IT-Strategietage

Umstrittene Ausbildung zum CIO

10.02.2011 von Nicolas Zeitler
Bachelor, Beruf, spezieller Master: Dieser Weg verbindet IT- und Business-Wissen für die CIO-Karriere. Doch das zweistufige Studiensystem bringt auch Probleme.
Podiumsdiskussion auf den Hamburger IT-Strategietagen 2011 (von links nach rechts): Horst Ellermann, CIO-Chefredakteur, Peter Kreutter, Director Resource Development, Stiftung Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung (WHU), Chittur Ramakrishnan, zuletzt CIO der RWE AG und Prof. Dr. Helmut Krcmar vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität München.
Foto: Joachim Wendler

Abitur und dann auf CIO studieren - dieser Weg zu einer Karriere in der IT funktioniert nicht. Darin war sich das Podium einig, das auf den 9. Hamburger IT-Strategietagen im Hotel Grand Elysée diskutierte, wie eine Ausbildung zu "fachlicher Mehrsprachigkeit" gelingt. Klar wurde: Das zweistufige Studiensystem mit Bachelor und Master bietet zwar Chancen, dass der Nachwuchs betriebswirtschaftliches und technisches Wissen bei der akademischen Ausbildung verbindet - gleichzeitig ergeben sich jedoch ganz neue Probleme.

Gezielt auf ein bestimmtes Berufsbild zu studieren gehe an der Idee des lebenslangen Lernens vorbei, sagte Professor Helmut Krcmar vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität München mit Verweis auf die CIO-Titelgeschichte "Junge, was lernst du hier?" aus dem vergangenen Jahr. "Als CIO muss man führen, man muss Menschen mögen", sagte Krcmar - Fähigkeiten, die man nicht einfach in einem Studium lernen könne.

Der Wirtschaftsinformatiker veranschaulichte, wie jüngste Veränderungen der Bildungslandschaft den Gedanken, auf ein klares Berufsziel hin zu studieren, ad absurdum führten: Wenn jemand nach dem achtjährigen Gymnasium mit 17 Jahren Abitur mache, dann einen sechssemestrigen Bachelor absolviere und sich danach mit 21 Jahren anschicke, Führungskraft zu werden, sei das "schwierig".

Dem pflichtete Peter Kreutter bei. Vor 20 Jahren mit einer Lehre bei der Deutschen Bank ins Berufsleben gestartet, arbeitet er heute für die Stiftung der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU). Entscheidend für die Gestaltung von Studiengängen sei die Frage, welche Fähigkeiten man Studenten mit auf den Weg geben könne. "Das ist das grundsätzliche Handwerkszeug", sagte Kreutter. Wesentlicher Erfolgsfaktor dafür, ob ein Absolvent es später bis zum CIO schaffe, sei aber, "was man daraus macht, wie mach sich entwickelt".

Als lebendes Beispiel dafür, wie wenig die Laufbahn zum CIO schon zu Studienzeiten absehbar ist, präsentierte sich Chittur Ramakrishnan, vor seinem Ruhestand zuletzt CIO der RWE AG. Ramakrishnan studierte zuerst auf Bachelor und sattelte später einen MBA darauf. "Damals wusste ich noch gar nicht, was ein CIO ist", erzählte er.

Hilgenberg: CIO zu werden ein "nicht steuerbarer Prozess"

Über Facebook und Twitter bestätigten Zuhörer der Diskussion die Äußerungen auf dem Podium. CIO zu werden sei ein "nicht steuerbarer Prozess", schrieb Bernd Hilgenberg, CIO von Fressnapf über die Frage nach dem richtigen Weg zum CIO-Sessel.

Matthias Moritz von Bayer Healthcare meinte auf Facebook, eine Alternative zum System Bachelor und Master sei die Kombination von Ausbildung und Bachelor oder Bachelor und Auslandsaufenthalt. David Thornewill von Deutsche Post DHL schrieb: "Weg mit dem Normierungszwang!"

Chittur Ramakrishnan, Ex-CIO der RWE AG.
Foto: Joachim Wendler

Chittur Ramakrishnan zufolge sind die meisten Akademiker direkt nach Studienabschluss nicht fit für den direkten Weg in eine Führungsposition. Dass sie an der Universität zu wenig Berührung mit dem Geschäft hätten, merke man überall. Zweites großes Manko seien schlechte Englischkenntnisse. "Wenn man jemanden in Verhandlungen über IT-Architektur stecken möchte, braucht er die aber", so der Ex-CIO.

Dass Absolventen das Verständnis für das Geschäft von Unternehmen fehle, lässt sich laut Ramakrishnan zum Teil dadurch ausgleichen, dass der IT-Nachwuchs auch mehrere Fachabteilungen im Unternehmen kennen lernt - der Weg nach oben führt also über die Verbindung von Studium und Praxiserfahrung.

Prof. Dr. Helmut Krcmar vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität München.
Foto: Joachim Wendler

Dem versuche man im neuen zweistufigen Studiensystem gerecht zu werden, erklärte Krcmar. Der Bachelor biete die Möglichkeit, "Interesse und Spaß" an einem Thema zu entwickeln. Später könne man dann in einem Master einen Schwerpunkt vertiefen. Das Studiensystem trage auch dem Problem Rechnung, dass ein 17- oder 18-Jähriger noch nicht entscheiden könne, was er sein gesamtes Berufsleben lang machen wolle. "Es ist jetzt nicht mehr so, dass ich bei nachlassendem Interesse künftig herumlaufe mit dem Makel eines abgebrochenen Studiums", so der Wirtschaftsinformatiker. Stattdessen könne man nach dem Bachelor die Richtung korrigieren und im Master gezielt einen Schwerpunkt vertiefen.

Studenten und Unternehmen misstrauisch gegenüber Bachelor

Die Chancen, die die Studienstruktur biete, nutzten aber wenige. "78 Prozent der Bachelors schließen direkt den Master an", berichtete Krcmar. Es sei schwer, Unternehmen dazu zu bringen, Bachelors einzustellen. Er räumte ein, in Hochschulabgänger mit diesem Abschluss müssten Firmen zusätzliche Ausbildung investieren. Außerdem müssten sie damit rechnen, dass ein Bachelor nach zwei bis vier Jahren Berufspraxis erneut studiere.

Ein weiteres Problem nannte Ramakrishnan: Bei Firmen sei noch zu wenig angekommen, was ein Bachelor könne und was nicht. "Es muss noch deutlicher gemacht werden, wie der Abschluss mit dem bisherigen System vergleichbar ist." Die Unsicherheit in Unternehmen gegenüber neuen Bildungswegen bestätigte Krcmar: Gerade die neue Sitte, nach einem Bachelor einige Jahre in einem Beruf zu arbeiten und sich dann mit einem Master in einem anderen Fach in eine neue Richtung zu bewegen, fordere Personalabteilungen heraus. "Es ist schwer einschätzbar, was jemand kann."

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten für Unternehmen pries Ramakrishnan das zweistufige Studiensystem an - speziell die Möglichkeit, später einen MBA zu machen. Nach drei bis vier Jahren Berufserfahrung arbeite man in einem solchen Programm dann "sehr praxisorientiert".

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