Großer Nutzen für Mitarbeiter

Web 2.0 ist keine Zeitverschwendung

12.04.2010 von Thomas Pelkmann und Sharon Gaudin
Was Unternehmen von sozialen Netzwerken abhält und wie Mitarbeiter und Business von Web 2.0 profitieren. Analyst Andrew McAfee im Interview mit Sharon Gaudin von unserer Schwesterpublikation Computerworld.

CIO: Was bedeutet Enterprise 2.0?

Andrew McAfee: Der Begriff beschreibt allgemein die Übernahme von Web 2.0-Tools und -Philosophien in unterschiedlichen Business-Szenarien. Genauer gesagt, meint das den geschäftlichen Gebrauch aufstrebender Social Software-Plattformen. Es geht darum, intelligente Werkzeuge zu schaffen, die Menschen so interagieren lassen, wie sie das möchten.

CIO: Bremst die IT die Mitarbeiter bei ihrer Begeisterung für die Enterprise 2.0-Welt aus?

Andrew McAfee: Durch die Bank rufen die Beschäftigten nach Anwendungen, die leichter zu bedienen sind. Sie sind frustriert durch die Tatsache, dass es außerhalb der Firewalls solche Tools gibt, in ihrem Unternehmen aber nicht.

Letztlich tragen die IT-Abteilungen die Verantwortung dafür, welche Anwendungen im Unternehmen laufen. Das wird aber nicht ewig so bleiben: Schon jetzt nutzen viele Mitarbeiter Werkzeuge aus der Cloud oder über das Internet.

Ich gebe aber zu, dass es ein paar Sicherheitsprobleme gibt, die man dabei bedenken muss. Trotzdem: Deshalb diesen Weg rundweg abzulehnen, halte ich für falsch.

CIO: Viele Verantwortliche in den Unternehmen haben Angst, dass Dienste wie Facebook oder Twitter die Produktivität ihrer Mitarbeiter senken. Sind Sie damit einverstanden, wenn Unternehmen mit dieser Begründung die Zugänge zu sozialen Netzwerken sperren?

Andrew McAfee: Nein, die Ansicht, dass die Arbeit in sozialen Netzwerken Zeitverschwendung ist, teile ich nicht. Man könnte ja sagen, dass man diese riesigen Portale ablehnt, aber hinter der Firewall etwas ähnliches firmenintern anbieten. Auf jeden Fall ist es verkehrt, den Kopf in den Sand zu stecken und darauf zu warten, dass der Hype vorbei geht. So setzt sich nur die Denke durch, dass nicht die Firma ihren Mitarbeitern die coolsten Werkzeuge anschafft, sondern die sich das selber aus dem Internet besorgen müssen.

CIO: Wie können Unternehmen von Web 2.0 profitieren?

Andrew McAfee: Sie können es zum Beispiel nutzen, damit ihre Mitarbeiter ihr Wissen verbreiten. Ich teile meiner Organisation über soziale Netze mit, was ich gerade mache, was ich weiß und wo ich gut drin bin. Dafür fülle ich keine Formularfelder in Datenbanken aus, sondern blogge das einfach. Wenn man das mit effizienter Suchtechnik verbindet, findet man bei Bedarf schnell heraus, wer sich im Unternehmen etwa für anstehende Projekte gut eignet.

"Menschen haben eine altruistische Ader"

Man kann aber auch darüber kommunizieren, was man nicht weiß und wo man Hilfe braucht. Alle Menschen haben eine altruistische Ader, und wenn sie was nützlich finden, teilen sie das gerne anderen mit.

CIO: Kennen Sie Unternehmen, die schon einen guten Job bei ihrem Versuch machen, Enterprise 2.0 zu adaptieren?

Andrew McAfee: Ich habe von der britischen Rundfunkgesellschaft BBC gehört, dass die einige interessante Sachen machen. Sie haben festgestellt, dass die Mitarbeiter die Intranetsuche als ungeheuer frustrierend empfunden haben.

Sie hätten nun die Suche verfeinern und verbessern können, haben aber stattdessen auf Diskussionsforen gesetzt. Man kann jetzt im BBC-Netzwerk alle alles fragen und jeder kann darauf antworten. Da möchte dann jemand wissen, wo es die und die Information gibt, und irgendjemand wird antworten „Genau hier!“. Er kann dann das gewünschte Dokument oder mindestens einen Link gleich mit schicken. Es ist ein Weg, den Mitarbeitern zu ermöglichen, sich einander zu helfen.

Auch die CIA benutzt Enterprise 2.0-Technologien, um das Wissen einzelner Personen innerhalb des Geheimdienstes zu verbreiten. Vorher gab es keine Möglichkeit, Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen zusammen zu bringen, die an denselben Dingen gearbeitet haben oder sich hätten helfen können.

CIO: Was ist der größte Fehler, den Unternehmen bei der Einführung von Enterprise 2.0 machen?

Andrew McAfee: Der größte Fehler ist, sich von Sorgen oder Ängsten von Enterprise 2.0 abhalten zu lassen. Man kann lange Listen darüber führen, was alles schief gehen könnte: Die Firewall könnte Löcher bekommen, es könnte Mobbing den eigenen Kollegen gegenüber geben oder verletzende Bemerkungen über die angebliche Dummheit der Mitarbeiter.

Mobbing kommt bei Web 2.0 nicht vor

Aber ich kann diese Bedenken zerstreuen: Unternehmen, die Enterprise 2.0 in ihrem Unternehmen eingeführt haben, haben solche Verhaltensweisen nicht beobachtet. Und wenn es wirklich jemanden geben sollte, der seine Kollegen beleidigen möchte, braucht er damit nicht warten, bis es eine Blogging-Software im Unternehmen gibt.

CIO: Werden Web 2.0-Techniken die Art, wie wir arbeiten, verändern?

Andrew McAfee: Ja, aber nicht total und schon gar nicht über Nacht. Viele große Unternehmen beschäftigen sich mit diesem Thema und loten aus, wie sie damit umgehen sollen. Das ist dann schon eher ein langer und langsamer Prozess.

Wir fordern die Leute auf, über ihre Haltung zu Technik und Zusammenarbeit nachzudenken. Dafür braucht man ein Perspektivwechsel. Unternehmen werden sich ändern müssen. Es wird letztendlich stille, unterschwellige Transformationen geben.

CIO: Wie werden sich Unternehmen auf der Basis von Web 2.0-Technologien in den nächsten zehn Jahren verändern?

Andrew McAfee: Ich hoffe, dass sich ein Teil der Jobs auf Unternehmensebene zu mehr kollegialem Miteinander entwickelt. Ein Teil der Unternehmenskultur muss auf Hilfsbereitschaft und Kollegialität ausgerichtet sein. Ich bin überzeugt, Enterprise 2.0-Techniken unterstützen das, weil sie den Menschen in einem Unternehmen eine Stimme geben.

Web 2.0 hilft dabei, gute Mitarbeiter aufzuspüren

Es wird mit diesen Technologien in Zukunft leichter sein herauszufinden, wer im Unternehmen für bestimmte Aufgaben infrage kommt. Bisher ist das viel schwieriger.

Andrew McAfee ist Wissenschaftler und Marktforscher beim Center for Digital Business in der MIT Sloan School of Management. Das Interview führte Sharon Gaudin für die Computerworld.