Indirekte Nutzung von Software

Was SAP-Kunden jetzt tun sollten

04.03.2019 von Felix Baran, Michael Rath und Christian  Kuss  
Mit einer neuen Metrik versucht SAP dem Streit um die indirekte Nutzung seiner Software den Wind aus den Segeln zu nehmen. Spätestens bei der nächsten Lizenzvermessung werden sich die Kunden damit beschäftigen müssen. Darauf sollten die Anwender achten.

Das Internet der Dinge sowie die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen führen dazu, dass Softwarehersteller ihre Lizenzmodelle anpassen. Sie wollen auch zukünftig partizipieren, wenn Kunden ihre Software nutzen. Tradierte Abrechnungsmetriken, die darauf abstellen, wie viele menschliche Nutzer die Software verwenden, bilden die digitale Transformation nicht nach den Wünschen der Softwarehersteller ab: Mehr Automatisierung führt zu weniger menschlichen Nutzern und folglich zu geringeren Lizenzeinnahmen.

Gerade für Softwarelizenzen braucht es ein gutes Management.
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Diesem Trend wollen die Softwarehersteller entgegentreten. Prominentestes Beispiel für diese Herangehensweise ist SAP. Seit einiger Zeit versucht der Softwarekonzern, für die sogenannte "indirekte Nutzung" der SAP-Programme zusätzliche Lizenzgebühren einzufordern. Doch unter den Anwendern sorgte SAPs neue Lizenztaktik für einigen Ärger.

Rechtsstreit Diageo zu indirekter Nutzung

Dies gipfelte unter anderem in dem Rechtstreit zwischen Diageo gegen SAP in England: SAP hatte gegen den Getränkehersteller Klage bei Gericht eingereicht, weil Diageo über eine andere Applikation auf die SAP Software zugriff, hierfür aber nach Ansicht von SAP keine ausreichenden Lizenzen erworben hatte, die diesen "indirect use" der SAP Software gestatten würden. SAP forderte dafür 55 Millionen Britische Pfund. In erster Instanz hat das zuständige englische Gericht zu Gunsten von SAP entschieden. Diageo hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Mittlerweile haben SAP und Diageo den Rechtstreit außergerichtlich beigelegt.

Neues Lizenzmodell "Digital Access"

Um die Unklarheiten, die immer wieder für Streit gesorgt hatten, aus der Welt zu schaffen, hat SAP im vergangenen Jahr ein neues Lizenzmodell für die indirekte Nutzung der eigenen Programme vorgestellt. Dies soll den "Digital Access" auf SAP-Software regeln. Der Softwarehersteller will dabei am kommerziellen Erfolg der Kunden partizipieren und berechnet die Lizenzkosten anhand der vom jeweiligen Kunden erstellten Dokumente (Belege). Sofern SAP-Kunden bislang noch nicht mit dem neuartigen Angebot zur Lizenzierung des indirekten Zugriffs auf Basis der Dokumentenanzahl konfrontiert wurden, ist dieses spätestens im Rahmen der nächsten Systemvermessung zu erwarten.

Indirekte Nutzung in der Praxis

Von indirekter Nutzung spricht man, wenn die Software nicht unmittelbar durch einen menschlichen Nutzer bedient wird, sondern Rechenoperationen durch andere Computerprogramme ausgelöst werden. Ein Beispiel: ein Nutzer bestellt neue Kleidung im Onlineshop. Der Onlineshop enthält ein Bestellsystem. Dieses Bestellsystem arbeitet mit der SAP-Software zusammen. Dadurch stellt der Betreiber des Onlineshops sicher, dass die Bestellinformationen unmittelbar an die richtigen Stellen im Unternehmen gelangen, zum Beispiel Produktion, Lager, Versand und Buchhaltung.

In diesen Fällen liegt keine direkte Nutzung der SAP-Software durch einen Menschen (User) vor. Eine nutzerbasierte Lizenz wäre hierfür also nicht erforderlich, denn das Bestellsystem löst die Rechenoperationen im SAP-System aus. Der User, hier der Kunde, nutzt das Programm nur indirekt, nämlich über die Software des Onlineshops. SAP steht auf dem Standpunkt, dass auch der "indirect use" der eigenen Software eine lizenzpflichtige Nutzung darstelle.

Was sagt das Urhebergesetz?

Nach deutschem Recht lässt sich dieser Standpunkt pauschal so nicht vertreten. Insbesondere sind die Ausführungen des englischen Gerichts in der Auseinandersetzung mit Diageo nicht ohne weiteres auf die Situation in Deutschland übertragbar.

Das Urhebergesetz legt bestimmte Handlungen fest, die ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehen. Hierzu gehört unter anderem das Vervielfältigen und Bearbeiten von Computerprogrammen. Handlungen, die das Gesetz nicht ausschließlich dem Rechtsinhaber zuschreibt, sind Teil des Werkgenusses. Sie bedürfen keiner Zustimmung und somit auch keiner Lizenz des Urhebers. Der Werkgenuss stellt bei klassischen Werken kein Problem dar: Weder für das Lesen eines Buches, noch für das Betrachten eines Gemäldes ist eine Lizenz notwendig.

Bei Computerprogrammen ist die Situation jedoch etwas komplizierter: Das Urheberrecht geht davon aus, dass der Nutzer, um ein Computerprogramm zu verwenden, dies in den Arbeitsspeicher laden und damit vervielfältigen muss. Eine Vervielfältigung ist aber grundsätzlich nur zulässig, wenn der Rechtsinhaber zugestimmt hat. Um dieses Dilemma zu lösen, hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass die bestimmungsgemäße Nutzung eines Computerprogramms auch ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig ist.

