Prozess-Management oft zu dezentral organisiert

Vielen CEOs fehlt der Blick fürs Ganze

28.09.2004 von Detlef Scholz
Die Vorstände von mehr als einem Drittel der europäischen Firmen besitzen keine unternehmensweite Sicht auf ihre Kern-Geschäftsprozesse. Gleichzeitig glauben jedoch fast alle Unternehmenslenker, dass zwischen Prozess-Management und Profitabilität ein eindeutiger Zusammenhang besteht. Darauf weist eine Studie des Marktforschers Economist Intelligence Unit hin.

In zwei Dritteln der Unternehmen sieht sich der CEO als Hauptverantwortlicher für die Leistungen der Geschäftsprozesse. Doch nur jeder zehnte Vorstand hat laut der Umfrage eine umfassende Sicht auf seine Geschäftsprozesse und kann so angemessen auf externe Veränderungen reagieren.

Gut 40 Prozent managen die Risiken, die mit Veränderungen einhergehen, nicht systematisch. Das könne Ineffizienz, Unzufriedenheit der Kunden und operativen Risiken nach sich ziehen, so die Analysten. Etwa 30 Prozent der Unternehmen führen vor Veränderungen von Geschäftsabläufen Simulationen durch, bevor sie verwirklicht werden.

Zwar wurde in den Chefetagen der Zusammenhang zwischen Prozessen und Profitabilität klar erkannt. So sagten 70 Prozent der CEOs, dass die Performance der internen Geschäftsprozesse einen direkten Einfluss auf die Gewinnsituation habe. Ein gutes Viertel sah immerhin noch eine indirekte Verbindung. Doch in vielen Unternehmen ist Prozess-Management noch immer dezentralisiert. Es basiert auf einem Ausschnitt des Gesamtbildes.

Knapp 60 Prozent der Befragten gaben an, einen unternehmensweiten Blick auf die Geschäftprozesse zu haben. Dagegen erstreckt sich der Blick von einem guten Drittel nur auf Teilbereiche der Unternehmung. Oft fehlt dann auch das Wissen um die Funktionszusammenhänge der Abteilungen.

In drei Viertel der Unternehmen sind verschiedene Fachbereichs-Manager für Prozess-Management verantwortlich. Diese Manager müssen kooperieren, damit sich Verbesserungen in einem Teil der Organisation nicht negativ auf einen anderen Unternehmensbereich auswirken. Für die Zusammenarbeit existieren allerdings häufig keine formalen Prozeduren.

55 Prozent der befragten Unternehmen testen zurzeit BPM-Werkzeuge (Business Process Management). Sie versprechen sich davon vor allem Vorteile im Kundenservice (52 Prozent) sowie eine Reduzierung der operativen Kosten (50 Prozent). Mehr als ein Drittel erhofft sich eine Verbesserung der Produkt- und Service-Qualität. 40 Prozent erwarten mehr Prozess-Transparenz und erhöhte Kontrolle über die Abläufe. Für mehr als ein Viertel ist eine Verkürzung der Produkt-Entwicklungszeit ("Time-to-Market") die größte Hoffnung bei Einsatz von BPM.

Als Gründe, warum sie bisher noch kein BPM implementiert haben, überwog bei den meisten Firmen das knappe Budget. Doch auch ein nicht klar erkannter ROI (Return on Investment) und eine vermutete zu hohe Komplexität der Lösung verhinderten bei Unternehmen bisher die Implementierung einer BPM-Software.

Für die Studie befragte die Economist Intelligence Unit im Mai und Juni dieses Jahres 118 Unternehmensvorstände in 14 europäischen Ländern über Ihre Sicht auf BPM. Beauftragt wurde sie von File-Net, einem Anbieter von Enterprise-Content-Management-Lösungen.

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