Die wöchentliche CIO-Kolumne

Vorsicht vor "Par-5-Entscheidungen"

11.02.2002 von Heinrich Seeger
Gut, wenn Unternehmensvorstände sich für IT interessieren. Aber leider hat das oft eine Kehrseite: Mit mehr Entscheidungsgewalt als -kompetenz getroffene Entscheidungen sind Alpträume für CIOs. Die sitzen dann plötzlich zwischen den Stühlen. Einerseits wollen und müssen sie an der strategischen Geschäftsplanung beteiligt sein, wenn die IT einen möglichst hohen Wertbeitrag leisten soll, andererseits können sie nichts weniger brauchen, als dass ihnen jemand in ihre Kernkompetenz hineinredet.

Was sagte letztens ein CIO von Rang (internationales Unternehmen,sechsstellige Mitarbeiterzahl, gut tausend Standorte weltweit), derauf einem Kongress von IT-Verantwortlichen darüber referierte, wie dieIT ihren Wertbeitrag für das Unternehmen realisieren und auchverdeutlichen kann: "Hüten Sie sich vor Par-5-Entscheidungen!"

Weil der Vortragende ein guter Redner war - einer von der Sorte, demman auch dann noch zuhört, wenn man nicht sofort klar sieht - blickteer nur kurz in verständnislose Gesichter. Dann kam auch schon dieNachfrage des für die späte Nachmittagsstunde ungewöhnlich wachenPublikums: "Was soll das denn sein?"

"Ist doch klar", sagte der Referent. "Par-5-Entscheidungen sindBeschlüsse, die auf dem Golfplatz zwischen Loch 5 und Loch 6 gefälltwerden". Gelächter im Saal, das Publikum ahnte, was nun kommen würde.Es handele sich, fuhr der CIO fort, um Entscheidungen überIT-Angelegenheiten, die von IT-Laien getroffen werden.

Und dann legte er los: Wenn der Vorstand beschließe, auf derDatenbankseite im ganzen Unternehmen Oracle einzusetzen, ohne sichvorher bei den IT-Fachleuten erkundigt zu haben, wie Oracle mit denanderen Anwendungen zusammenspielt, dann sei das eine typischePar-5-Entscheidung. "Und wir können es dann ausbaden."

Nichts gegen Oracle; das Unternehmen musste hier nur als illustrativesBeispiel herhalten. "Es kann auch ein anderes Produkt sein, und damiterwischt es einen womöglich noch schlimmer", versetzte der Redner zumAmüsement seiner Zuhörer. Die hatten die Botschaft verstanden, und siegefiel ihnen gut: Im Unternehmen sollen sich gefälligst alle um daskümmern, wovon sie etwas verstehen.

Der CIO auf der Bühne war absolut unverdächtig, einem neuenHandwerker-Ethos für die IT das Wort zu reden - in dem Sinne etwa,dass ihn nur die Technik interessiert und die Business-Belange kaltlassen. Der Mann wusste haargenau, wovon er sprach, als er zu Beginnseines Vortrags die Wettbewerbssituation seines Konzerns umriss. Erwusste aber auch ganz genau, was den Wertbeitrag der IT gefährdet:wenn Kompetenz durch Entscheidungsgewalt ersetzt wird.

Seine Quintessenz: CIOs müssen dafür sorgen, dass sie frühzeitigeingebunden werden in Entscheidungsprozesse, die das Businessbetreffen. Nur dann können sie ihre Kompetenz zum Wohl desUnternehmens einsetzen, indem sie Produktempfehlungen zur Diskussionstellen und letzten Endes entscheiden,. Der Redner brachte es so aufden Punkt: "Klären Sie, wer Bass und wer Sopran singt!"

Das hat Vorteile für alle Beteiligten: Die IT kann effizienterarbeiten, weil sie keine Angst vor unerwarteten Querschüssen aus denFachabteilungen haben muss. Und der Vorstand kann sicher sein, dassdie IT ihren Wertbeitrag optimal leistet. Außerdem lässt sich zwischenLoch 5 und Loch 6 wohl über anregendere Dinge reden als überProduktalternativen im Datenbanksektor.