In diesen Rechtsbereich muss man nun die indirekte Nutzung einordnen: Ob für die indirekte Nutzung eine Lizenz erforderlich ist, hängt davon ab, ob durch die indirekte Nutzung eine Handlung ausgelöst wird, die das Gesetz ausschließlich dem Rechtsinhaber zugewiesen hat. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die SAP-Software dadurch vervielfältigt oder bearbeitet werden würde. Eine bestimmungsgemäße Nutzung würde wiederum keine Lizenzpflicht auslösen. Hier gilt, wie so oft, dass der Teufel im Detail liegt: Es hängt immer vom jeweiligen Anwendungsfall ab, ob hier eine zusätzliche Lizenz erforderlich ist. In den meisten Fällen dürfte dies aber nicht gerechtfertigt sein.

Indirekte Nutzung vertraglich regeln

Unabhängig von dem Urhebergesetz steht es Unternehmen frei, im Rahmen von Verträgen Vereinbarungen zu treffen, die die Vergütung für eine indirekte Nutzung vorsehen. Dies wird durch die Vertragsfreiheit gewährleistet. Allerdings können dennoch Klauseln in Verträgen unwirksam sein, wenn die Klauseln mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren sind. Ob dies bei der indirekten Nutzung der Fall ist, werden die Gericht in den nächsten Jahren zu entscheiden haben. Für das einzelne Unternehmen bedeutet dies, dass man sich gut auf etwaige Verhandlungen mit SAP vorbereiten sollte. Hierfür gelten die nachfolgenden Tipps:

Transparenz schaffen: Um etwaige Verhandlungen gut vorzubereiten, ist Transparenz hinsichtlich des Umfangs der vorliegenden indirekten Nutzung unerlässlich. Dies umfasst auf der einen Seite, die bestehenden vertraglichen Bedingungen zur indirekten Nutzung zu kennen. Auf der anderen Seite ist eine fachkundige Bewertung sinnvoll, bei welchen indirekten Nutzungsszenarien es sich überhaupt um eine urheberrechtlich geschützte Nutzung handelt. Denn dieses trifft - wie bereits ausgeführt - beileibe nicht auf jede Interaktion eines Drittsystems mit SAP-Software zu. Für relevante Nutzungsszenarien sind in diesem Zuge auch die Anzahl der "indirekt zugreifenden" Nutzer zu bestimmen. Schließlich besteht auch weiterhin die Option, indirekte Zugriffe mittels Named User-Lizenzen abzudecken.

Dokumentenanzahl abschätzen: Hinsichtlich der Fragestellung, welches Lizenzmodell die kostengünstigere Variante darstellt, ist eine Abschätzung der Dokumentenanzahl erforderlich. Hierzu hat SAP im vergangenen Jahr mit einem entsprechenden Hinweis einen Report zur Verfügung gestellt. Verwertbare Ergebnisse liefert dieser jedoch nur, wenn die technischen User für die Kommunikation zwischen SAP und Drittsystem korrekt selektiert sind. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Anzahl erzeugter Dokumente sich immer auf einen zurückliegenden Zeitraum bezieht und dadurch möglicherweise nur bedingt aussagekräftig für die Zukunft ist. Eine sorgfältige Analyse und kritische Betrachtung der Ergebnisse sind daher gefragt.

Gesamtkosten bei der Wahl des Lizenzmodells berücksichtigen: Letztlich wird es oft auf eine kaufmännische Entscheidung hinauslaufen. Dabei sollten aber nicht nur die direkten Kosten des Lizenzmodells berücksichtigt werden, sondern auch der damit verbundene Verwaltungsaufwand, der beim Named-User-Lizenzmodell aufgrund der komplexeren Überwachung vermeintlich höher ausfallen dürfte.

Während sich das neue Digital-Access-Lizenzmodell im eingeschwungenen Zustand hinsichtlich der Verwaltung aufwandsärmer darstellen kann, ist bedarfsseitig jedoch zu beachten, dass Belege, die über Drittsysteme von bereits lizenzierten SAP Nutzern erfasst werden, nicht exkludiert werden. Es findet aus Sicht des Kunden im Grunde genommen eine Doppel-Lizenzierung statt. Die Kenntnis der zu erwartenden Gesamtkosten ist in jedem Fall sinnvoll, um entsprechende Angebote der SAP umfassend bewerten zu können.

Bei der Verhandlung den Fokus nicht nur auf den Preis legen: Neben dem Kommerziellen sollte bei Verhandlungen mit SAP vor allem der Schwerpunkt auf die vertragliche Ausgestaltung des Lizenzmodells und der -bedingungen gelegt werden. Abhängig von der Kundengröße, dem bestehenden Vertragsvolumen sowie gegebenenfalls anstehender Neuinvestitionen in SAP-Software bieten sich hier in aller Regel unterschiedliche Gestaltungsräume.

Unter anderem sollte beim neuen Digital Access Modell zum Beispiel geregelt werden, wie mit erworbenen "Dokumenten"-Lizenzen umgegangen wird, die als Ergebnis bei der Vermessung möglicherweise zu viel vorhanden sind. Ebenso sollte in dem Vertragswerk eine möglichst abschließende Regelung zur indirekten Nutzung geschaffen werden. Auf diese Weise können bereits heute weitere Ausgaben für die indirekte Nutzung in der Zukunft ausgeschlossen werden.