Bis auf ERP-Systeme kaum Anwendungen im Einsatz

Verarbeitende Industrie unzufrieden mit IT-Lösungen

16.08.2006 von Christiane Pütter
Dass der Einzug von IT in die verarbeitende Industrie nur schleppend vorankommt, liegt auch an den angebotenen Lösungen: Ein Drittel der Anwenderfirmen erklärt, nicht damit zufrieden zu sein. Dennoch: Grundsätzlich haben die Unternehmen keinen Zweifel daran, dass IT ihre Ergebnisse verbessern könnte, doch bis auf ERP-Systeme nutzen sie wenig Anwendungen. Das geht aus einer Analyse des Marktforschers Aberdeen hervor.

Die Probleme beginnen an der Basis: Allein, die erforderlichen Daten für eine informationstechnologische Aufrüstung zu sammeln, nennen 58 Prozent der Befragten als größte Herausforderung. Ebenso groß ist denn auch der Wunsch nach einfachen Automatisierungen. 32 Prozent der Befragten führen an, die Belegschaft sei nicht willens, mit neuen Technologien zu arbeiten.

In rund jedem fünften Betrieb (21 Prozent) scheitert die IT nach Angaben der Studienteilnehmer schlicht daran, dass sich die Produktionsprozesse ständig verändern.

Was nicht gemessen wird, kann auch nicht gemanagt werden

Das grundsätzliche Problem sehen die Analysten aber weniger in den Maschinen als viel mehr in den Köpfen: Die verarbeitende Industrie sei zu langsam darin, die Effizienz ihrer verschiedensten Prozesse zu messen. Dazu ein Aberdeen-Analyst: "Was nicht gemessen wird, kann auch nicht gemanagt werden."

Ein genauerer Blick auf die IT in den verschiedenen Bereichen der Unternehmen zeigt, dass viele Studienteilnehmer irgendeine Software zum Enterprise Ressource Planning (ERP) implementiert haben. Die Analysten zeigen sich überrascht, dass mehr als jeder Fünfte (22 Prozent) mit selbst entwickelten Lösungen arbeitet – die könnten nicht mit den ausgereiften Anwendungen mithalten, die heute auf dem Markt zu haben sind. Spitzenergebnisse erziele man damit nicht.

Dabei unterscheiden die Analysten zwischen Firmen, die anhand bestimmter Kennzahlen als besonders erfolgreich gelten, und dem Durchschnitt. Von den so genannten "Best in class"-Betrieben haben knapp zwei Drittel (64 Prozent) Lösungen für das Planning implementiert, der Rest ist gerade dabei, sie einzuführen. Unter den Durchschnittsfirmen dagegen haben nur 37 Prozent die Implementierung bereits abgeschlossen, weitere 16 Prozent sind im Einführungsprozess.

Ein anderes Bild ergibt sich bei der Frage nach IT-Unterstützung bei Analyse-Aufgaben: Nur rund jeder Dritte (36 Prozent) von den Klassenbesten hat entsprechende Lösungen eingeführt, weitere 15 Prozent sind im Moment dabei. Von den Durchschnittsfirmen haben 17 Prozent bereits implementiert, zwölf Prozent führen jetzt ein.

Integration als größte Herausforderung

Fazit der Analysten: Unternehmensanwendungen sind in dieser Branche weit weniger verbreitet als angenommen. "Und dort, wo sie implementiert sind, bleibt die Integration eine große Herausforderung", schildert ein Analyst seine Beobachtungen.

Das Ganze ist umso erstaunlicher, als die verarbeitende Industrie sich nach eigenen Angaben immer stärker unter Druck sieht: Seit zwanzig Jahren verbessert sich die Produktivität ständig – und von allen Seiten wachsen die Ansprüche: Kunden wollen immer schneller neue und bessere Produkte, Aktionäre stellen Ansprüche, der heimische und globale Wettbewerb drängelt und Gesetzgeber wollen Compliance-Vorgaben erfüllt sehen. Vor diesem Hintergrund kommentieren die Autoren der Studie: "Es sind viel zu wenig IT-Lösungen im Einsatz."

Lieblingsbeispiel der Analysten dafür, dass es auch anders geht, ist die Chevron Texaco's El Segundo Refinery. Durch den Einsatz einer intelligenten Integrationsplattform, die Daten aus verschiedenen Quellen aggregieren und in Beziehung setzen kann, wurde die Herstellung hochwertiger Produkte um zehn Prozent gesteigert. Gleichzeitig gingen Störfälle um 18 Prozent zurück, die Betriebsausgaben sanken um acht Prozent.

Aberdeen hat für die Studie gemeinsam mit dem Magazin Automation World 130 Herstellerfirmen untersucht.