Business Case für Unified Communications

"Unternehmen offenbaren schizophrene Einstellungen"

12.08.2008 von Werner Kurzlechner
Immer mehr Firmen probieren Unified Communications (UC) aus. Die Zahl dieser Unternehmen ist den Analysten von Forrester zu Folge sogar „explodiert“ – um mehr als ein Fünftel. Allerdings lassen es die meisten Anwender noch beim Versuch bewenden. Nur eine Minderheit entschließt sich bislang zu einem dauerhaften UC-Einsatz.
Der Stand der Dinge: UC-Einsatz und UC-Pläne im Überblick.

„Die Unternehmen offenbaren schizophrene Einstellungen, wenn es um UC-Business-Cases geht“, sagt Forrester-Analyst Henry Dewing. In Gedankenspielen erscheint es den Anwendern in der Regel logisch, dass eine UC-Implementierung sich rechnen könnte. Dennoch zögern sie am Ende und warten lieber ab. Laut Dewing wird das auch noch eine Weile so sein: „Erwarten Sie nicht, dass die starken Test-Aktivitäten im kommenden Jahr in vollständige Implementierungen münden.“

Im vergangenen Jahr evaluierten 36 Prozent der nordamerikanischen und europäischen Großunternehmen UC oder hatten ein internes Pilot-Projekt laufen. Dieses Jahr sind es 57 Prozent. Nur noch 13 Prozent haben überhaupt keine UC-Pläne. 2007 sagten das noch 27 Prozent. Selbst in kleinen und mittleren Unternehmen lässt sich eine ähnliche Tendenz beobachten. Zwei Fünftel beschäftigen sich 2008 aktiv mit dem Einstieg in UC (2007: 26 Prozent). Nur noch 31 Prozent verfolgen keine UC-Pläne (2007: 41 Prozent).

Von der grundsätzlichen Wirtschaftlichkeit scheint das Gros überzeugt, und dennoch setzt sich UC in der Praxis nur schleppend durch. Das mutet in der Tat schizophren an. In den Zahlen der Forrester-Umfrage: 86 Prozent der Firmen sagen, sie könnten ein überzeugendes Geschäfts-Szenario für eine UC-Implementierung entwerfen. Genauso klagen aber 55 Prozent der Befragten darüber, dass sie sich über den tatsächlichen Wert von UC für ihr Unternehmen nicht im Klaren seien.

Nun geht Forrester naheliegenderweise nicht davon aus, dass die Manager plötzlich verrückt geworden sind und irrational handeln. Es gibt gute Gründe für das scheinbar widersprüchliche Bild. Zunächst einmal wird die Offenheit gegenüber UC tendenziell eindeutig größer. Nur so lässt sich die wachsende Zahl von Test-Projekten erklären.

Attraktive Happen: So bewerten Anwender die einzelnen Komponenten von UC.

Die Firmen wissen nach eigenem Ermessen inzwischen gut Bescheid über UC und die Vorzüge einer integrierten Kommunikations-Plattform – wenngleich ihnen die hohe Komplexität dieser Lösungen durchaus noch Kopfzerbrechen bereitet. Sie verstehen auch den ökonomischen Nutzen, den UC bringen kann.

Collaboration weit oben auf der Agenda

Und vor allen Dingen hat in diesem Jahr fast die Hälfte der Unternehmen Collaboration auf die Agenda gesetzt, 15 Prozent davon sogar ganz oben. UC kann hier das Herzstück einer Collaboration-Strategie sein, wie Forrester feststellt. Dass zum Beispiel Finanz-Analysten auf Web-Basis miteinander konferieren oder Software-Entwickler nach Gusto über Video kommunizieren könnten, reizt viele Firmen.

Überhaupt erscheinen den Unternehmen einzelne UC-Bausteine besonders attraktiv. 62 Prozent halten die Möglichkeit von Audio-, Web- und Video-Konferenzen für sehr wichtig. 58 Prozent sagen das über die Integration von Voice, E-Mail und Instant Messaging, 42 Prozent über die mögliche Verknüpfung von UC und Collaboration. Demgegenüber erachten viele Firmen zum Beispiel Kalender, die über Sprachkommandos gesteuert werden können, eher als Spielerei.

Dass viele Anwender momentan noch nicht gänzlich auf UC umsatteln, hat laut Forrester vor allem drei Gründe. Erstens können sie auf Seiten der Anbieter bei der Integration von UC und Collaboration keine klare Road Map erkennen. Verschiedene Vendors scheinen wechselseitig an allerlei möglichen Lösungen zu arbeiten. Die Anwender erkennen noch nicht, wohin das am Ende führt und warten deshalb ab.

Zweitens entwickeln sich Industrie-Standards aus Anwendersicht zu langsam. Session Initiation Protocol (SIP) stimmt derzeit nur basale Calling-Funktionen aufeinander ab. Die Anbieter setzen momentan jeweils eigene Erweiterungen darauf. Und IT-Verantwortliche in den Firmen müssen sich sehr gut überlegen, mit welcher Taktik sie UC und die verschiedenen IP Private Branch Exchange (PBX)-Umwelten in ihrer Firma integrieren können. Vor kostspieligen und irreversiblen Festlegungen scheuen sich die Anwender vor diesem Hintergrund.

Erklärt die scheinbare Schizophrenie: Forrester-Analyst Henry Dewing.

Drittens zeigt der Markt noch nicht klar, welche Einsatz-Option die beste ist. Die Angebots-Palette ist bunt und reicht von Network as a Service über Hosted Off-Site und Managed On-Site bis zu Self Maintained. Ob eine Firma Dienstleistungen idealerweise kaufen, mieten oder selbst in die Hand nehmen soll, zeichnet sich noch nicht so klar ab wie gewünscht.

Anbieter in der Pflicht

An dieser Stelle sind laut Forrester-Analyse die Anbieter gefragt. Sie haben UC zur technologischen Reife geführt. Nun gilt es, eine Reihe praktischer Business-Probleme zu lösen.

Forrester befragte für die Studie „Unified Communications Trials Explode“ knapp 200 Entscheider in Nordamerika und Europa.