IT-Manager wetten

Vom Ende des Geldes

06.05.2016 von Bernd Gill und Jürgen Stauber
Bernd Gill und Jürgen Stauber von HP wetten, dass in zehn Jahren 80 Prozent aller Zahlungen im C2B-Bereich virtuell stattfinden werden und Banknoten, Münzen sowie physikalische Kreditkarten – wie wir sie heute kennen –, aber auch unsere Geldbeutel zunehmend ein Relikt aus der Vergangenheit sein werden.
Autor Bernd Gill
Foto: Hewlett-Packard

Vor über 4000 Jahren wurde Naturgeld als Zwischentauschmittel geschaffen - dies waren meist unverderbliche seltene Güter wie Muscheln, Steine und später Edelmetalle -, die 650 vor Christus von den Lydern, einem Volk in Kleinasien, mit der Schaffung der ersten Münzen verfeinert wurden. Das Wiegen und Messen der Tauschmittel entfiel.

Mit dem zunehmenden Handelsvolumen wurde der Tausch mit Edelmetallmünzen immer beschwerlicher, und so führte der Kaufmann Johannes Palmstruch im Jahre 1661 mit Genehmigung des schwedischen Königs die ersten Banknoten und die erste Bank ein: die "Stockholm Banco". Die Banknote konnte als Ersatz zu den Münzen gehandelt und jederzeit bei der Bank gegen die Edelmetallmünzen zurückgetauscht werden.

Autor Jürgen Stauber

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich unser einstiges Ersatztauschmittel zu einem virtuellem Zahlungsmittel weiterentwickelt. Der Großteil der Transaktionen findet heute schon elektronisch und virtuell statt - ohne dass das Zahlungsmittel physikalisch ausgetauscht werden muss. Kreditkarten, EC-Karten und Treue-Karten lassen heute den Umfang unseres Portemonnaies wachsen, oft ergänzt durch ein paar Bargeldressourcen. Handel findet zunehmend auch immer mehr virtuell im Internet statt.

Die Shared Economy - in der nicht mehr nur Besitz, sondern vor allem die Nutzung im Vordergrund steht -, die voranschreitende Digitalisierung unserer Wirtschaft, neue Geschäftsmodelle und Microcharging erfordern neue Zahlungsmethoden, die das Bezahlen einfacher machen, aber gleichzeitig auch die Sicherheitsrisiken der neuen Technologien eindämmen. Unsere Geldbörse wird zunehmend vom Smartphone abgelöst, das die unterschiedlichen Zahlungsmittel wie Kreditkarten und Debitkarten, aber auch E-Wallets virtualisiert.

Wurden unsere Zahlungsprozesse bisher vorrangig über Banken abgewickelt, kommen jetzt völlig neue Player ins Spiel - Telekommunikationsfirmen, IT-Firmen, Dienstleister, Händler und eine Vielzahl an Start-ups. Sie wollen mit ihren neuen Zahlungsprozessen eine bessere "Customer Experience" schaffen, den Kaufprozess einfacher, schneller und sicherer gestalten, Kunden binden, aber auch unsere Interessen und unser Kosumverhalten besser verstehen, um weitere komplementäre Leistungen anbieten zu können. Digitale Zahlungsprozesse schaffen vor allem eines: Daten, die, wenn sie mit anderen Daten korreliert werden, zu völlig neuen Informationen führen.

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So können Kreditkarteninstitute über Big-Data-Technologien anhand des Konsumverhaltens von Ehepartnern eine Scheidung mit 98 Prozent Wahrscheinlichkeit zwei Jahre vorher prognostizieren Händler können am Kaufverhalten ihrer weiblichen Kunden nicht nur eine Schwangerschaft, sondern auch das exakte Trimester der Schwangerschaft vorhersagen. Beides sind wesentliche Einschnitte im Leben eines Menschen, die unser Konsumverhalten verändern und somit eine wichtige Informationen für Dienstleister und den Handel darstellen. Diese Möglichkeiten erfordern den respektvollen und sicheren Umgang mit Daten, damit der Verbraucher die neuen Möglichkeiten vertrauensvoll nutzen kann.

IDC prognostiziert für 2017 einen globalen Mobile-Payment-Markt von einer Billion US-Dollar Der Wettlauf um die erfolgreichsten Zahlungs-Services und somit auf Informationen hat begonnen, und Informationen sind das Erdöl der Zukunft - "Wer über sie verfügt, wird in der Zukunft wirtschaftlichen Erfog haben", wie Jack Ma, Gründer und CEO von Alibaba, auf seiner Eröffnungsrede der CeBIT 2015 sagte.

