Sieben Trends im Outsourcing

Was rausfliegen kann

02.12.2004 von Dunja Koelwel
Im 18. Jahrhundert beschrieb der Ökonom Adam Smith erstmals die Arbeitsteilung, Henry Ford perfektionierte sie mit der Fertigung am Fließband. Schließlich mündete das Prinzip in das heutige Outsourcing. Euphorie und Unschuld der ersten Tage sind verschwunden. Anbieter wie Kunden beschäftigen sich differenzierter mit dem Thema. CIO diskutiert sieben Thesen, die IT-Outsourcing derzeit charakterisieren.

1. Infrastruktur Scheidung leichten Herzens

Nicht mehr das „Ob“ diskutieren die CIOs beim Outsourcing, sondern nur noch das „Was“ und „Wie“. So hat eine Umfrage des IT-Dienstleisters Synstar herausgefunden, dass sich nur ein Prozent der zum Thema Outsourcing befragten CIOs vorstellen kann, die ITStrategie nach außen zu geben. Deutlich weniger Herzblut hängt an Business Continuity oder dem Personalmanagement, die laut Synstar je zehn Prozent der Befragten auslagern würden. User-Support muss für 15 Prozent der IT-Verantwortlichen nicht im Hause bleiben, Netz- und Datenmanagement geben 19 Prozent der Befragten bedenkenlos aus der Hand. Am leichtesten fällt die Trennung bei der Infrastruktur sowie deren Betreuung und Wartung. Fast die Hälfte der ITStrategen, nämlich 45 Prozent, sehen kaum Risiken bei der Auslagerung dieser Geschäftsbereiche.

2. Megadeals Der Markt polarisiert sich

Kein anderes Thema diskutieren die Markt-Auguren derzeit so kontrovers wie die Frage, ob die Zukunft den Megadeals gehört oder nicht. Die einen, etwa Technology Partners International (TPI), malen die Zukunft der Megadeals in den rosigsten Farben. Sie summieren den Anteil der Riesenverträge mit einem Gesamtvolumen von über 200 Millionen Euro am gesamten Outsourcing- Markt auf derzeit üppige 17 Prozent, Tendenz steigend. Andere Analysten hingegen, etwa die Gartner Group, sehen die Zukunft eher in kleinen Abkommen mit spezifischen Geschäftszielen. Die Argumente beider Seiten können sich hören lassen. Für die Megadeals spricht zum einen, dass die Anbieter meist international aufgestellt sind, ein breites Angebot bieten, dass sich die Verhandlung mit einem Ansprechpartner einfacher gestaltet als mit mehreren und nicht zuletzt, dass ein namhafter Dienstleister auch gut ist fürs eigene Renommee. Dagegen läst sich einwenden, dass die Vertragsgestaltung oft unbeweglich und bürokratisch abläuft und auch die Abhängigkeit von einem Anbieter in Frage gestellt werden muss. Mehrere kleinere Verträge sorgen für Konkurrenz unter den Dienstleistern. Dagegen spricht allerdings der damit verbundene hohe Verwaltungsaufwand, etwa durch das Koordinieren der SLAs.

3. Einsparungen Die Mär von den sinkenden Kosten

„Outsourcing reduziert die IT-Kosten um zehn bis 40 Prozent.“ Mit diesem Argument gehen viele Dienstleister erfolgreich auf Kundenfang. Doch sie erzählen nur die halbe Wahrheit. Zum einen gelten nach Erkenntnissen nissen der Analysten von Gartner zwei Drittel aller Outsourcing-Projekte in Europa als gescheitert. Hinzu kommt, dass Outsourcing nur auf den ersten Blick die Kosten für die IT drückt. Viele Unternehmen knabbern an versteckten Aufwendungen. Die Düsseldorfer Unternehmensberatung SMP hat anhand von begleiteten Outsourcing-Projekten berechnet, in welcher Größenordnung diese zu Buche schlagen.

