Bei gekündigten Bänkern geht es um die nackte Existenz

Versagen und trotzdem Geld kassieren

04.05.2009 von Nils-Viktor Sorge
"Gier-Manager" ist noch einer der harmlosesten Bezeichnungen für Bankvorstände, die gegen ihre Kündigungen klagen. Manche können froh sein, wenn sie am Ende noch in einer Etagenwohnung leben. Selbst wenn sie vor Gericht siegen sollten, ist ihr Ruf wahrscheinlich ruiniert.
Die bisherigen Gefechte sind wohl bloß ein kleines Scharmützel gegen das, was vermutlich noch kommt.
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Sie sind sich ihrer Sache offenbar ziemlich sicher. Ohne eine gewisse Aussicht auf Erfolg würden die Ex-Vorstände der verlustträchtigen Banken KfW, IKB und Hypo Real Estate die gegenwärtige Schmach wohl kaum über sich ergehen lassen. "Pannenbanker" und "Gier-Manager" sind noch die harmlosesten Bezeichnungen, die Georg Funke (HRE), Stefan Ortseifen (IKB) und andere sich gefallen lassen müssen, weil sie gegen ihre Kündigungen klagen.

Die erste Antwort in der nun beginnenden juristischen Schlammschlacht zwischen Banken und ihren Ex-Managern ließ nicht lange auf sich warten - sie kam von der KfW. Das Institut prüfe eine Schadensersatzklage gegen seine beiden Ex-Vorstände Detlef Leinberger und Peter Fleischer, kündigte Vorstandschef Ulrich Schröder an. Die KfW macht die beiden für die Überweisungspanne verantwortlich, bei der die Bank mehr als 300 Millionen Euro an die US-Bank Lehman Brothers transferierte, obwohl diese nach KfW-Darstellung bereits Insolvenz angemeldet hatte. Leinberger und Fleischer wehren sich dagegen und streiten vor Gericht für die Weiterzahlung ihrer Bezüge, wie am Freitag bekannt wurde. Sie wollen sich nicht öffentlich zu den Vorwürfen und dem Verfahren äußern.

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Die bisherigen Gefechte sind wohl bloß ein kleines Scharmützel gegen das, was vermutlich noch kommt. "Da geht es um die nackte Existenz", heißt es im Umfeld einer betroffenen Bank. "Manche Ex-Vorstände können froh sein, wenn sie am Ende noch in einer Etagenwohnung leben."

Sind solche markigen Worte nur eine Drohkulisse? Wer in dieser Auseinandersetzung gewinnt, ist offen. Doch angesichts des allgemeinen Drucks geraten die Banker in die Defensive.

Für die Öffentlichkeit sind die Fälle ohnehin klar: Wer Verluste in Milliardenhöhe zu verantworten hat und den Staat als Retter zu Hilfe ruft, verdient eigentlich nicht viel mehr als Wasser und Brot. Umso größter auch die Empörung über die Abfindungen in Höhe von 58 Millionen Euro für neun Ex-Vorstände der verlustträchtigen Dresdner Bank, auch wenn Ex-Chef Herbert Walter inzwischen auf seine Abfindung verzichtet hat.

Die Kündigungen bei HRE, IKB und KfW

Juristisch ist die Sache im Fall der Kündigungen bei HRE, IKB und KfW nicht ganz so eindeutig. "Die pure Höhe des Schadens reicht natürlich nicht aus, um erfolgreich Schadensersatz geltend zu machen", sagt Arbeitsrechtler Eckard Schwarz von der Kanzlei Lovells. Erst wenn klar ist, dass die Vorstände bei ihrer Arbeit tatsächlich versagt haben, indem sie nicht sorgfältig genug agiert haben, ist die Kündigung wirksam. Die zentrale Frage lautet: Liegt ein wichtiger Grund für die Kündigung vor?

Im Fall der Entlassungen von Funke, Ortseifen und Co. geht es zu Anfang vor allem darum, ob sie zum Beispiel wider besseren Wissens Papiere kauften, die sich später als toxisch erwiesen. Und ob sie sich nicht ausreichend über die Risiken informiert haben. Die Gefeuerten sagen nein, sie hätten nicht ahnen können, das das System wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt.