Diese neuen Zahlungs-Services stellen nicht nur Unternehmen und Banken vor neue Herausforderungen - etwa in Bezug auf Sicherheit und Differenzierung -, sondern auch die Geldpolitik, da Geldströme in klassischen Währungen, aber auch in Ersatzwährungen für die Währungshüter intransparenter und somit schwerer beeinflussbar sind.

1. Virtuelle Zahlungsmethoden

Aus heutiger Sicht lassen sich die virtuellen Zahlungsmethoden wie folgt charakterisieren. Im Folgenden wollen wir die Kategorien etwas detaillierter betrachten.

1.1. Zahlung über Carrier Billing Services

Bei der Zahlung über Carrier Billing Services werden die bestehenden Kundenbeziehungen und vorhandenen Geschäftskonzepte zur Abrechnung von geringfügigen Leistungen (microcharging) genutzt. So kann ein Kunde eines

Telekommunikationsdienstleisters seine Telefonnummer nutzen, um Leistungen anderer Unternehmen einzukaufen. Dies kann sowohl von Mobiltelefonen aus geschehen als auch von PCs, Smart TVs oder Spielkonsolen. Eine Rückbestätigung über die Mobilnummer (zum Beispiel per SMS) und zusätzliche PINs machen die Zahlung über den Carrier Service zu einer sicheren Zahlungsmethode, und es müssen keine weiteren persönlichen Daten bei der Bezahlung übermittelt werden.

Die Zahlungen über Carrier Services haben sich vor allem in Europa durchgesetzt. Hier wird sich das Marktvolumen laut einer Studie von Juniper Research auf 5,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 belaufen.

Über die "Payment Services Directive 2007" (PSD) ist das Carrier Billing in Europa reguliert. Die Direktive regelt zum einen die Anforderungen an Nicht-Finanzinstitute, die sich als "Payment Institution" bewerben wollen, und zumanderen die Rechte und Pflichten von Service-Providern und Nutzern. Aber auch in Schwellenländern setzt sich das Carrier Billing durch. Insbesondere in Indien - wo es nur 19 Millionen Kreditkarteninhaber, aber 937 Millionen Mobilfunkkunden gibt -, einem Markt, der gekennzeichnet ist von vielen kleinen Transaktionen, gewinnt das Carrier Billing sehr schnell an Bedeutung.

Das Ökosystem des Direct Carrier Billings besteht im Wesentlichen aus vier Playern:

• den Händlern, die ihren Kunden die Möglichkeit anbieten, über ihren Mobilfunkvertrag zu bezahlen;

• den Betreibern von Billing-Plattformen, die den Händlern die Technologien zur Verfügung stellen, um über mehrere Mobile Network Operator (MNO) abrechnen zu können. Hierzu gehören u.a. Betreiber wie Boku oder Pay Champ;

• den Mobile Network Operators, die ihrerseits Billing-Infrastrukturen bereitstellen und es Kunden ermöglichen, ihre Einkäufe über ihre Telefonrechnung oder ihr Prepaid-Konto abzurechnen;

• Anbietern von Billing-Infrastrukturen für Direct Carrier Billing Services. Dazu gehören u.a. Unternehmen wie HP.

Außer in Telko-Firmen sind Direct Carrier Billing Services aber auch in anderen Dienstleistungsunternehmen denkbar, die ohnehin über einen Billing Service verfügen. Dazu gehören beispielsweise Energieversorger oder, wie im Falle von E-ZPass in den USA, Mautsysteme. So können in fünf Staaten der USA Autofahrer in der Fast-Food-Kette Wendy's im "iDriveThru" ihr Mautsystem nutzen, um für ihren Einkauf zu bezahlen.

Dem Anbieter von Direct Carrier Billing Services bringen diese Dienstleistungen neben weiteren Einnahmequellen und erhöhter Kundenbindung vor allem auch wertvolle Daten und Informationen über ihre Kunden, die zu neuen Geschäftsmodellen führen können.

1.2. Mobile Wallets

Mobile Wallets stellen wohl den stärksten Trend im Bereich der Mobile Payments dar. Hier sind vor allem die schnell wachsenden Anbieter wie Apple Pay, PayPal und Google Wallet zu finden.

