Oracle kauft Sun

Wann und wo Sun untergeht

27.04.2009 von Thomas Cloer
Überraschende Wende im Poker um Sun Microsystems: Nicht IBM, sondern ausgerechnet die quasi reine Software-Firma Oracle übernimmt den kalifornischen Server-Bauer.
Lawrence "Larry" Ellison, CEO Oracle: "Oracle wird der einzige Anbieter sein, der ein integriertes System entwickeln kann, bei dem alle Teile zusammenpassen."
Foto: Oracle

Oracle bietet 9,50 Dollar pro Sun-Aktie oder insgesamt 7,4 Milliarden Dollar. Abzüglich von Suns Cash und Schulden summiert sich der Wert der Transaktion dann noch auf 5,6 Milliarden Dollar. "Die Übernahme von Sun verändert die IT-Industrie", erklärte Oracle-Chef Lawrence "Larry" Ellison. "Oracle wird der einzige Anbieter sein, der ein integriertes System - von Applikationen bis zur Disk - entwickeln kann, bei dem alle Teile zusammenpassen und -arbeiten, ohne dass sich Kunden besonders darum kümmern müssten." Anwender sollen davon profitieren, indem sie Kosten für die Systemintegration sparen und auf der anderen Seite mehr Systemleistung, Zuverlässigkeit und Sicherheit erhalten.

In einer Telefonkonferenz zu den Übernahmeplänen bezeichnete Ellison Solaris als "das bei weitem besten Unix-Betriebssystem auf dem Markt". Die Übernahme sei die wichtigste, die Oracle jemals gemacht habe - und das sind wahrlich nicht wenige (siehe Kasten). Als Kronjuwel aus Suns Software-Portfolio hat Oracle einer ersten gemeinsamen Pressemitteilung zufolge Java ausgemacht. Auf Java baut die eigene Middleware-Plattform "Fusion"7 auf, das derzeit am schnellsten wachsende Segment des Datenbankriesen. Außerdem sei Solaris "die führende Plattform" für die Oracle-Datenbank, heißt es weiter, und das schon seit geraumer Zeit. Nun könne man das Datenbankgeschäft, nach wie vor größter Bereich des Konzerns, noch besser für einige Highend-Features von Solaris optimieren. Suns Open-Source-Zukauf MySQL9 wird in der Mitteilung übrigens mit keinem Wort erwähnt. Oracle stehe aber unverändert auch hinter Linux und anderen offenen Plattformen und will seine starken Partnerschaften weiter pflegen und ausbauen.

Suns Mitgründer und Chairman Scott McNealy, an dessen Veto dem Vernehmen nach der Verkauf von Sun an IBM gescheitert war, kommentiert: "Oracle und Sun waren über mehr als 20 Jahren Branchenpioniere und enge Partner. Diese Kombination ist eine natürliche Weiterentwicklung unserer Beziehung und wird die Industrie neu definieren."

Sein Amtsnachfolger Jonathan Schwartz, der eine Übernahme durch Big Blue befürwortet hatte, bläst nun offiziell ins gleiche Horn. Es sei ein "fantastischer Tag für die Kunden, Entwickler, Partner und Mitarbeiter von Sun", an dem man sich mit dem weltweiten Marktführer für Unternehmenssoftware zusammenschließe. Von der Java-Plattform, die in nahezu jedem Business-System weltweit stecke, bis hin zur Konvergenz von Storage, Netz und Rechnern, die durch Solaris und Suns Server getrieben werden. "Zusammen mit Oracle werden wir die Innovations-Pipeline füllen, um überzeugende Werte für unsere Kundenbasis und den Markt zu schaffen", so der Sun-CEO.

Sun sei ein Pionier im Enterprise Computing, ergänzt Oracle-President Charles "Chuck" Phillips. Er lobt Suns Innovation und Kundenerfolg. "Unsere größten Kunden haben uns gebeten, uns breiter aufzustellen, um Komplexität, Risiko und Kosten zu verringern, indem wir einen hoch optimierten Stack auf Basis von Standards liefern", sagt Philips. "Diese Transaktion wird die Investitionen unserer Kunden schützen und aufwerten, während wir weiter mit unseren Partner arbeiten, um unseren Kunden Wahlmöglichkeiten anzubieten."

Kombiniertes Hard- und Softwaremodell für Oracle

Oracles Finanzchefin Safra Catz erwartet, dass der Zukauf im ersten Jahr nach Abschluss Oracle mindestens 15 Cent mehr Pro-forma-Gewinn und wenigstens 1,5 Milliarden Dollar operativen Gewinn (ebenfalls Non-GAAP) einbringen wird. Im zweiten Jahr soll der zusätzliche operative Gewinn bereits die Zwei-Milliarden-Dollar-Marke übersteigen. Das sei pro Aktie schon mehr als bei den Übernahmen von BEA, Peoplesoft und Siebel zusammen geplant war.

Der Verwaltungsrat von Sun hat die Übernahme einstimmig akzeptiert. Vorbehaltlich der Zustimmung der Sun-Aktionäre, der Kartellbehörden und anderer aufschiebender Klauseln solle der Deal "diesen Sommer" abgeschlossen werden.

Für Sun-Chef Jonathan Schwartz endet damit das Bemühen, mit seiner Firma den Turnaround zu schaffen. Die Einnahmen des Unternehmens sind seit den Spitzenzeiten während der "Dotcom-Blase" stetig gesunken, weil die Kundschaft Suns teuren Unix-Servern den Rücken kehrte und lieber zu preiswerten x86-Systemen griff. Ebenso bergab ging es mit dem Aktienkurs. Anstrengungen, neue Kunden mit Open-Source-Software anzulocken und die (verspätete) Entscheidung, selbst in den x86-Markt einzusteigen, zahlten sich nicht schnell genug aus.

Mit Sun an Bord muss Oracle nun auch noch herausfinden, wie man im Markt für Server-Betriebssysteme und -Hardware navigiert - und auch wenn Larry Ellison bekanntlich ein erfahrener Skipper ist, sind das reichlich unbekannte neue Gewässer. Suns Hardware hat zwar keine so große Reichweite wie die des vorherigen Kaufinteressenten IBM; dennoch verschafft der geplante Zukauf Oracle ein kombiniertes Hardware-Software-Geschäftsmodell, mit dem sich der Konzern stärker dem der IBM annähert, mit der es im Datenbankmarkt ebenfalls konkurriert.Kombiniertes Hard- und Softwaremodell