IP-Telefonie dreht den Markt um

Überlebenskampf der Telko-Anbieter

12.07.2010 von Werner Kurzlechner
Der Crash von Nortel Networks war Folge und Beschleuniger der Krise. Nur Anbieter mit neuen und dynamischen Geschäftsmodellen werden überstehen, sagen die Analysten von Frost & Sullivan voraus.
Ohne Internet Protocol ist Business-Telephonie bald nicht mehr vorstellbar. Das legen die Daten von Frost & Sullivan nahe.

Der Weltmarkt für Telefonie in Unternehmen ist 2009 in Folge der Krise eingebrochen. Die Marktforscher von Frost & Sullivan gehen jetzt davon aus, dass die Erholungsphase begonnen hat. Für die kommenden Jahre prophezeien sie moderate Wachstumsraten von etwa einem Prozent im Durchschnitt. Während der Markt für Telephonie via Internet Protocol (IP) langsam auf den langjährigen Wachstumspfad zurückkehrt, stirbt die klassische Technologie des Time Division Multiplexing (TDM) allmählich aus.

Symbol für das Horrorjahr ist der Zusammenbruch des einstigen Telekommunikations-Riesen Nortel Networks – ein Crash, der sowohl als Folge der Krise als auch als Beschleuniger zu werten ist. „Das Ende von Nortol signalisierte das Ende einer Ära und ließ die Alarmglocken für die Anbieter klingeln“, sagt Alaa Saayed, Industry Analyst bei Frost & Sullivan. Es sei offensichtlich geworden, dass nur neue und dynamische Geschäftsmodelle überlebensfähig sein werden.

Die harten Kennzahlen der Branche für das Jahr 2009 klingen in der Tat dramatisch. 37,3 Millionen neue Anschlüsse kauften die Unternehmen im vergangenen Jahr ein – ein Fünftel weniger als 2008. Die Rezession hielt die Firmen von Investitionen in neue Technologien und Lösungen ab. Die wenigen Unternehmen, die trotzdem einkaufen, schauten sehr genau auf ihre Ausgaben.

Für die Telcos bedeutete das in diesem Segment einen Umsatzrückgang von einem Viertel auf 5,7 Milliarden US-Dollar gegenüber 2008. Dafür verantwortlich war laut Frost & Sullivan neben den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch Trends wie der Übergang von Hardware- zu Software-basierten Lösungen und Virtualisierung sowie das Warten auf die neue OCS-Version von Microsoft.

Zwölf bis 18 Monate dauert es nach Ansicht Saayeds noch, bis die Nachwehen der Rezession für die Branche ausgestanden sind. 2010 verspricht die Nachfrage nach Telephonie-Lösungen bereits wieder größer zu sein als 2009. In diesem Jahr kommen die Impulse vor allem aus Nordamerika. Für 2011 und 2012 ist die Trendwende auch in Europa, Asia Pacific und Lateinamerika zu erwarten.

Avaya Marktführer vor Siemens

Umsatzmäßig lag der Marktanteil von TDM-Systemen 2009 noch bei 21,4 Prozent. Frost & Sullivan prognostiziert einen Rückgang auf weniger als zehn Prozent bis 2016. Diese Technologie hat offenbar ausgedient. Umso größer wird die Dominanz von IP-Systemen, die im vergangenen Jahr bereits 78,6 Prozent der Umsätze ausmachten.

Der IP-Markt kehrt laut Saayed nicht nur auf den normalen Wachstumspfad zurück, sondern wird mittelfristig durch den Erneuerungsbedarf für veraltete Systeme in den Unternehmen zusätzlich stimuliert. Technologische Entwicklungen wie Softswitch-Systeme, Virtualisierung und Unified Communications (UC) werden überdies Geräte-Upgrades erzwingen.

Zur Überwindung der Krise haben die Vendors einiges unternommen, wie Frost & Sullivan attestiert – von der Intensivierung der Kundenbindung bis zur Einführung flexibler IP-Lösungen. Die Übernahme des in die Insolvenz gestrauchelten Nortel Networks durch Avaya ist das prominenteste Beispiel für Reorganisation auf dem Markt. Saayed rät den Firmen, sich darüber hinaus verstärkt um Interoperabilität und Offenheit zu bemühen sowie kleine und mittlere Unternehmen stärker in den Fokus zu nehmen.

Marktführer ist mit einem Anteil von 15 Prozent Avaya, das seine Position durch den Nortel-Deal stärken konnte. Es folgen laut Frost & Sullivan Siemens, Cisco, NEC und Alcatel-Lucent.