Die Zahlung mit Apple Pay zum Beispiel in Läden oder Restaurants wird über NFC (Near Field Communication) kontaktlos angestoßen. Ein Wisch mit dem Mobiltelefon oder der Smartwatch reichen aus. Mit dem Fingerabdruck auf dem iPhone wird die Zahlung bestätigt, die das Telefon mit einer kurzen Vibration quittiert. Ähnlich läuft es bei der iWatch: Hier wird ein Doppelklick auf die Krone als Zahlungsbestätigung benötigt. Soll eine andere als die Standardzahlmethode verwendet werden, kann der Benutzer zwischen den vorher eingerichteten Kreditkarten und Zahlungsmethoden wählen.

Dabei wird die Kreditkartennummer nie dem Zahlungsempfänger übermittelt. Der Kreditkarte wird bei Einrichtung eine "Device-Account-Number" zugewiesen, die verschlüsselt auf einem dedizierten Chip im iPhone oder in der Apple Watch abgespeichert wird. Diese wird bei der Bezahlung zusammen mit einem transaktionsspezifischen Sicherheitscode übermittelt, um die Zahlung abzuwickeln.

Der Online-Einkauf funktioniert ähnlich einfach, und auch die verbleibenden Treuekarten, Kundenkarten oder Gutscheinkarten werden im Passbook verwaltet, sodass die Geldbörse nicht mehr benötigt wird.

Google Wallet funktioniert ähnlich. Auch hier werden die NFC-Funktionalitäten des Mobiltelefons genutzt. Zusätzlich können aber auch per E-Mail (über einen G-Mail-Account) Geldbeträge versandt werden. Dabei muss der Empfänger selbst über keine Google Wallet und auch über keinen G-Mail Account verfügen.

Sowohl Google Wallet als auch Apple Pay sind derzeit in Europa noch nicht verfügbar. Apple Pay soll aber Ende 2015 global verfügbar werden.

Die europäischen Telko-Firmen warten mit eigenen Zahlungsdienstleistungen auf:

MyWallet ist der Mobile Wallet Service der Deutschen Telekom. Der Service ist unabhängig von den neuen Mobiltelefongenerationen mit NFC-Chip. Hier bekommt der Nutzer entweder eine SIM-Karte mit integriertem NFC-Chip oder einen NFC-Sticker, der auf das Telefon geklebt werden kann. Zudem erhalten die Nutzer eine Plastikkarte mit Magnetstreifen für den Zahlungsverkehr, der nicht für NFC-Zahlungen vorbereitet ist. Die Karte und die NFC-Chips basieren auf dem Mastercard Paypass, der bundesweit von 35.000 und global von 1,6 Millionen Zahlungsstellen akzeptiert wird.

Auch MPass - der Mobile Payment Service von O2 und Vodafone - basiert auf dem gleichen Standard. Hier wird vor allem mit dem NFC-Sticker gearbeitet.

Die Nutzung anderer Zahlungsmittel oder Kredit-/Debit-Karten sind bei beiden Diensten nicht vorgesehen.

PayPal wiederum unterstützt eine Vielzahl an Zahlungsmitteln. Ähnlich wie bei Apple kann der Kunde seine bevorzugte Zahlungsmethode vor der Zahlung wählen. Auch hier werden dem Händler keine Kreditkartendaten übermittelt. Dafür fehlt im Moment noch die NFC-Funktionalität. Diese wird ersetzt durch einen QR-Code, ein PIN-System und eine visuelle Bestätigung des Zahlenden über ein Foto auf dem Zahlungsterminal des Verkäufers.

In Restaurants oder Bars können Speisen und Getränke sogar über die App von einer virtuellen Menükarte bestellt und bezahlt werden. Auch der Rechnungs-Split nach dem Essen, wenn man mit Freunden ausgegangen ist, kann einfach vollzogen werden. Per E-Mail bekommt der Zahlende die Anteile der Freunde gutgeschrieben. Diese Funktion lässt sich auch für den Geldtransfer zu Freunden oder Verwandten nutzen. Zur Bestätigung der Zahlung ist wie auch bei Apple Pay der Fingerabdruck ausreichend und ersetzt kryptische Codes

PayPal arbeitet an der Nutzung von NFC- und Bluetooth-Low-Energy-Technologie, und für die Merchant-Seite sind bereits erste Bezahlterminals mit NFC-Funktionalität eingeführt worden.

Retailer wie Alibaba haben ebenfalls eigene Mobile-Wallet-Lösungen etabliert. Alipay verwaltet für den Käufer ein breites Porfolio an Zahlungsmitteln, angefangen mit Kreditkarten, der Direktabbuchung von Konten, Western Union und Bolleto, einem Zahlungssystem in Brasilien, das vor allem von Bevölkerungsschichten genutzt wird, die über keine Kreditkarten verfügen. Alipay ist bereits heute der größte Payment Service in China und eröffnet vielen die Welt des Mobile Payments.