Ohne Weiteres werden sie mit dieser Argumentation nicht durchkommen. "Wer sich allein auf die Ratingagenturen verlässt, ohne die Produkte selbst sorgfältig zu prüfen, wird sich fragen lassen müssen, ob er die nötige Sorgfalt hat walten lassen", sagt der Heidelberger Anwalt für Wirtschafts- und Arbeitsrecht Michael Eckert mit Blick auf allgemeine Gesetzeslage und Rechtsprechung. "Wenn der Vorstand Geschäfte tätigt, die er nicht versteht und einfach irgendwelche Papiere kauft, macht er sich angreifbar."

Doch was bedeutet es, Produkte sorgfältig zu prüfen? Immerhin waren die jetzt verdammten Geschäfte über Jahre in der gesamten Branche völlig üblich. "Wenn es so sein sollte, dass der Vorstand sich hat umfassend beraten lassen und der Markt sich dann radikal verändert hat, wird es möglicherweise nichts mit einer Kündigung", entgegnet deshalb Schwarz.

Grundsätzlich müssen die Gerichte nun entscheiden, ob sie die Finanzkrise mit ihren Folgen für deutsche Banken eher wie eine Naturkatastrophe einstufen, der Bankvorstände hilflos ausgesetzt waren.
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Dem halten andere Juristen entgegen, schon die schiere Menge der gekauften riskanten Papiere zeuge von der Verantwortungslosigkeit der Manager. Die IKB etwa habe riskante Papiere verwaltet, deren Wert ein Drittel der Bilanzsumme erreichte, argumentiert der Bonner Wirtschaftsrechtler Marcus Lutter - ein aus seiner Sicht nicht zu vertretendes Klumpenrisiko. Vor Gericht muss nun geklärt werden, ob die betreffenden Assets tatsächlich einer Anlageklasse zuzurechnen sind und somit überhaupt die Voraussetzung für einen "Klumpen" gegeben ist.

Grundsätzlich müssen die Gerichte nun entscheiden, ob sie die Finanzkrise mit ihren Folgen für deutsche Banken eher wie eine Naturkatastrophe einstufen, der Bankvorstände hilflos ausgesetzt waren. Oder sie werten die Kernschmelze als kollektives Versagen, für das auch der Einzelne höchstpersönlich haftbar zu machen ist.

Millionen für gefeuerte Vorstände

Manche Bank gibt sich gegenüber ihren früheren Angestellten äußerst angriffslustig - davon zeugt der Schadensersatzvorstoß der KfW wegen der 300-Millionen-Überweisungspanne. Zwar würde ein erster Triumph für die geschassten Manager - beispielsweise wegen eines Formfehlers bei der Kündigung - zwar teuer für die Institute. Die Verträge er Gefeuerten müssten ausbezahlt werden. Je nach Laufzeit wären die Banken verpflichtet, Millionensummen auf die Konten ihrer ungeliebten ehemaligen Vorstände zu überweisen.

Diese Aussicht beeindruckt sie indes wenig. Dann, so heißt es unverblümt, würden die geltend gemachten Ansprüche direkt mit Schadensersatzforderungen verrechnet. Fünf Millionen Euro Kosten für einen zu Unrecht gekündigten Vertrag? "Der Schaden für die Bank beläuft sich auf 280 Milliarden Euro", sagt ein Insider trocken. Die Ex-Manager bestreiten das natürlich vehement.

"Immerhin ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft gegen Ex-Vorstände", heißt es aus der HRE. Für einen Vergleich sei daher überhaupt keine Eile geboten. Wer könne denn besser als die Staatsanwaltschaft herausfinden, ob sich die Manager schuldig gemacht haben?

Aufsichtsrat muss Anspruch auf Schadensersatz prüfen

Verdonnert sie ein Gericht im Sinne ihrer Ex-Arbeitgeber, würden sie möglicherweise ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren - möglicherweise sogar ihre Rentenansprüche. "Der Aufsichtsrat eines Unternehmens hat die Pflicht, Schadensersatzansprüche zu prüfen, sonst macht er sich selbst unter Umständen angreifbar", sagt Anwalt Eckert.

Der drohende finanzielle Verlust steht für viele der jetzt klagenden Banker vermutlich gar nicht an erster Stelle. "Die bekommen beruflich möglicherweise nie wieder ein Bein auf den Boden, weil ihre Reputation zerstört ist", sagt ein Anwalt. "Die einzige Lösung wäre vermutlich eine ganz hohe Schadensersatzzahlung an das Unternehmen und dann zu hoffen, dass Gras über die Sache wächst."