Mieten statt Leasen, Outsourcing statt Eigenleistung

Warum klassische TK-Anlagen out sind

17.11.2009 von Jürgen Hill
VoIP steht auch im Mittelstand vor dem Durchbruch. Wir sagen Ihnen, was Sie bei der Wahl der nächsten TK-Anlage beachten sollten und warum Mieten statt Leasen billiger ist. Auch Open-Source-Lösungen sollten für Sie kein Tabu mehr sein, wenn Sie beim Telefonieren richtig sparen wollen.

Die Sterbeglocken für die klassischen TK-Anlagen läuten lauter denn je. Über zehn Jahre, nachdem erste Networking-Hersteller in den USA VoIP groß propagierten, setzt sich die Technik auch hierzulande auf breiter Front durch. Sie ist nicht mehr länger eine Domäne der Großkonzerne, sondern kommt in immer mehr kleinen und mittelständischen Unternehmen zum Einsatz.

Siegeszug der IP-Technik

Mit VoIP hat die klassische TK-Anlage ausgedient.
Foto: France Telecom

Das Interesse an VoIP-TK-Anlagen hat mehrere Ursachen: Klassische TK-Anlagen wurden häufig mit einer Leasing-Laufzeit von fünf (mit Verlängerungsoption um fünf Jahre) oder zehn Jahren angeschafft. Nach der letzten Erneuerungswelle im Zusammenhang mit der Jahr-2000-Problematik steht nun wieder die Ablösung alter Geräte an. Zusätzlichen Migrationsdruck schafft die globalisierte Wirtschaft, die ein flexibleres Arbeiten verlangt - ein Punkt, an dem klassische TK-Anlagen oft passen müssen. Ebenso hapert es bei ihnen häufig in Sachen Skalierbarkeit.

Kommen neue Standorte hinzu, müssen neue Anlagen gekauft werden, und bei steigender Mitarbeiterzahl ist oft kein Upgrade möglich, sondern die Komplettanschaffung einer neuen Anlage erforderlich. Für die Migration in Richtung IP-Welt spricht zudem unter zwei Aspekten der Kostendruck: Zum einen lassen sich mit VoIP die Gesprächsgebühren senken, zum anderen verspricht eine ins IT-Netz integrierte Nebenstellenanlage (Private Branch Exchange = PBX) einen geringeren Wartungsaufwand und mehr Flexibilität.

Angesichts dieser Vorteile ist Joachim Trickl, Chief Operating Officer beim TK-Anbieter QSC, überzeugt, "dass in fünf Jahren nahezu hundert Prozent der deutschen Unternehmen eine IP-basierende TK-Anlage nutzen". Während der VoIP-Anteil bei kleinen und mittelständischen Unternehmen heute noch bei etwa 20 Prozent liegt, ist die VoIP-Migration bei großen Unternehmen nach den Erfahrungen von Matthias Feicht, Product Manager Unified Communications bei BT Deutschland, seit mehreren Jahren bereits im Gange.

VoIP-Trends Unabhängig von der Unternehmensgröße kristallisieren sich bei der Migration in die IP-Telekommunikation vier Trends heraus:

Damit hört es mit den Gemeinsamkeiten von Großkunden und Mittelstand schon auf. Cisco-Geschäftsführer Michael Ganser beobachtet, das Konzerne nach wie vor ihre PBX in Eigenregie betreiben, während sich der Mittelstand mit neuen Business-Modellen anfreundet. War dort bislang das TK-Outsourcing verpönt, können es sich Firmen mittlerweile durchaus vorstellen, ihre Telekommunikation in fremde Hände zu geben. Die Bereitschaft reicht dabei von der gemieteten Anlage über eine dediziert gehostete Lösung beim Provider des Vertrauens bis hin zu IP-Centrex-Lösungen, die im Prinzip nichts anderes als virtuelle mandantenfähige TK-Anlagen sind (siehe Kasten "Outsourcing-Wirrwarr"). Angesichts des Trends zum VoIP-Outsourcing sprechen viele schon in Analogie zur Entwicklung im Softwarebereich von VoIP as a Service (VaaS).

TK-Outsourcing

Während die großen Player der TK-Branche noch zweifeln, ob diese Entwicklung hierzulande ein neues Geschäftsfeld eröffnet, hat beispielsweise Avaya reagiert: Seit Neuestem offeriert das Unternehmen nicht nur zusätzliche Mietmodelle, sondern setzt auch auf den VaaS-Gedanken. "Diese Lösungen binden die Anwender nicht so langfristig wie das klassische TK-Leasing und ermöglichen eine sanftere Migration", nennt Andreas von Meyer zu Knonow, Geschäftsführer Mietlösungen und Managed Services bei Avaya, zwei Gründe für den Strategiewechsel. So könne ein Unternehmen schrittweise je nach den Restlaufzeiten der alten TK-Anlagen in die VoIP-Welt migrieren. Ferner partizipiere der Anwender flexibler an technischen Neuerungen wie etwa Unified Communications oder Collaboration und könne die bestellten TK-Services besser an seinen Bedarf anpassen.