Sina Weibo, das chinesische Pendant zu Twitter, hat in Kooperation mit Alipay die Plattform "Weibo Payment" ins Leben gerufen. Nutzern der iOS-App des Services soll es damit ermöglicht werden, sowohl in Geschäften als auch online Zahlungen vorzunehmen. Sie sind dabei auch direkt an die Partnerplattformen von Alipay angedockt. Für beide Anbieter bietet die Allianz die Chance, Marktanteile zu gewinnen, zumal Sina Weibos direkter Konkurrent WeChat die Zahlungsmöglichkeit bereits in seine Anwendung integriert hat.

Aber auch Banken nutzen das Potenzial der mobilen Bezahldienste. So hat die PKO Bank Polski - größte Universalbank Polens und Marktführer in Zentral- und Osteuropa - entschieden, das gesamte Debit-Portfolio in eine kontaktlose Lösung zu überführen. Die mit HP entwickelte Lösung erlaubt ein sicheres Geldabheben am Bankautomaten mit mobilen Endgeräten sowie die Zahlung im Netz oder an mobilen Verkaufspunkten. Auch Zahlungen zwischen Personen oder das Einlösen von Gutscheinen im Offline-Modus sind möglich.

Mobile Wallets werden künftig auch Zahlungsmittel auf Dienstreisen ersetzen und die Spesenabrechnungsprozesse vereinfachen, da alle Belege in der virtuellen Brieftasche abgelegt sind.

1.3. Universelle Karten

Ein ähnliches Konzept wie M-Wallets wird von einer Reihe von Start-ups verfolgt. Hier ersetzt eine universelle Karte mit Magnetstreifen, Chip und NFC-Funktionalität den gesamten Kartenbestand im Portemonnaie.

Dabei kann die Universalkarte die Identität jeder Kredit-, Debit-, Kunden- oder Ausweiskarte annehmen, die vom Benutzer eingelesen wurde. Die Universalkarte verhält sich dann wie die gewählte Karte aus dem virtuellen Geldbeutel. Die Kartenidentität wird über ein berührungsempfindliches Feld auf der Karte gewechselt und in einem kleinen Display auf der Karte angezeigt oder über eine App im Smartphone gewählt.

Geht die Karte verloren, ist sie für den Finder wertlos, da sie nur in Bluetooth-Reichweite des Mobiltelefons funktioniert.

Swype bietet über eine zusätzliche PIN das einmalige Freischalten der Karte für Zahlungen auch außerhalb der Reichweite des Smartphones. Weiterhin ist das Versenden von Giftcards (Geldtransaktionen) über das Adressbuch möglich, und Kaufbelege können digital abgelegt werden, etwa für eine spätere Spesenabrechnung.

Coin ist das wohl bekannteste Start.up und am längsten am Markt. Die Karte verbindet sich über Bluetooth Low Energy mit dem Smartphone. Sie hat noch keinen EMV-Chip, der soll aber in einer der nächsten Versionen nachgerüstet werden.

Die Wacketwallet von NXT-ID ist in einer kleinen Ledertasche verpackt und hat ein Touch­display. Dieses wird genutzt, um die Identität der Karte zu wählen, aber auch, um Barcodes (etwa von Treuekarten) auf dem Display abzubilden. Die Karte selbst kann, nachdem die Kartenidentität gewählt wurde, aus der Hülle entnommen und verwendet werden, enthält in der derzeitigen Version aber noch keinen EMV-Chip.

Neben Karten kann die Wacketwallet auch Passwörter und PINs verschlüsselt abspeichern, und ein biometrischer Voicematch Service hilft neben PIN-Feldern bei der Entschlüsselung. Die Wallet wird unabhängig vom Smartphone betrieben werden, kann aber auch mit der Smartphone App verbunden werden, die die elektronische Wallet dann mit dem neuesten Firmware-Versionen versorgt.

Die universellen Karten stellen auf jeden Fall eine interessante Alternative zu M-Wallet-Zahlungslösungen dar. Vor allem sind sie nicht auf spezielle Zahlungsterminals - etwa mit NFC-Technologie - angewiesen und dürften nahezu überall funktionieren, wo man mit den originalen Karten auch zahlen kann. Bisher sind aber alle Projekte in der Start-up-Phase. Für Europa dürfte vor allem Swype mit seinem EMV-Chip das interessanteste Modell sein.

