhaltung, mit deren Hilfe sich bessere After-Sales-Services erbringen lassen.
Ausweitung von Kooperationen
Produktionsunternehmen gehen künftig deutlich mehr Partnerschaften ein und arbeiten wesentlich enger zusammen, als sie das heute tun. Zum einen werden sie Partnerschaften mit Universitäten schließen, um sich frühzeitig die besten Talente zu sichern. Aber auch untereinander werden sie stärker kollaborieren. In ersten Ansätzen hat dies beispielsweise der britische Hersteller von Transportverpackungen Loadhog bereits realisiert. Er hat mit einem seiner wichtigsten Zulieferer ein Austauschprogramm für Auszubildende ins Leben gerufen, von dem beide Unternehmen profitieren.
Flexiblere Konfigurierbarkeit
Die Fertigungsstandorte werden immer häufiger so konzipiert sein, dass sich ihre Strukturen schneller und flexibler an neue Marktanforderungen anpassen lassen. Die Elemente von Werkstätten und Produktionshallen – vom einzelnen Arbeitsplatz bis hin zu den Maschinen – sind heute meist noch sehr starr organisiert. In Zukunft werden sie aber zahlreiche unterschiedliche "Konfigurationen" ermöglichen, die jeweils ideal zu den konkreten Anforderungen passen.
Kultureller Wandel
Mit den genannten Änderungen einher geht auch ein Wandel der Unternehmenskultur. Die Außenwelt wird Fabriken nicht länger als staubige und ölverschmierte, sondern vielmehr als offene und stark vernetzte Orte wahrnehmen. Diese Entwicklung hat bereits begonnen und so erinnern viele Fabriken den Betrachter heute schon stärker an einen Bürokomplex als an eine klassische Fertigungsstätte.

Um den Unternehmen beim Weg in das Industrie-4.0-Zeitalter unter die Arme zu greifen, hat die Telekom auf der CeBIT eine Reihe neuer Services und Produkte vorgestellt. Clemens kündigte beispielsweise die Cloud der Dinge an. Konzerne sollen über die "Connected Industry Platform" in die Lage versetzt werden, alle möglichen Gegenstände über die Cloud miteinander zu vernetzen. Erste Pilotprojekte wie beispielsweise in der Container-Logistik im Hamburger Hafen liefen bereits.

Für mittelständische Unternehmen will die Deutsche Telekom ein "Industrie 4.0-Paket" herausbringen, bestehend aus Hardware, SIM-Karte, einem Datentarif und Zugang zur Cloud der Dinge. Geräte- und Sensordaten würden sicher in deutschen Rechenzentren gespeichert und verarbeitet, verspricht Clemens. Die Telekom will diese Pakete zunächst kostenlos verteilen, damit die Firmen einen leichten Einstieg fänden und Rollout-Szenarien ausprobieren könnten.

Digitalisierung braucht Sicherheit

"Digitalisierung funktioniert nicht ohne Sicherheit", konstatierte Clemens. Obwohl das Security-Bewusstsein wachse, würden gerade kleine und mittelständische Unternehmen immer noch zu sorglos damit umgehen. "Die alte Werkshalle wird selbstverständlich abgeschlossen, so der Telekom-Vorstand. "Die Einfallsstore für moderne IT-Systeme stehen dagegen oft sperrangelweit offen."

Um das zu ändern, will der Konzern ab dem zweiten Quartal 2015 eine Art Sicherheits-"Cockpit" zum Download aus dem Netz anbieten. Privatanwender, kleinere und mittelständische Unternehmen erhielten damit kostenlos einen Basisschutz für ihre IT-Systeme, der automatisch via Cloud-Updates immer auf dem aktuellsten Stand gehalten werde. Dafür hat die Deutsche Telekom Partnerschaften mit den Sicherheitsanbietern Avira (Antiviren-Software), Steganos (verschlüsselte VPN-Verbindung), Strato (sicheres Datenbackup) und Secomba (verschlüsselte Datenablage) geschlossen.

Dieser Grundschutz soll sukzessive weiter ausgebaut werden, beispielsweise sollen künftig auch mobile Endgeräte mit einbezogen werden können. Neben der Gratis-Version soll es auch kostenpflichtige Varianten mit einem deutlich erweiterten Funktionsumfang geben. Clemens zufolge bildet Sicherheit eine elementare Grundlage für alle Industrie-4.0-Bestrebungen. "Wenn das nicht funktioniert, wird die Digitalisierung in sich zusammenfallen."

Sieben-Punkte-Plan für die Industrie 4.0
7-Punkte-Plan für Industrie 4.0
Industrie-4.0-Szenarien lassen sich bereits umsetzen, der Weg dorthin ist aber nicht trivial. Die Berater von Accenture empfehlen bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Ideen folgenden Plan
1. Denken in alle Richtungen:
Am Anfang dürfen ruhig wilde Spekulationen stehen. Unternehmen sollten sich fragen, welche Ser- vices rund um welche Produkte ihren Kunden nutzen könnten – und was den Kunden ihrer
3. Design und Entwicklung der Plattform angehen:
Auf der technischen Seite ist zu prüfen, welche Plattform das Unternehmen braucht. Entscheider müssen festlegen, ob und welche Zugriffsmöglichkeiten Externe (Entwickler, Zulieferer, Kunden) haben sollen.
4. Die finanzielle Seite betrachten:
Hier geht es um eine möglichst realistische Betrachtung künftiger neuer Umsätze. Die Kosten des Transformationsprozesses müssen ebenso bedacht werden wie die Gestaltung von Preisen und Margen.
5. Die neuen Angebote verkaufen:
Unternehmen müssen ihre Partner von den Vorteilen der neuen Angebote überzeugen. Konflikte drohen, wenn man Services online anbietet, die zuvor über einen Vertriebspartner erbracht worden sind.
6. Rechts- und Datenschutzfragen beachten:
Wer seine haptischen Produkte um digitale Services erweitert, betritt in Rechtsfragen möglicherweise Neuland. Gesetzliche Vorgaben und Datenschutzbestimmungen sind zu beachten.
7. Den Menschen nicht vergessen:
Wer bisher handfeste Maschinen produziert hat und diese nun um digitale Dienstleistungen erweitert, mutet den Mitarbeitern erhebliche Umstellungen zu.