Leben auf Pump

Verbraucher schließen mehr Kreditverträge ab

02.09.2013
Handys, Fernseher, Autos, Küchen – Verbraucher leisten sich immer mehr auf Kredit. Trotzdem überschuldet sich kaum jemand, sagt die Schufa. Gerade junge Leute seien besser als ihr Ruf.

Verbraucher in Deutschland kaufen immer mehr auf Pump. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl von Kreditverträgen um die Hälfte gestiegen. Zurückgezahlt werde trotzdem zuverlässig, sagt Michael Freytag (55), Vorstandsvorsitzender der Schufa. Die Auskunftei hat Daten über 66 Millionen Verbraucher, doch im Interview spricht der ehemalige Hamburger Finanzsenator auch über noch größere Datensammler. Sein Rat: Vorsicht mit allen Informationen, die man im Netz über sich preisgibt.

Herr Freytag, ist es eine gute oder eine schlechte Nachricht, dass die Verbraucher mehr auf Pump kaufen?
Freytag: Das ist eine gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort Deutschland. 58 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden durch den privaten Konsum bestimmt. Für uns als Schufa ist der Maßstab, dass auch die gestiegene Zahl von Krediten zuverlässig zurückgezahlt wird - zu 97,5 Prozent. Den Banken und Händlern sagt diese hohe Quote, dass ihr Risikomanagement stimmt. Und die Verbraucher sind in der Lage, ihr Budget richtig einzuschätzen.

Muss man sich über die Verschuldung junger Leute sorgen?
Freytag: Jüngere kaufen weniger auf Raten als noch vor zehn Jahren. Und wenn, zahlen sie in 97 Prozent der Fälle pünktlich zurück. Neu ist, dass ältere Menschen über 60 Jahre Konsum verstärkt auf Raten finanzieren. Sie zahlen am zuverlässigsten zurück, zu über 98 Prozent. Im Übrigen beobachten wir, dass die Zahl der Anfragen bei uns vor einem Kreditvertrag steigt. Die Kunden vergleichen also verschiedene Angebote.

Sie nennen den richtigen Umgang mit Geld Verbraucherintelligenz. Aber wie passt Ihre positive Statistik zur steigenden Zahl an Verbraucherinsolvenzen?
Freytag: Man muss die Relation sehen. Selbst wenn es im Jahr bedauerlicherweise 100 000 Verbraucherinsolvenzen gibt, können 99 Prozent der Verbraucher mit ihrem Geld umgehen, ohne zahlungsunfähig zu werden. Menschen in finanzieller Not dagegen brauchen die professionelle Hilfe einer Schuldnerberatung.

Die Schufa ist letztes Jahr kritisiert worden für ein Forschungsprojekt, ob Daten aus sozialen Netzwerken genutzt werden können. Dann gab es einen Rückzieher. Wollen Sie Ihren Datenbestand in andere Richtungen erweitern?
Freytag: Wir als Schufa haben Daten zu 66 Millionen natürlichen Personen und 4 Millionen Unternehmen in Deutschland. Wir kommen mit der Art Daten aus, die wir haben. Damit können wir die Bonität der Teilnehmer am Wirtschaftsleben sehr präzise abbilden. Es gibt neue technische Entwicklungen, denen wir uns stellen, zum Beispiel die wachsende Zahl von Bestellungen über mobile Geräte.

Unter den großen Datensammlern ist die Schufa eher ein kleiner Fisch. Bei Google, Facebook, aber auch bei der NSA-Spähaffäre reden wir über ganz andere Datenmengen. Ist Big Data gut oder böse?
Freytag: Big Data ist Realität. Wir müssen uns der Realität stellen. Ich glaube, dass wir erst am Anfang von Big Data stehen. Sich aus dem Internet zu informieren, ist heute grundlegender Zugang zu Wissen.

Ist Big Data denn kontrollierbar?
Freytag: Ich glaube, dass es eine Chance gibt, die Technik und Big Data zu kontrollieren, wenn jeder bei sich selber anfängt. Man muss ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass es im Netz nichts kostenlos gibt. Bezahlt wird sehr wohl, nämlich mit den eigenen Daten. Big Data entsteht auch dadurch, wenn viele Menschen ohne Nachdenken ihre Daten elektronisch in alle Richtungen streuen.

Ist es nicht eher eine Frage der politischen Kontrolle?
Freytag: In Deutschland ist das Datenschutzrecht im internationalen Vergleich auf einem hohen Niveau. Aber ich glaube, der Schlüssel ist nicht allein der Gesetzgeber, sondern die öffentliche Diskussion, das Wissen über Daten im Netz. Man muss deshalb schon jungen Leuten Medienkompetenz über die Chancen und Risiken vermitteln. (dpa/tö)