Zunächst fallen Transaktionskosten an, also der Aufwand für die Suche nach einem geeigneten Dienstleister, das Ausarbeiten der Verträge und der SLAs. Der durchschnittliche Kostenpunkt liegt hier bei etwa fünf Prozent des ursprünglichen IT-Budgets. Sind die Verträge unter Dach und Fach, wechseln Mitarbeiter zum Dienstleister und dessen Mannschaft muss eingearbeitet werden. Für kurze Zeit besteht eine doppelte Buchführung, was durchschnittlich 2,5 Prozent des alten Budgets kostet. Lassen sich nicht alle Mitarbeiter beim neuen Dienstleister unterbringen und das Unternehmen muss entlassen, fallen Abfindungen und Anwaltshonorare an. Nicht selten rutscht oft auch die Moral der im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter in den Keller - sie fühlen sich ihrer eigenen Position nicht mehr sicher, im schlimmsten Fall kündigen sie. Rund vier Prozent des alten Budgets sind hier zu veranschlagen. Auch die Integration der ehemaligen Kollegen beim Dienstleister verläuft selten reibungslos. Die daraus entstehenden Einbußen an Produktivität und Qualität sind mit durchschnittlich 15 Prozent anzusetzen.

Nachbesserungskosten werden fällig, wenn sich die Vereinbarungen mit dem Dienstleister als ungenügend erweisen. Da sich bei fast allen Outsourcing-Verträgen im Lauf der Zeit Lücken zeigen, sollte ein Unternehmen bereits im Vorfeld hier pauschal fünf Prozent des ursprünglichen IT-Budgets ansetzen. Last, but not least schlägt auch die Abwicklung, also die permanente Abstimmung mit dem Dienstleister, durchschnittlich mit acht Prozent des IT-Budgets zu Buche.

Die versteckten Kosten summieren sich also schnell auf rund 40 Prozent des ursprünglichen IT-Budgets. Die schnellen Einsparungen, wie sie vielleicht am Anfang kalkuliert wurden, stellen sich – wenn überhaupt – erst auf längere Sicht ein.

4. BPO Treiber des Outsourcing-Geschäfts

Nicht nur IT-, sondern ganze Geschäftsprozesse auszulagern, im Fachjargon BPO (Business Process Outsourcing) genannt, ist an sich nicht neu. Ein Novum ist allerdings, dass BPO sich von allen Outsourcing-Aspekten am rasantesten entwickelt. Den Marktforschern von IDC zufolge wuchs das Geschäft im vergangenen Jahr um acht Prozent weltweit und erreicht ein Volumen von derzeit 405 Milliarden Dollar. Für die kommenden Jahre rechnen die Marktforscher sogar mit Wachstumsraten von jährlich elf Prozent. Bis 2008 soll sich der Markt auf ein weltweites Volumen von 682,5 Milliarden Dollar ausweiten.

Zu diesem Erfolg trägt nach Ansicht der Experten vor allem bei, dass sich die Unternehmen durch BPO eine qualitative Aufwertung ihrer Geschäftsprozesse erhoffen. Klassische BPO-Bereiche sind Gehaltsabrechnungen sowie Anwendungen im Personalwesen, Finanzbereich, Rechnungswesen und in der Beschaffung. Verglichen mit dem klassischen IT-Outsourcing kommt es bei BPO neben IT-Know-how mehr auf die Branchenkenntnisse des Dienstleisters an. Daher dominieren diesen Markt vor allem kleine und spezialisierte Anbieter. Doch auch die Big Player wollen sich dieses dynamische Geschäft sichern. Das fehlende Detailwissen der Geschäftsprozesse wird zugekauft oder vorgegaukelt.

Solche Schönfärberei kommt nach Ansicht der Analysten von Forrester Research nicht selten vor. In ihrer Studie „BPO’s Fragmented Future“ monieren sie gerade bei den großen Anbietern, ihr Leistungsvermögen regelmäßig schönzureden, ohne wirklich alle BPOFacetten abdecken zu können. Auf Dauer wird dies nach Meinung von Forrester nicht gut gehen. Die Kunden wenden sich künftig eher an kleine BPO-Spezialisten, die fundiertes Spezialwissen vorweisen können.

