Mitarbeitermotivation

Was Angestellte wirklich antreibt

07.09.2022 von Simone Stargardt  IDG ExpertenNetzwerk
Unmotivierte Mitarbeiter positiv zu beeinflussen ist fast unmöglich. Eine Hauptaufgabe des HR liegt deshalb darin, die Mitarbeitermotivation zu steigern.
Motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünscht sich jeder Arbeitgeber.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Die deutsche Volkswirtschaft verliert jährlich etwa 100 Milliarden Euro, weil große Teile der Beschäftigten innerlich gekündigt haben. Zu diesem Ergebnis kommt der Gallup Engagement Index 2021. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, nur eine geringe oder gar keine emotionale Bindung zu ihrem Job zu haben. Um einen Mitarbeiter, der innerlich gekündigt hat, auszugleichen, braucht es vier Mitarbeiter, die motiviert sind. Personalverantwortliche sollten sich deshalb vor allem darauf konzentrieren, Angestellte nicht zu demotivieren.

Mitarbeitermotivation - Definition

Mitarbeitermotivation bedeutet, dass Arbeitgeber - genauer die Führungskräfte eines Unternehmens - mit positiven Anreizen das Verhalten und die Leistungen von Beschäftigten verbessern wollen. In der Praxis ist das häufig enorm viel Arbeit. Denn der Kicker im Aufenthaltsraum oder der Obstkorb in der Küche reichen bei weitem nicht mehr aus, um ein Team auf Dauer bei Laune zu halten.

Die Ansprüche von Berufsanfängern und Jobwechselwilligen sind inzwischen hoch. Für viele zählt zwar nach wie vor ein gutes Gehalt, doch daneben sollen Familien- und Privatleben nicht zu kurz kommen. Vielen Arbeitnehmern ist mit am wichtigsten, einen Sinn in ihrer täglichen Arbeit zu sehen. Angebote wie remote Arbeiten, mehr Urlaubstage oder freie Arbeitszeiteinteilung im Gießkannenprinzip über die ganze Belegschaft auszukippen, dient der Mitarbeitermotivation deshalb nicht oder nur kurzfristig.

Methoden der Mitarbeitermotivation

Führungskräfte sollten sich mehr mit den einzelnen Personen in ihrem Team beschäftigen: Welche Aufgaben eignen sich für Kollege A am besten, weil er sie besonders gern ausführt; wo liegen die Stärken von Kollegin B und wie kann sie diese am besten für das Unternehmen einsetzen? Wer es als Vorgesetzter schafft, alle Teammitglieder mit Aufgaben zu betrauen, die sie gerne machen und als sinnvoll betrachten, fördert die intrinsische Motivation jedes Mitarbeitenden. Dann gilt es lediglich darauf zu achten, dass die Leute sich nicht durch zu viel Routine oder neue Regeln demotiviert fühlen.

Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.

Doch was in der Theorie vielleicht noch recht einfach und logisch klingt, ist in der Umsetzung meist schwer. Denn in jedem Team gibt es Arbeiten, die im Grunde keiner gern macht. Die Gefahr, dass Beschäftigte sich im Arbeitsalltag nicht wertgeschätzt fühlen oder ihnen der Sinn in dieser Arbeit fehlt, ist hoch - dann ist die innere Kündigung oft nicht weit. Besteht dagegen die einvernehmliche Einsicht, dass gewisse Arbeiten eben erledigt werden müssen und ist allen zusätzlich klar, wie diese Aufgaben dazu beitragen, die Unternehmensziele zu erreichen, wirken unbeliebte Arbeiten nicht demotivierend.

Bedürfnisse von Mitarbeitern sind unterschiedlich

Angestellte fühlen sich durch unterschiedliche Faktoren motiviert.

CIOs sollten sich deshalb mit jeder einzelnen Mitarbeiterin in jedem einzelnen Mitarbeiter im Team beschäftigen - und das nicht nur einmal im Jahr bei standardisierten Feedbackgesprächen. Es braucht zusätzlich einen permanenten Austausch, auch in einem informellen Umfeld, wie etwa gemeinsamen Kaffeepausen.

Die Produktmanagerin wünscht sich vielleicht mehr Homeoffice-Tage. Der Berufseinsteiger möchte dagegen lieber fünf statt nur drei Tage ins Büro kommen, weil er in seiner Wohngemeinschaft keinen ruhigen Platz zum remote Arbeiten findet. Gute Vorgesetzte wissen, was ihre Angestellten brauchen, um gut und motiviert arbeiten zu können und sind in der Lage, ein entsprechendes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Mitarbeiterbindung über alle Hierarchiestufen

Obwohl agile oder holokratische Organisationen in der deutschen Wirtschaft immer mehr vertreten sind, gibt es in vielen Unternehmen noch klassische Hierarchien. Hier kommt dann der beliebte Spruch "Der Fisch stinkt vom Kopf" zum Tragen: Das Ansehen von Management- und Führungskräften ist mitentscheidend für den Erfolg eines Unternehmens.