1.4. Virtual Cards

Virtual Cards sind meist Treuekarten, die über eine vom Kunden angehängte Kreditkarte, ein kleines Debitkonto oder ein Abbuchungsverfahren auch für Zahlungen genutzt werden können. Auch Treueboni können diesen Karten gutgeschrieben werden.

Beispiele dafür sind die Starbuck Card oder die Treuekarte von Dunkin Donuts.

Aber auch Treuekarten-Kreditkarten fallen in diese Kategorie. Diese sind vor allem von Fluglinien bekannt. Auch hier dürfte nicht nur der Zusatzservice der Kreditkarte im Vordergrund stehen, sondern auch das Interesse an den Informationen, die aus den Zahlungsprozessen resultieren.

1.5. In-App Payment

Ein Taxi über die App myTaxi bestellen, einsteigen und am Zielort mit einem Fingerscan (über das iPhone) bezahlen - so sieht die digitale Kundenerfahrung von myTaxi aus. Die Taxibelege werden elektronisch per E-Mail versandt.

In-App-Payment-Prozessen werden meist über bestehende Kredit- oder Debitkarten sowie andere Zahlungsmethoden wie etwa Paypal abgewickelt. Rabatte oder digitale Gutscheine lassen sich dabei ebenfalls leicht verrechnen.

Weitere Beispiele im Bereich der Personenbeförderung sind Uber, Call-a-Bike der Deutschen Bahn oder Car2Go von Daimler.

Ihren Ursprung haben die In App Payment Services jedoch im Handel. Amazon oder Alibaba erlauben den One-Klick-Einkauf, in dem die Produktbestellung und der Zahlprozess in einem Arbeitschritt abgewickelt werden. So sollen Käufer spontane Kaufentscheidungen in die Realität umsetzen und nicht bei der Suche nach der Kreditkarte sich den Kauf noch einmal überlegen.

1.6. Tauschwährung

Tauschwährungen gehen auf den Ursprung des Geldes zurück. Sie dienen als Zwischentauschmittel, als Ersatzwährung - geschaffen von Menschen mit viel sozialem Unternehmergeist, um die wirtschaftliche Not zu lindern. Die Ersatzwährungen mildern die Nachteile der bestehenden Währungen als Zwischentauschmittel - Inflation, Geldbeschaffungskosten (Zinsen) und Steuern - und schaffen eine Schattenwirtschaft, meist begrenzt auf eine Region oder einen Nutzerkreis. Sie sollen helfen, die betroffene Region wirtschaftlich zu stärken und sie von den Krisen der nationalen oder globalen Wirtschaft zu entkoppeln.

Aber auch der soziokulturelle Wandel hin zu einer Shared Economy ist ein Treiber, der immer neue Tauschwährungen entstehen lässt. Er schafft nicht nur einen Tausch von Dienstleistungen und Gütern, sondern stellt oft auch soziale Kontakte zwischen den Teilnehmern des Tauschrings her.

Anfangs sind diese Währungen meist Zeitkontingente. So gründete der Spanier Àlvaro Solache 2010 Comunitats - eine Mischung aus Tauschsystem und sozialem Netzwerk. Erbringt jemand eine Stunde Webdesign-Dienstleistungen für ein anderes Mitglied der Plattform, bekommt er eine Stunde auf seinem Zeitkonto gutgeschrieben. Die kann er später gegen eine andere Stunde einer anderen Dienstleistung einlösen. Auch wenn das Konto vorübergehend ins Minus rutscht, so ist das kein Problem - was zählt, ist das Vertrauen aller Beteiligten.

Moderne Tauschplattformen verrechnen die geleisteten Stunden in eine Ersatzwährung, wie der Me* bei Exchange Me oder der Taler bei Bambali. Diese erlauben das Ansparen von Einheiten, um sie später gegen etwas einzutauschen. Dabei stehen nicht nur Dienstleistungen zur Wahl, sondern auch Gegenstände, die man leihen oder gegen die Ersatzwährung erstehen kann. Nur der Tausch von und zu Realwährungen ist ausgeschlossen.

TauschbörseArbeit.de und Diensttausch.de kommen ganz ohne Ersatzwährung aus. Der Anbieter stellt ein sogenanntes Barter-Angebot in das Portal, aus dem hervorgeht, was er sucht und was er anzubieten hat. Getauscht werden sowohl Dienstleistungen als auch Gegenstände. Interessenten können sich auf die Anzeige bewerben, und bei mehreren Interessenten können die Parteien über das Portal verhandeln, bis es zwischen zwei Parteien zum Abschluss kommt.