5. On Demand Service soll aus der Steckdose kommen

Eine weitere Facette von Outsourcing ist On Demand. Es verspricht den Kunden eine flexible Nutzung und Abrechnung von Infrastruktur und Anwendungen. Da Unternehmen nur für die Leistungen zahlen, die sie auch tatsächlich nutzen, lassen sich hohe Investitionen vermeiden und Einsparungen zeitnah umsetzen. Bislang finden Unternehmen On-Demand-Angebote vor allem für Ressourcen, die sich problemlos zu- und abschalten lassen. Für Firmen wie Hewlett-Packard, IBM, Sun oder Fujitsu-Siemens gehören bei reinen Produktpaketen solche Vertragsmodelle mittlerweile zum Standard. IT-Ressourcen wie CPU-Leistungen oder Speicherplatz werden dabei nur im genutzten Umfang berechnet. Allerdings gibt es häufig einen vertraglich vereinbarten Mindestumsatz. IT-Strategie bleibt im Haus

Die jüngste Entwicklung eröffnet Unternehmen jetzt allerdings neue Perspektiven: Dienstleister wie EDS, Siemens Business Services oder IBM Global Services nutzen den Trend zu verbrauchsorientierten Gebühren und erschließen auch Bereiche jenseits standardisierter Lösungen. Mischverträge zu Infrastruktur und Dienstleistungen stellen die Königsdisziplin der flexiblen Vertragsmodelle dar und sind für manche Kunden äußerst attraktiv. Neben dem Sparpotenzial lassen sich Bedarfsspitzen decken, ohne enorme laufende Kosten zu verursachen. Noch gibt es diese Angebote eher vereinzelt oder auf besonderen Wunsch. Es ist allerdings wohl nur eine Frage von wenigen Jahren, bis die Anbieter auf die Nachfrage reagieren und On-Demand- Verträge in größerem Umfang anbieten. Bereits im Jahr 2007 sollen rund 40 Prozent der Global-2000-Unternehmen in entsprechende On-Demand-Lösungen investiert haben, prognostiziert die Meta Group.

6. Große Anbieter Der Gegenwind flaut nicht ab

Noch – so hat eine Umfrage der Meta Group ergeben – erwirtschafteten die Marktführer im vergangenen Jahr rund 46 Prozent der gesamten Outsourcing-Umsätze. Doch viele Anbieter mit einem weniger breit gefächertem Angebot oder geographisch begrenztem Fokus stehen ihnen in puncto Leistungsfähigkeit kaum nach. Sie dürften in Zukunft gute Karten haben, sich gegen die Big Player durchzusetzen. Das liegt zum einen daran, dass Unternehmen, die künftig an Outsourcing interessiert sind, eher Leistungskriterien und weniger die globale Präsenz als Indikator für den Outsourcing- Erfolg nennen. Nicht zu vergessen - besonders in Deutschland - ist auch das Geschäft mit dem Mittelstand, der einen starken Nachholbedarf an IT-Lösungen jeglicher Couleur hat. Diese Nachfrage wird nicht durch die Big Player gedeckt werden. Denn, wie Wolfgang Schaefer, Gruppenleiter Systeme und Netzwerke bei Hottinger Baldwin Messtechnik, es stellvertretend formuliert, „nur ein mittelständischer Dienstleister kann die mittelständischen Prozesse und Strukturen nachvollziehen und verstehen.“

7. Offshore Die Russen kommen

Indien ist unbestritten ein IT-Eldorado: 2,1 Millionen Programmierer stehen dort laut Nasscom (National Association of Software and Service Companies), dem Verband der indischen IT-Dienstleister, zur Verfügung. 290000 neu ausgebildete Programmierer kommen jährlich hinzu. Der Markt beläuft sich mittlerweile auf ein Umsatzvolumen von 9,5 Milliarden Dollar. Auch andere asiatische Länder versuchen sich als Offshore- Alternativen zu etablieren, etwa Singapur, Hongkong, Taiwan oder China. Doch noch fehlt hier die Manpower: Zurzeit gibt es in China nur rund 250000 Programmierer, jährlich kommen etwa 50000 hinzu. Doch obwohl sich der asiatische Offshore-Markt so interessant präsentiert, blicken deutsche Unternehmen im Gegensatz zu ihren amerikanischen oder englischen Kollegen lieber ins näher liegende Osteuropa.