Web-basierte Anwendungen werden für Firmen immer attraktiver

Web 2.0 auf dem Weg ins Unternehmen

21.07.2006 von Tanja Wolff
Zwölf Prozent der Unternehmen werden voraussichtlich bis 2010 Web-Anwendungen einsetzen. Laut einer Analyse des Beratungsunternehmens Experton Group wird bei den Privatanwendern in vier Jahren sogar jede dritte Anwendung online genutzt werden.

Auf der Basis neuer Technologien wie Ajax, RSS oder Macromedia Flash haben sich in den vergangenen Jahren viele meist endkundenorientierte Anwendungen wie Blogs, Social Networking, Foto- und Video-Sharing und Wikis entwickelt. Einfache Programmierwerkzeuge, der Zugang zu Open-Source-Code und offene Schnittstellen zu zentralen Plattformen wie Amazon oder Googlemaps ermöglichen Entwicklern und Firmen mit geringen Ressourcen innovative und anwenderfreundliche Web-Anwendungen zu kreieren.

"Alles deutet auf einen einsetzenden Paradigmenwechsel im gesamten Software-Markt hin, der zwar schon mehrfach unter Schlagworten wie Application Service Provider prognostiziert wurde, bis dato aber ausblieb: Die Migration vom Desktop zum Webtop", sagt Carlo Velten, Senior Advisor bei der Experton Group.

Laut der Untersuchung sieht es bisher so aus, dass überwiegend Privatpersonen webbassierte Anwendungen nutzen. Allerdings signalisieren der Kauf und die Integration von Web 2.0-Firmen durch etablierte Unternehmen wie Yahoo, Google, Amazon oder Salesforce.com einen Wandel.

Der Lerneffekt aus dem privaten Erfahrungsbereich wird sich auf das Nutzungsverhalten am Arbeitsplatz auswirken, so die Analyse. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden, dass sich bei Selbstständigen und Freelancern der Wechsel von lizenzbasierter Desktop-Software zu web-basierten Anwendungen am dynamischsten vollzieht.

Nicht ganz so rasant wird sich das Ganze bei den mittelständischen und Großunternehmen entwickeln. Das liegt unter anderem daran, dass sie an prozessuale und hierarchische Strukturen gebunden sind. Außerdem schränken Sicherheitsrichtlinien die Nutzung externer, web-basierter Programme ein. Langfristig werden sich die neuen Web-Anwendungen jedoch nicht aus den Firmen verbannen lassen. Der Grund: Die Integration unterschiedlicher Tools innerhalb neuer Web-Anwendungen spart Zeit und schafft häufig hohe Mehrwerte.

IT-Anwender können profitieren

Für IT-Anwenderunternehmen eröffnen sich mit den neuen Web-Anwendungen verschiedene Möglichkeiten, so die Analyse. Neben Lizenzkosten lassen sich vor allem Maintenance- und Support-Kosten einsparen. Wenn die Nutzer entsprechende Erfahrungswerte gesammelt haben, können außerdem Implementierungs- und Trainingsaufwendungen reduziert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Firmen durch die orts- und rechnerunabhängige Verfügbarkeit mobiler und flexibler sind.

Im Zuge der Webtop-Entwicklung bekommen Software-Anbieter und Service-Provider neue Vertriebs- und Geschäftsmöglichkeiten. Plattformen, wie appexchange von Salesforce.com erweitern die Spanne von Vertriebskanälen für Independent Software Vendors (ISVs) und bündeln das Interesse vieler potenzieller Kunden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Anbieter ihre Lösungen an die neuen Web-Standards anpassen und in die Portierung investieren.

Der Untersuchung zufolge muss jedoch auch bedacht werden, dass einer schnellen Ablösung des Desktops durch den Webtop einige zentrale Hürden im Weg stehen. So ist beispielsweise zurzeit nicht klar, ob sich die neu entstehenden Business-Modelle für die ISVs und deren Service-Provider rechnen. Kritisch gesehen wird zudem, dass im Zuge der steigenden Internetkriminalität die Web-Anwendungen deutliche Risiken hinsichtlich einer sicheren Bearbeitung, Übertragung und Speicherung der Daten aufweisen.

Ein weiterer Punkt ist, dass es sich erst noch beweisen muss, wie viele Anwender bereit sind, vertrauliche Datenbestände online zu bearbeiten und extern zu speichern. Für einen Großteil der Unternehmen ist es nicht akzeptabel, dass sie mit den Web-Anwendungen weniger Kontrolle über ihre zentralen Datenbestände haben. Weil die meisten Anwendungen bisher für Einzelanwender konzipiert wurden, bestehen vielfach keine Administrations- und Kontrollmöglichkeiten für die IT-Entscheider einer Firma.

Laut der Analyse werden nur die Webtop-Anwendungen erfolgreich sein, die eine kritische Masse an Usern bündeln und langfristig halten können. Daher müssen sich die Angebote der Anbieter stärker an den Anforderungen der Unternehmen bezüglich Administration, Sicherheit und Kontrolle orientieren. Junge Firmen, die sich im Software-Markt etablieren wollen, sollten strategische Partnerschaften schließen. Die Akquisition durch etablierte Unternehmen ist eine weitere Alternative für nachhaltiges Wachstum und Durchdringung im Markt.

Gefahr für Microsoft

Weil sich das Informationsverhalten der User auch in den Firmen stark ändert und sich von den traditionellen Microsoft Desktop-Programmen wegbewegt kann der Webtop zu einer starken Konkurrenz für Microsoft werden. Experton prognostiziert, dass Mitarbeiter ihr Briefing künftig per Podcast erhalten und firmeninterne Neuigkeiten per RSS-Feed ausgetauscht werden. Audio- und Videobeiträge gehören dann zum Alltag und Social Networking Tools werden die Kommunikation mitbestimmen.