Die Besteuerung entfällt, solange die Dienstleistungen zwischen Privatpersonen getauscht werden - zumindest in Deutschland. Die Steuergesetzgebung trennt hier zwischen Erwerbssphäre und Privatsphäre. Die Erwerbseinkünfte sind gekennzeichnet durch die "entgeltliche Verwendung von Leistungen … am Markt" und durch eine selbstständige nachhaltige Betätigung mit dem "Abzielen auf Positive Einkünfte durch eine unter Einkunftsart fallende Leistung". Die Kriterien treffen auf die Mitglieder eines Tauschrings nicht zu - so wurde bereits 1997/98 der Besteuerungssatz für Tauschleistungen folgerichtig gestrichen.

Eine Sonderform der Tauschwährungen bilden die lokalen Währungen, wie der LETS (Local Exchange Trading System), der in den frühen 80er-Jahren im Westen Kanadas entstand, um Verbraucher und Erzeuger der Region von den Krisen der Weltwirtschaft zu entkoppeln. Andere Beispiele sind der WIR-Franken in der Schweiz (gegründet in der Weltwirtschatskrise in den 1930 Jahren), der heute noch mit einem Handelsvolumen über 1,7 Millarden Franken als Stabilitätsfaktor der Schweizer Wirtschaft gewertet wird, oder das Bristol Pound in England.

Jedoch existiert zu vielen der lokalen Währungen eine geldähnliche Banknote, auf deren langfristiges Verschwinden wir wetten.

1.7. Kryptowährung

Kryptowährungen sind virtuelle Währungen. Anders als konventionelle Währungen haben sie keinen Bezug zu Goldreserven oder zum Bruttoinlandsprodukts eines Wirtschaftsraums. Sie werden nicht von einer Zentralbank reguliert, und die Verwaltung erfolgt dezentral über ein Peer-to-Peer-Netzwerk. Für seine Herausgabe ist keine Organisation, kein Regierung zuständig, sondern ein Algorithmus.

Die Erfindung des Bitcoin, und somit der ersten Kryptowährung, geht auf Satoshi Nakamoto und seinen 2008 veröffentlichten Artikel über ein "Peer-to-Peer Electronic Cash System" zurück. Bis heute ist jedoch nicht klar, ob nicht auch der Erfinder eine virtuelle Person ist - ein Pseudonym, hinter dem sich eine andere Person oder eine Gruppe von Personen verbirgt.

Ziel der Schaffung des Bitcoins war es, ein hochsicheres Tauschmittel zu schaffen - ein Zahlungsmittel für Online-Zahlungen, das keine Bank und keine dritte Organisation als vertrauensvoller Vermittler zwischen Sender und Empfänger benötigt. Die Vermittlerrolle in klassischen Zahlungsprozessen erzeugt lange Transaktionszeiten und hohe Transaktionskosten, limitiert die minimale Transaktionsgröße, und Transaktionen sind revisibel. Revisible Transaktionen erfordern Vertrauen, so fordern Verkäufer vom Käufer heute mehr Informationen, als für die tatsächliche Transaktion benötigt werden. Mit dem Bitcoin sollte ein elektronisches Zahlungssystem geschaffen werden, das einen kryptografischen Beweis einer Transaktion liefert, der nicht gefälscht werden kann und die Rolle des Vermittlers überflüssig macht.

Bitcoins werden in digitalen Wallets verwaltet. In den Wallets werden dabei nicht die Bitcoins eines Wallet-Inhabers verwaltet, sondern dessen Zugriffsschlüssel. Jedes Wallet verfügt über eine Adresse. Findet eine Transaktion statt, so wird diese in der Blockkette (Blockchain) eingetragen. Die Blockchain ist ein öffentliches Buchungssystem, in dem Transaktionen - also Sender- und Empfänger-Wallets sowie der Transferbetrag - gespeichert und veröffentlicht sind. So können Kontostände jederzeit aus der Blockchain errechnet werden, auch wenn das Wallet Serverdaten - etwa durch einen Crash - verlieren sollte.

