Die IT bei Vattenfall

Wegen Entflechtung unter Dampf

05.03.2006 von Andreas Schmitz
Die IT-Strukturen der Energieunternehmen Bewag, HEW, LAUBAG und VEAG hat Vattenfall Europe zu einer IT-Landschaft umgebaut. Jetzt steht die Entflechtung von Vertrieb und Verteilnetz oben auf der Agenda des IT-Managements.

Seit Januar 2006 ist einiges anders beim Energieversorger Vattenfall. Die Berliner Bewag und die Hamburger HEW gehören seitdem in die Geschichtsbücher, denn sie heißen nun Vattenfall Europe Berlin und Vattenfall Europe Hamburg - unter dem Dach der "Business Group" Vattenfall Europe. Die Verteilnetzbetreiber in Berlin und Hamburg werden nun als rechtlich selbstständige Geschäftseinheiten geführt.

Im schwedischen Mutterkonzern hat Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson bereits vor einigen Monaten die strategischen Gruppenfunktionen und die für die Steuerung der Geschäftseinheiten in Finnland und Schweden zuständigen Business Group Vattenfall Nordic voneinander getrennt. Das polnische Geschäft ist seit August 2005 ebenfalls als Business Group organisiert.

Das hat Konsequenzen für die IT-Governance: Seit Juli forciert Claes Wallnér als Group-CIO in der Stockholmer Holding übergeordnete Standards für die IT-Infrastruktur, wie ein gemeinsames Datennetz und ein konzernweites Active Directory - ein Verzeichnisdienst für die Verwaltung des Netzes. "Derzeit läuft eine Ausschreibung für konzernweit einheitliche PCs und Monitore", so Hans Rösch, CIO von Vattenfall Europe. Unter Wallnér verantworten drei CIOs die IT in den Business Groups Nordic für Skandinavien, Poland für den polnischen Markt und die mit 60 Prozent Umsatzanteil größte Einheit, Vattenfall Europe, die bislang fast ausschließlich am deutschen Strom- und Wärmemarkt aktiv ist.

Alte Kundendaten sind Sprengstoff

Vattenfall-Europe-CIO Rösch hat keine Befürchtungen, dass seine Harmonisierung - etwa der konzernweit einheitliche SAP-Classic-Mandant und das Billing-System SAP IS-U - nun übergeordneten Standards der Vattenfall-Gruppe zum Opfer fällt. Dazu sind die Märkte und deren Geschäftsprozesse zu verschieden. Erst Mitte 2005 trat das neue Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Kraft, das eine Entflechtung zwischen den Wettbewerbsbereichen Erzeugung und Vertrieb sowie den Monopolbereichen Übertragungs- und Verteilnetz regelt. Auf Neudeutsch sprechen die Manager von "Unbundling".

Das EnWG reglementiert bestehende Informationskanäle zwischen Wettbewerbs- und Monopolbereichen: "Verteilnetzbetreiber müssen sicherstellen, dass der konzerneigene Vertrieb wirtschaftlich sensible Informationen nur über Kunden erhält, mit denen er für den betreffenden Zeitraum einen Liefervertrag hat", so Rösch. Die Nutzung anderer Daten hingegen ist verboten - wie etwa zu "Kundenrückgewinnungskampagnen". Kunden, die ein Jahr lang keinen Strom mehr abgenommen haben, müssen aus der Datenbank verschwinden.

Diese Trennung zwischen aktuellen, alten und zu löschenden Daten hinzubekommen war und ist eine Herausforderung für Rösch. Diese Trennung will der CIO über ein Berechtigungskonzept in den Abrechnungssystemen und Data Warehouses bewerkstelligen: "Bis 2007 soll die Software SAP IS-U dazu in der Lage sein."

EnWG: Raum für Interpretationen

Das EnWG lässt Raum für Interpretationen. Rösch: "Delegierte der Energiewirtschaftsverbände und Software-Branche treffen sich regelmäßig mit der Bundesnetzagentur, um die Festlegung einheitlicher Standards und Regeln voranzutreiben." Freiwillig erfolgt die Nutzung des EDI-Verfahrens zum Datenaustausch zwischen Lieferanten und mehr als 900 Netzbetreibern. "Datenformate auf EDI-Basis werden bald Pflicht", vermutet Rösch.

Die Verteilnetzbetreiber der Vattenfall Europe bauen neuerdings Websites auf, um die Marktteilnehmer mit wirtschaftlich relevanten Informationen zu versorgen. Zudem wird die Bundesnetzagentur demnächst wohl ein detailliertes Reporting fordern. Rösch stellt sich auf neue Funktionen ein, um Kapital-, Betriebs- und Wartungskosten der Netzanlagen für die Kalkulation der Netznutzungsentgelte detailliert nachweisen zu können. Die "Umsetzung regulatorischer und betriebswirtschaftlicher Anforderungen zum gesellschaftsrechtlichen und informatorischen Unbundling" gibt der CIO daher als eine der wichtigsten künftigen Aufgaben an.

Wichtiger Dienstleister ist die Vattenfall Europe Information Services (VEIS) in Hamburg, die mit 650 Mitarbeitern den größten Teil der internen IT-Aufgaben abdeckt. Derzeit führt die VEIS in der Vattenfall-Gruppe ein einheitliches Web-Content-Management-System für alle Internet- und Intranet-Auftritte ein, wie es Vattenfall Europe seit 2004 nutzt. "Wir versuchen, mit Innovationen ein Vorreiter zu sein", so Rösch, "und fühlen uns bestätigt, wenn unsere Lösungen in der Vattenfall-Gruppe übernommen werden."