Pharmasektor ist noch nicht bereit für die RFID-Technologie

Viele Hürden für Medikamenten-Tags

04.07.2005 von Tanja Wolff
Umfassende RFID-Lösungen für den Pharma- und Gesundheitssektor sind zurzeit noch eine Vision. Ein Report von Berlecon Research zeigt auf, das die Konkurrenz mit bestehenden Barcode-Systemen, ein unklarer Business Case und der Datenschutz wesentliche Hürden bei der Einführung der Tags darstellen. Daher ist davon auszugehen, dass sich unternehmensübergreifende Lösungen nur langsam verwirklichen lassen.

Der Pharma- und Gesundheitssektor wird oft als Vorreiter für den Einsatz der RFID-Funkchips gesehen, so die Untersuchung. Mit Hilfe dieser Lösung soll nicht nur die Effizienz der Logistikkette verbessert werden, sondern man verspricht sich eine größere Sicherheit für Medikamente. Besonders nachdem Fälle von gefälschten Medikamenten amerikanische Aufsichtsbehörden und Pharmakonzerne alarmiert haben.

Der Analyse zufolge verhält sich die Branche noch sehr zurückhaltend. Viele wissen nicht welche Herausforderungen im Zusammenhang mit RFID-basierten Lösungen auf das Unternehmen zukommen und welches Potenzial in ihnen steckt. Trotz zahlreicher Informationen durch IT-Anbieter, Beratungen und Standardisierungsgremien ist die Informationslage immer noch unbefriedigend.

Barcodes sind billiger

Laut dem Report stellt die Konkurrenz der Tags mit der herkömmlichen Barcode-Technologie eine der Herausforderungen dar. Dabei gilt RFID als besser geeignet zur massenhaften Identifizierung einzelner Artikel. Zu den Vorteilen zählt, dass die Tags auch ohne Sichtkontakt auf den RFID-Transpondern gelesen werden können und sie robuster gegenüber Umwelteinflüssen sind. Zudem sind sie fälschungssicherer und können Zusatzanwendungen ausführen.

Geringere Kosten und eine reifere Technologie sprechen zurzeit aber noch für die Barcodes. Schließlich sind selbst passive Tags derzeit kaum unter 30 Cent zu haben. Weitere Kosten fallen für das Auftragen sowie für den Kauf und Installation von RFID-Readern an. Dagegen verfügen die meisten Unternehmen bereits über eine Infrastruktur zur Nutzung herkömmlicher Barcodes. Es ist folglich unwahrscheinlich, dass die RFID-Technologie in absehbarer Zeit eingeführt wird.

Zusätzlich konkurrieren globale und branchenübergreifende Netzwerke wie EPC global mit bereits existierenden pharmazeutischen Nummernsystemen und ihren Betreibern. Aus der Analyse geht hervor, dass diese Tatsache Insellösungen wahrscheinlich macht. Diese werden nur dort eingesetzt, wo sie den größten Mehrwert liefern. Das Ergebnis wäre dann zunächst ein Nebeneinander von verschiedenen RFID-Infrastrukturen, die sich erst im Laufe der Zeit annähern.

Business Case und Datenschutz

Die Analysten sehen im Business Case eine weitere große Herausforderung an die Pharmaunternehmen. Zwar sprechen neben der Arzneimittelsicherheit noch weitere Argumente für den RFID-Einsatz, aber die jeweiligen technischen Anforderungen unterscheiden sich. RFID-Systeme zur Temperaturüberwachung oder für die Optimierung der Logistik müssen anders aufgebaut sein als Tags, die für eine bessere Fälschungssicherheit sorgen sollen. Folglich können die unterschiedlichen Anforderungen nicht zu einem einheitlichen Business Case für eine Lösung zusammengefasst werden. Die Zukunft von RFID wird in diesem Sektor vermutlich von staatlichen Entscheidungen, wie Patientenschutz, bestimmt werden.

Die Untersuchung zeigt außerdem auf, dass beim Einsatz von RFID im Gesundheitsbereich der Datenschutz berücksichtigt werden muss. Die Sensibilität ist dort noch höher als beim Einsatz der Tags im Supermarkt. Dabei ist das Hauptproblem, dass Medikamente einen Rückschluss auf Krankheiten zulassen. Dem unbemerkten Auslesen von RFID-Chips auf Arzneipackungen muss deshalb ein Riegel vorgeschoben werden, damit sie nicht an Akzeptanzproblemen scheitern.

Die Analyse "RFID im Pharma- und Gesundheitssektor – Vision und Realität RFID-basierter Netzwerke für Medikamente" wurde vom Marktforscher Berlecon im Auftrag des Berliner Forschungszentrums Internetökonomie "Interval" durchgeführt.