Die wöchentliche CIO-Kolumne

Top-Manager: Vasallen für den CIO

15.09.2003 von Heinrich Seeger
IT- und Geschäftsstrategie sollten im Idealfall synergetisch miteinander verzahnt sein; noch akzeptabel - und weitaus realistischer - ist es, wenn die IT-Strategie den Vorgaben des Business' folgt. Wer so etwas konstatiert, braucht keinen Widerspruch zu gewärtigen. Umso spitzer werden die CIO-Ohren, wenn es unerwartet heißt: "Alles Quatsch: IT und Business gehören strategisch voneinander abgekoppelt."

Der das fordert, ist kein Spinner, sondern jemand, dem man zuhört: Walfried Wagener , seit Mai CIO des Berliner Herzschrittmacherfabrikanten Biotronik und davor Mitgeschäftsführer von Mercoline , einer IT-Servicegesellschaft, die er persönlich vor drei Jahren aus dem schützenden Gehege der Mutterfirma Herlitz in die Freiheit ausgewildert hat, und zwar erfolgreich.

Wagener ist sich darüber klar, dass seine These provoziert und irritiert. Aber das nimmt er in Kauf. Auf einer Konferenz über IT-Governance in Berlin erläuterte er, warum IT und Business, strategisch gesehen, zwei verschiedene Schuhpaare sind:

Businesszyklen könnten nicht mit Informationstechnologiezyklen synchronisiert werden, weil das Business - man höre und staune - schneller drehe als infrastrukturelle IT-Maßnahmen durchführbar seien, so der Biotronik-CIO. Sein Unternehmen ist freilich selbst in einem Technologiefeld tätig, dass sich sehr schnell entwickelt, was vom Management hohe "Flexibilität und Reagibilität" verlange. Die IT-Strategie müsse dagegen auf drei bis fünf Jahre angelegt sein und auch in schlechten Zeiten konsequent verfolgt werden.

Damit nicht genug. Explizit formulierte und damit diskutierbare Geschäftsstrategien seien im Mittelstand ohnehin selten, plauderte Wagener aus dem Nähkästchen. Und gebe es sie doch einmal, verspüre das Management der oft inhabergeführten Unternehmen meist wenig Neigung, sie ausgerechnet mit der IT abzustimmen. Die einzige Möglichkeit für den CIO laut Wagener: "nicht sklavisch einer Geschäftsstrategie folgen, sondern als ruhender Pol im Unternehmen fungieren und nicht jeden strategischen Schwenk mitmachen." Die IT-Infrastruktur könne schließlich nur funktionieren als langfristiger Bebauungsplan, zu vergleichen mit der Standortplanung eines Unternehmens.

So gesehen, leuchtet Wageners These nach kurzem Staunen ein - denjenigen, die mit IT-Management vertraut sind. Aber wie kann ein CIO den Business-Entscheidern - zumal den mittelständischen - die seit Jahrzehnten von rasenden IT-Innovationszyklen gehört haben, die neue Wahrheit verkaufen, dass die IT nun plötzlich langsamer sein soll als das Business?

Wagener hat auch für dieses Problem eine Lösung; sie lautet: "Der CIO braucht Vasallen im Top-Management". Er braucht Geschäftsführer respektive Vorstände, die ihm vertrauen, auch wenn sie seine Argumentation in ihrem technologischen Fundament nicht verstehen. Nur dann kann er strategische Freiheit einfordern, nur dann kann er Projekte durchsetzen, die eine Menge Geld kosten und sich erst im längeren Zyklus der IT-Strategie und nicht bereits im übernächsten Quartal rechnen.

So einfach, so schwierig...