Eine positive Resonanz in Sachen TK-Outsourcing verbucht auch der VoIP-Provider Sipgate. "In den ersten vier Monaten konnten wir für unsere neue IP-Centrex-Lösung Teamgate 1200 Kunden gewinnen", erklärt Pressesprecher Wilhelm Fuchs, der sonst lieber von Software as a Service (Saas) als von IP-Centrex spricht. Und zu den neuen Anwendern zählten beileibe nicht nur kleinere Unternehmen. So nutzt etwa die Eismann-Kette die Lösung in ihren Call-Centern.

Flexibler planen

Oft unterschätzt: Die Wahl des richtigen Telefons entscheidet häufig über die VoIP-Akzeptanz der Mitarbeiter.
Foto: Snom/Hill

QSC-COO Trickl spricht noch einen besonders wunden Punkt an: "Im Zuge der Finanzkrise bekommen viele Unternehmen keine Kredite mehr, um etwa eine neue TK-Anlage kaufen zu können." Leasing sei hier auch kein Ausweg, denn aufgrund der aktuellen Compliance-Regeln sinke damit die Kreditwürdigkeit der Firmen. Und last, but not least, so Trickl weiter, müssten viele IT-Leiter in Zeiten knapper Budgets mit spitzem Stift rechnen, ob ihre TK-Anlage nicht zu teuer sei.

Manche TK-Anlagen, die früher für die Zukunft gekauft oder geleast wurden, würden jetzt den wirtschaftlichen Vorgaben nicht mehr gerecht. "Und mit einer Mietlösung spart der Anwender 30 bis 40 Prozent seiner bisherigen TK-Kosten", sattelt Jens Blomeyer, Vorstand der Münchner Nfon AG, drauf. Die Münchner offerieren ihren Kunden eine virtuelle TK-Anlage, wobei der Anwender Nebenstellen (IP-Phone, Fax, Softphone etc.) monatlich hinzu- und abbestellen kann.

Preisbrecher Open Source

Seine günstigen Tarife erklärt Blomeyer unter anderem damit, dass er keinen klassischen Call-Server der etablierten Hersteller einsetze, sondern die Open-Source-Lösung Asterisk. Diese habe Nfon mit eigenen Modulen und Tools veredelt. Unter Kostenaspekten wird das Thema Asterisk auch bei QSC in Köln heiß diskutiert, erzählt COO Trickl. Derzeit nutzt das Unternehmen für seine VoIP-Services die Softwarelösung der Dortmunder Swyx und im IP-Centrex-Bereich Produkte von Broadsoft und Aastra. "Wir können uns aber vorstellen, auf der Asterisk-Plattform weiterzuentwickeln", so Trickl weiter.

Asterisk als Alternative

Nicht auf der Agenda steht Asterisk dagegen bei den etablierten VoIP-Anbietern. Weder BT und Cisco noch Avaya beschäftigen sich derzeit mit der Open-Source-Alternative. Mehr oder weniger unisono lautet die Antwort, dass das Großkunden nicht interessiere. Für diese Klientel sei die Optimierung ihrer Geschäftsprozesse mit Unified-Communications- und Collaboration-Anwendungen wichtiger. Zweigleisig fährt man dagegen bei der deutschen Funkwerk Enterprise Communications. Selbst entwickelt das Unternehmen seine noch aus Elmeg-Zeiten stammenden ICT-Anlagen zu hybriden VoIP-Lösungen weiter und baut aus der UTM-Hardware entsprechende VoIP/ISDN-Gateways.

Gerade die erfolgreiche ISDN-Vergangenheit in Deutschland bestärkte den Hersteller in dieser Entscheidung. "Asterisk dagegen", so Theo Mossdorf, Manager bei Funkwerk, "ist im Kern stark amerikanisch geprägt, so dass wir im ISDN-Land Deutschland nur geringe Synergieeffekte hätten." Allerdings scheint Funkwerk der Open-Source-Lösung keinen kompletten Korb geben zu wollen. Im Juni dieses Jahres veröffentlichte das Unternehmen eine Pressemitteilung über eine Partnerschaft mit der Kieler Addix Software GmbH. Dort war zu lesen: "Die gemeinsam entwickelten IP-PBX-Systeme, Astimax IP-1100 und Astimax IP-2100, basieren auf der embedded Linux Appliance von Funkwerk und der Asterisk-Plattform Astimax von Addix."

Während man auf Anbieterseite dem Thema Asterisk teilweise noch abwartend oder gar ablehnend gegenübersteht, haben namhafte deutsche Unternehmen und Institutionen bereits den Sprung in die Open-Source-TK-Welt gewagt: Zu den Nfon-Kunden zählen der ADAC und die Bavaria-Film. Und das Münsteraner Versicherungsunternehmen LWM, die Eon Ruhrgas AG sowie der Security-Anbieter Secunet, einer der IT-Sicherheitspartner des Bundes, setzen mit "Gemeinschaft" auf eine deutsche Asterisk-Weiterentwicklung. Diese kommt unter anderem, so die Referenzliste, beim Bundesministerium der Justiz und dem Bundespräsidialamt zum Einsatz. Wie eine Asterisk-Migration mit Gateway aussehen kann, zeigt unser Praxisbeispiel der Universität Würzburg (siehe "Asterisk in der Praxis").