Die Integrität und die chronologische Reihenfolge der Blockchain werden durch Kryptografie sichergestellt. Dabei werden die Buchungen in Blöcken zusammengefasst, zu denen ein Hash (Prüfsumme) erstellt wird und die alle zehn Minuten mit einem Zeitstempel versehen werden. Dabei beinhaltet jeder Zeitstempel den vorherigen Zeitstempel. Die in einer verketteten Liste gespeicherten Hash-Blöcke werden in einem verteilten Peer-to-Peer-Netzwerk veröffentlicht. So kann über die Verkettung der Hash-Blöcke rückwirkend errechnet werden, wann und ob eine Buchung vorgenommen wurde. Durch die Verteilung über ein Peer-to-Peer-Netzwerk wird das System gegen mögliche Angreifer gesichert. Das System ist so lange sicher, wie das Angreifernetzwerk nicht über mehr Rechenknoten verfügt als das offizielle Bitcoin-Netzwerk über Trusted Nodes, so Nakamoto.

Der Transfer eines Betrags zwischen Bitcoin-Wallets, der in die Blockkette eingetragen wird, enthält einen geheimen Datenblock, einen privaten Schlüssel des Senders, der auch "Seed" genannt wird. Mit der Signatur wird die Transaktion vom Sender bestätigt. Damit wird gleichzeitig verhindert, dass die Transaktion nach dem Absenden von Dritten modifiziert wird.

Alle Transaktionen werden unter den Nutzern verbreitet, und innerhalb von maximal zehn Minuten beginnt die Bestätigung durch das Netzwerk mithilfe eines Rechenprozesses - des Mining-Prozesses.

Der Mining-Prozess ist ein verteiltes Konsens-System, das über verschiedene Computer des Peer-to-Peer-Netzwerkes ermöglicht, sich über den Status des Systems (etwa ob die zu transferierenden Bitcoins auch wirklich am Anfang der Transaktion dem Sender gehören) einig zu werden. Um die Transaktion abzuschließen, muss die Transaktion in einen Block gepackt werden, der kryptografischen Regeln entspricht, die durch das Peer-to-Peer-Netzwerk verifiziert werden, um sicherzustellen, dass keine vorherigen Blöcke modifiziert werden.

Der Mining Prozess wird im Zufallsverfahren durch einen Mining-Server im Netz vergeben. So wird sichergestellt, dass keine Einzelperson oder Organisation kontrollieren können, was in der Blockkette eingefügt wird.

Die Bitcoin-Miner erhalten für ihre Dienste eine kleine Transaktionsgebühr sowie neu erschaffene Bitcoins für die von ihnen bestätigten Transaktionen. Da der Rechenprozess mit zunehmenden Transaktionen immer komplexer wird, wird auch der Aufwand des Mining-Prozesses immer komplexer.

Während Notenbanken in traditionellen Währungen immer neue Banknoten erstellen können, ist das System des Bitcoins mit maximal 21 Millionen Bitcoins endlich. Alle vier Jahre halbiert sich die Zahl der emittierten Bitcoins.

Kryptowährungen unterliegen im Vergleich zu traditionellen Währungen starken Schwankungen. Somit sind sie für Online-Händler als Zahlungsmittel ein Risiko. Dieses Risiko wird durch Services wie etwa Bitpay verringert. Bitpay garantiert seinen Nutzern einen sicheren globalen Zahlungsverkehr in Bitcoins mit den garantiert besten am Markt verfügbaren Umtauschraten in Realwährungen zum Zeitpunkt der Transaktion. Transaktionskosten entstehen nicht, dafür fällt für den Händler eine niedrige Flatrate-Gebühr für die Nutzung des Service an. Somit ist die Zahlung mit Bitcoins eine attraktivere Alternative für die Online-Händler, da die Kosten deutlich geringer sind als bei Kreditkartentransaktionen. Bitpay-Services stecken heute hinter 50 Prozent der Zahlungssysteme, die Bitcoin akzeptiert. Darunter befindet sich auch PayPal, das Bitcoin als eines seiner Zahlungsmittel über Bitpay implementiert hat.

Neben dem Bitcoin gibt es heute mittlerweile eine Vielzahl von anderen Kryptowährungen, zum Beispiel der Ripple, LiteCoin oder PayCoin. Jedoch hat Bitcoin mit 2,7 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung Anfang 2015 immer noch mehr als 75 Prozent Marktanteil.

Die Unabhängigkeit der Kryptowährungen von Realwährungen machen sie auch zum Spielball von Spekulanten. So entwickelte sich der Bitcoin im Jahre 2013 von 13 Dollar im Januar auf das Allzeithoch von 1242 Dollar - bedingt durch die niedrigen Zinsen suchten Anleger nach renditeträchtigen Investments. Auf die Rallye folgte ein dramatischer Kurssturz.

