Joachim Depper, CIO bei E-Plus

"Von Total-Outsourcing haben wir nie geredet"

26.01.2006 von Rolf Roewekamp
Gegen den Trend hat der Mobilfunkanbieter E-Plus die IT komplett ausgelagert. Zuletzt gingen Desktop Services, Applikationsbetrieb, Rechenzentrum und Testing samt 180 Mitarbeitern an Atos Origin.

CIO: Alle Berater und Analysten empfehlen, IT selektiv herauszugeben. Haben Sie mit dem Totaloutsourcing etwas falsch gemacht?

Depper: Nein. Man sollte sich nicht vom Schlagwort Total-Outsourcing ablenken lassen. Entscheidend ist, dass ein Unternehmen damit ein klares Ziel verfolgt.

CIO: Was waren die Ziele von E-Plus?

Depper: Erstes Ziel war es, die Time to Market zu verkürzen, also die Zeit von der Idee bis zu Vermarktung. Außerdem sollte die Qualität der Dienste steigen, wozu die Applikationslandschaft vereinheitlicht werden musste. Aus den beiden Zielen resultierte – drittens –, Kosten zu sparen.

CIO: Das klingt nach einem Zielkonflikt. Gelten die Faktoren Schnelligkeit, Wachstum und Produktinnovation heute nicht mehr so viel wie Sparsamkeit?

Depper: Schon, aber sie sind nicht mehr so dominierend. Dagegen entwickelt sich die IT mehr und mehr zum Kostenfaktor. Das primäre Ziel heißt jetzt vermehrt, IT-Dienste billiger und effizienter zu liefern.

CIO: Warum war Ihre eigene IT ineffizient?

Depper: Unsere IT war nicht ineffizient, aber verbesserungswürdig. Aufgrund des großen Innovationsdrucks in der Vergangenheit ist ein sehr heterogener Applikations-Zoo entstanden. Dieser wurde von einem breiten Lieferantenportfolio extern entwickelt. Wir waren durch Schnelligkeit getrieben. Nur indem wir die gesamte IT-Wertschöpfung in eine Hand gegeben haben, konnten wir die Effizienz steigern und Kosten sparen.

CIO: Wenn Sie alles in eine Hand auslagern, machen Sie sich damit nicht abhängig von einem Dienstleister?

Depper: E-Plus hält als Auftraggeber nach wie vor das Heft des Handelns in der Hand. Ein einziger Dienstleister bedeutet einen Vorteil. So zerreiben wir uns nicht zwischen Interessenkonflikten der einzelnen Dienstleister und Integratoren. Den ausgleichenden Faktor zu spielen war für uns ein größerer Preis als die Diskussion, wie abhängig wir von nur einem Dienstleister werden.

CIO: Ihr eigenes Rechenzentrum hat beim Benchmarking immer gut abgeschnitten. Warum haben Sie es trotzdem rausgegeben?

Depper: … weil Outsourcing zu einer völlig anderen Arbeitsweise führt: Wer treibt wen, wer arbeitet in wessen Namen? Wir haben gemerkt, dass dieser drastische Wandel mit vielen und teils sehr großen Konflikten einhergeht.

CIO: Hätten Sie die Probleme nicht selbst lösen können?

Depper: Wir hätten viel länger gebraucht. Man darf nicht die Schwierigkeiten und den Aufwand unterschätzen, im eigenen Unternehmen seit zehn Jahren geliebte Abläufe zu ändern.

CIO: Geben Sie mit dem Outsourcing nicht die Kontrolle über die IT aus der Hand?

Depper: Nein, weil wir immer noch der Auftraggeber sind und der Dienstleister der Auftragnehmer ist. Für Projekte vereinbaren wir noch immer klassisch Festpreise. Intern haben wir deshalb auch nie von Total-Outsourcing geredet, weil mit dem Schlagwort gern der Vorwurf verbunden ist, man verliere die Kontrolle total.

CIO: Wie kontrollieren Sie die Einhaltung der Services des Dienstleisters?

Depper: Die SLAs picken sich aus dem IT-Servicekatalog einzelne Komponenten heraus. Der Preis der einzelnen Services sinkt über die gesamte Laufzeit prozentual. Mit der Unterschrift hatten wir für alle Basis-Services alle Preise bis zum Vertragsende festgelegt. Wir müssen also nicht mehr verhandeln, damit die Ersparnis kommt – die kommt automatisch.

CIO: Entgehen Ihnen da nicht Einsparungen? Niemand weiß, was Services in drei Jahren kosten werden.

Depper: Natürlich gibt es vertraglich festgehaltene Preisverhandlungen, die nach einem Benchmarking auftreten können. Diese Klausel greift frühestens nach zwei Jahren, weil wir davon ausgehen, dass nach dem Preisdruck der letzten Jahre die Preise in den nächsten zwei Jahren nicht mehr signifikant sinken können. Außerdem sollte man dem Dienstleister auch die Chance geben, sich zu finden und sich zu optimieren.

CIO: Wenn Sie nach einem Benchmarking feststellen, dass Ihr Dienstleister viel zu teuer ist, wäre dann ein Insourcing noch möglich?

Depper: Regularien dafür stehen im Vertrag. Doch wenn wir das Rechenzentrum zurückzuholen wollten, wäre das mindestens so komplex wie das Outsourcing.

CIO: Hätten Sie dafür noch das technische Know-how?

Depper: Wir könnten es wieder aufbauen. Das würde aber einiges an Ressourcen verschlingen.

CIO: Haben Sie denn noch das Prozesswissen, um zumindest den Dienstleister zu wechseln?

Depper: Auf jeden Fall. Dafür braucht man ein Kernteam von Leuten, die im Idealfall durch den ganzen Outsourcing- Prozess gelaufen sind. Wir haben das geballte Wissen der Ausschreibungsphase in einem kleinen Team versammelt.

CIO: Haben Sie externe Berater bei Ausschreibung und Durchführung dazugeholt?

Depper: Outsourcing ist ein standardisierter Prozess. Dafür müssen Unternehmen nicht das Rad neu erfinden, sondern sie erleichtern sich die Arbeit mit Beratern. Compass half uns, zwischen unseren Interessen und denen des Dienstleisters zu moderieren. Berater gehen auch deutlich zielstrebiger vor.

CIO: Wie fällt Ihr Fazit nach einem Jahr Total-Outsourcing aus?

Depper: In den vergangenen Monaten hat E-Plus neue Mobilfunkangebote eingeführt – teils eigene Marken wie Simyo, Ay Yildiz und Base, teils in Kooperation mit Marken wie Viva, Medion und Jamba. Derartige Projekte verliefen noch nie so reibungslos. Heute jagen wir mehr durch unsere Entwicklungs-Pipeline, als wir früher geschafft hätten.