Wissensmanagement

Unternehmen nutzen Social Collaboration Tools wenig

23.09.2016 von Christiane Pütter
Deutsche Unternehmen nutzen Social Collaboration nur zögerlich. Dabei sehen die TU Darmstadt und der Berater Campana & Schott klare Vorteile für die Effizienz eines Unternehmens.
  • Auf einem dreistufigen Reifegradmodell befinden sich deutsche Firmen beim Wert 1,24
  • Stark ist die Nutzung beim gemeinsamen Bearbeiten von Anträgen und Formularen, schwach beim Wissensanagement
  • Wer will, dass das ganze Unternehmen vom Wissen Einzelner profitiert, muss eine positive Fehlerkultur etablieren
In puncto Collaboration haben deutsche Unternehmen Verbesserungsbedarf.
Foto: Anita Ponne - shutterstock.com

Insgesamt halten sich deutsche Betriebe beim Einsatz von Social Collaboration zurück. So lautet das Ergebnis der "Deutschen Social Collaboration Studie", die die Technische Universität Darmstadt gemeinsam mit dem Berater Campana & Schott durchgeführt hat. An der Studie haben sich 519 Entscheider beteiligt.

Die Forscher legen ein dreistufiges Reifegrad-Modell zugrunde, wobei Stufe 3 einem möglichst weit digitalisierten Unternehmen entspricht. Aktuell stehen deutsche Unternehmen im Schnitt bei einem Wert von 1,24. Vergleichsweise stark zeigen sich deutsche Firmen bei der kollaborativen Nutzung von Anträgen und Formularen und bei Kommunikation sowie Abstimmung innerhalb von Teams. Die meistgenutzten Wege sind E-Mail, Conferencing Tools, Messenger und dokumentenzentrierte Kollaborationsplattformen.

Wissen bereitstellen und Austausch fördern

Dagegen nutzen deutsche Firmen solche Tools wenig, um den Mitarbeitern relevantes Wissen bereitzustellen und den internen Austausch von Interessengruppen zu fördern. Die Studienautoren kommentieren, "dass diese Kernaspekte moderner Wissensarbeit weiterhin nicht adäquat unterstützt werden und in diesem Bereich viel Potenzial ungenutzt bleibt".

Die Forscher belegen aber einen Zusammenhang zwischen Collaboration und Effizienz. Investitionen in entsprechende IT-Tools zahlten sich aus, schreiben sie.

Technische Universität Darmstadt und Campana & Schott "Social Collaboration" 2016
Zusammenarbeit
Die Nutzung von Social Collaboration in deutschen Unternehmen will die Technische Universität Darmstadt ab sofort regelmäßig untersuchen. In Kooperation mit dem Berater Campana & Schott entstand jetzt der erste Band einer „Deutschen Social Collaboration Studie“.
Reifegradmodell
Die Forscher legen ein dreistufiges Reifegrad-Modell zugrunde, wobei Stufe 3 einem möglichst weit digitalisierten Unternehmen entspricht. Aktuell stehen deutsche Unternehmen im Schnitt bei einem Wert von 1,24.
Vier Idealtypen
Je nach Arbeitspraxis entspricht ein Unternehmen einem von vier Idealtypen.
Firmenkultur
Das, was ein Unternehmen zusammenhält, prägt seine Kultur. Auch hier entwerfen die Forscher vier Idealtypen.
Effizienz
Die Forscher sehen den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Collaboration und der Effizienz eines Unterehmens als belegt an.

Außerdem stellen die Studienautoren eine positive Korrelation zwischen Social Collaboration Reifegrad und Unternehmenserfolg fest. Sie merken jedoch an: "Allerdings sollte dieses Ergebnis kritisch hinterfragt werden, da die Daten auf der subjektiven Wahrnehmung der Mitarbeiter basieren und demnach keine objektiven Erfolgsmaße wie die absolute Höhe des Umsatzes beziehungsweise des Gewinns berücksichtigt werden."

Starken Nachholbedarf im Mittelstand

Ein Blick auf den Nutzungsgrad in Firmen unterschiedlicher Größe zeigt starken Nachholbedarf beim Mittelstand. Das sei erstaunlich, so die Forscher. Schließlich könne gerade der Mittelstand bei seinen Produkten und Dienstleistungen oft Innovationen vorweisen.

4 Idealtypen unter Anwendern

Die Studienautoren konstruieren vier Idealtypen:

Analoge Bewahrer: Sie halten an analogen Arbeitsweisen fest und nehmen dadurch starke Effizienzeinbußen in Kauf. 26 Prozent der Firmen zählen zu diesem Typus.

Analoge Spezialisten: Sie reizen analoge Arbeitsweisen für ihre Geschäftsprozesse komplett aus. Das gilt für 23 Prozent der Unternehmen.

Digitale Beginner: Sie setzen zwar auf neue Technologien, schaffen es aber noch nicht, die Vorteile optimal zu nutzen. Sie stellen 13 Prozent der Unternehmen.

Digitale Experten: Sie nutzen bereits modernste Technologien und profitieren von deren Leistungsfähigkeit. Die Studienautoren gestehen das immerhin 38 Prozent der Firmen zu.

Collaboration und Firmenkultur hängen zusammen

Ein weiterer Aspekt der Studie bezieht sich auf das Zusammenspiel von Kollaboration und Firmenkultur. Was hält ein Unternehmen zusammen? Das können gemeinsame Werte sein (Group Culture), die Betonung von Wachstum und Entwicklung (Development Culture), der Fokus auf Leistung und Effizienz (Rational Culture) oder Stabilität und Kontrolle (Hierarchical Culture). So müssen Mitarbeiter darauf vertrauen können, dass weder Kollegen noch Vorgesetze von ihnen veröffentlichte Informationen missbrauchen oder gegen sie verwenden.

Nach Einschätzung der Forscher herrscht in gut jedem dritten Unternehmen (34 Prozent) eine hierarchische Kultur. Eine Development Culture sehen sie erst in dreizehn Prozent der Betriebe umgesetzt. Viele Firmen (21 Prozent) gelten allerdings als Mischform, in der keine der genannten Kulturformen klar erkennbar ist.

Fehlerkultur etablieren

Wer will, dass das ganze Unternehmen vom Wissen Einzelner profitiert, muss eine positive Fehlerkultur etablieren. "Fehler werden dann als natürliches und nicht zwingend negatives Phänomen betrachtet", erklären die Forscher. Damit sinkt auch die Angst, bei der Preisgabe von Informationen oder dem Teilen von Wissen "etwas Falsches" zu sagen oder zu tun.

Die TU Darmstadt und Campana & Schott wollen die Nutzung von Social Collaboration in deutschen Unternehmen ab sofort regelmäßig untersuchen. Ende dieses Jahres soll eine zweite Befragung starten.