Nakamotos Konzept der Blockchain - rechtlich bindende Verträge zu schließen, die sich quasi selbst durch Software bestätigen und für alle beteiligten Parteien Transparenz schaffen - könnte über die Welt der Kryptowährungen bald auch in das Commercial Banking, das Investment Banking und das Schließen von bindenden Verträgen Einzug halten.

Es würde damit nicht nur die traditionellen Geschäftsmodelle von Banken verändern, sondern auch die Arbeit von Anwälten, Buchhaltern, Beratern und Bankern überflüssig machen und den Unternehmen Unmengen an Kosten einsparen.

2. Auswirkungen der elektro­nischen Zahlungssysteme

Mit steigender Digitalisierung und Virtualisierung unseres Geld- und Zahlungsverkehrs entstehen neue Chancen und Risiken. Liegen die Chancen vor allem in der Vereinfachung von Zahlungen in digitalisierten Geschäftsmodellen und der Informationsgewinnung über die Konsumenten aus dem Zahlungsverkehr, so liegen die Risiken vor allem im Bereich der Sicherheit und der wachsenden Komplexität. Kein System wird unendliche Sicherheit bieten, und die Angreifer der Systeme sind dem technischen Fortschritt dicht auf den Fersen.

Neue Zahlungssysteme stellen einen wichtigen Aspekt in der Digitalisierung dar. Sie ermöglichen neue Kundenerfahrungen und vereinfachen die Nutzung der neuen digitalen Services, indem sie die Zahlung des Services mit dem Erwerb des Produktes synchronisieren. Gerade die Diversifizierung und damit erhebliche Cross-Selling-Potenziale lassen sich in dieser Symbiose wesentlich schneller realisieren. Unternehmen müssen sich zunehmend mit Innovationen im virtuellen Zahlungsverkehr auseinandersetzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und um in den neuen Servicemärkten aktiv am Wachstum teilzunehmen. Sie müssen aber auch die technischen und rechtlichen Grundlagen schaffen, um diese effizient zum Schutz des Kunden und damit dem Erhalt einer langfristigen Kundenbeziehung zu nutzen.

Dabei werden langfristig Modelle, die heute noch stark auf klassischen Kredit- und Debit-Karten basieren (wie M-Wallets, Virtual Cards, Universal Cards, aber auch die in App Payments), mit hoher Wahrscheinlichkeit durch neue Transaktionsformen wie etwa die Blockchain ersetzt werden.

Zahlungssysteme werden aber auch zunehmend zum Informationslieferanten, der Aufschluss über Interessen und Konsumverhalten von Kunden gibt. Informationen aus dem Meer der Daten zu gewinnen und ihre Relevanz zu bewerten wird sich zunehmend zu einer Schlüsselfähigkeit für Unternehmen entwickeln.

Die neuen Zahlungssysteme und Kryptowährungen werden aber auch ganze Branchen verändern - vor allem Unternehmen im Finanzsektor müssen sich mit neuen disruptiven Technologien, zum Beispiel der Blockchain, beschäftigen und an den Geschäftsmodellen der Zukunft arbeiten.

Machen Kryptowährungen heute nur einen kleinen Teil unseres globalen Zahlungsverkehrs aus, so werden sie und ihre digitalen Nachfolger einen immer größeren Einfluss erhalten. Dies erfordert langfristig auch ein Umdenken in der Geldpolitik - da geldpolitische Instrumente der Vergangenheit künftig wahrscheinlich nicht mehr dieselbe Wirkung zeigen werden.

So schließt sich der Kreislauf der Geschichte - waren die Banknoten von Johannes Palmstruch ein "Zeiger" auf die Goldmünzen, die sicher in der Bank lagerten und einen physischen Geldverkehr mit schweren Münzen ersetzten, um den Handel zu vereinfachen, so sind die Blockchain und ihre digitalen Nachfolger ein elektronischer Zeiger auf unsere elektronisch geführten Guthaben, die schnelle und sichere Transaktionen sicherstellen und den Zahlungsvorgang an den Anforderungen des modernen Handels im Zeitalter der Digitalisierung ausrichten.

Wir werden sie nicht vermissen, unsere schwere Geldbörse in Hosentasche oder Handtasche. Werden wir auf sie bereits in fünf Jahren verzichten können? Das werden die kommenden Jahre zeigen. Wir jedoch wetten darauf: Es wird schon in fünf Jahren so weit sein.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

CIO-Jahrbuch 2016
Foto: CIO.de

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