Für die HR-Abteilung heißt das, Führungskräfte sehr sorgfältig auszuwählen, denn sie vertreten die Firma nach innen und außen. Im schlimmsten Fall vergraulen schlechte Vorgesetzte Mitarbeiter - in Zeiten des Fachkräftemangels kann sich das kein Unternehmen mehr leisten. Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und selbst eine motivierte Haltung zeigen. Etwa, indem sie sich gut auf Meetings und Mitarbeitergespräche vorbereiten; wo es notwendig ist, selbst mit anpacken oder eine positive Grundeinstellung bewahren - auch wenn mal nicht alles rund läuft. Mit einem situativen Führungsstil eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen sowie guten Kontakt zu jedem Teammitglied aufzubauen, wirkt sich generell positiv auf Mitarbeiterloyalität und Unternehmensergebnisse aus.

Mitarbeiter fordern und fördern

Die wenigsten Mitarbeiter wollen tagaus tagein dasselbe tun. In der Regel sind Angestellte daran interessiert, sich weiter zu entwickeln. Eine Mitarbeiterin, die ihre aktuelle Arbeit inzwischen als langweilig empfindet wünscht sich womöglich spannendere Aufgaben, ist dazu aber fachlich und persönlich noch nicht in der Lage. Für Personalverantwortliche ist es daher wichtig, Potenziale von Mitarbeitern zu erkennen und gezielt zu fördern, beispielsweise mit einer Weiterbildung. Weil immer mehr Arbeitgeber über Personalmangel klagen, ist es umso wichtiger, die Beschäftigten von heute auf die Jobs von morgen zu entwickeln. Arbeitgeber, die für eine gute Personalentwicklung bekannt sind, erhalten meist auch mehr Bewerbungen.

Ethische Führung als Bestandteil moderner Unternehmenskultur
Wie Führungskräfte ethische Werte und Leitbilder vermitteln
Autoritärer und rücksichtslos an Profit orientierter Führungsstil stößt bei Arbeitnehmern zunehmend auf Unverständnis. Arbeitgeber und ihre Führungskräfte sind deshalb unter den Gesichtspunkten Mitarbeiterbindung und -motivation gut beraten, ihre Unternehmenskultur schnellstens auf Nachhaltigkeit, Diversität, Gleichberechtigung, Identifikation und technischen Fortschritt auszurichten und ihren Beschäftigten diese Werte glaubhaft durch eine ethische Führung vorzuleben.
Grundwerte definieren
Überlegen Sie, welche Grundwerte und Moralvorstellungen Ihr Unternehmen vertritt. Definieren und entwickeln Sie Grundwerte, die für Ihr Unternehmen zählen. Wie verhalten Sie sich und wie Ihre Mitarbeiter? Entspricht das Verhalten den Grundwerten?
Mitarbeiter befragen
Mitarbeiterbefragungen vermitteln ein aussagekräftiges Meinungsbild der Angestellten.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Zeigen Sie ihren Mitarbeitern, dass sie auch im privaten Umfeld ethisch und moralisch handeln und ihre Werte vertreten. Kommunizieren Sie offen, was das für Sie bedeutet.
Vertrauensbasis schaffen
Vertrauen Sie ihren Mitarbeitenden und kommunizieren Sie, dass Sie umgekehrt ebenso Vertrauen erwarten. Geben Sie ihren Mitarbeitern nicht das Gefühl, dass Sie sie kontrollieren, vor allem dann, wenn es in den persönlichen Bereich eingreift.
HR-Technologie optimieren
Durch Plattformen für Employee-Self-Service und Management-Self-Service werden die Aufgaben für HR-Abteilungen vereinfacht. Außerdem werden durch die Nutzung diese HR-Technologien der transparente Umgang und die Kommunikation mit den Mitarbeitern gefördert.

Ein Beispiel: Ein großes Handelsunternehmen bietet Abiturienten die Möglichkeit, in drei Jahren nicht nur eine kaufmännische Ausbildung zu absolvieren, sondern sich zusätzlich zum Handelsfachwirt zu qualifizieren. Der Fachwirt ist im Deutschen Qualifikationsrahmen auf derselben Niveaustufe eingeordnet, wie der Bachelorabschluss. Dieser Ausbildungsweg ist damit für alle Schüler eine Option, die nach dem Abi lieber Berufspraxis sammeln wollen, statt ein Studium zu beginnen.

Das Unternehmen erhält durch dieses Aus- und Weiterbildungsangebot mehr Bewerbungen, als andere Arbeitgeber aus der Branche. Wichtig, um Azubis nach der Ausbildung oder Mitarbeiter nach einer absolvierten Weiterbildung im Unternehmen zu halten, ist ihnen rechtzeitig passende Perspektiven zu bieten. Auch hier kommt es wieder darauf an, individuelle Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen. (bw)