Kritik üben ist schwierig

Wenn das Mitarbeitergespräch in Streit ausartet

17.01.2019 von Christina Seitter
Mitarbeitern ein positives Feedback geben – das fällt den meisten Führungskräften leicht. Komplizierter wird es, wenn im Mitarbeitergespräch schlechte Arbeitsleistung zu beanstanden ist. Hier bewegen sich Führungskräfte oft auf dünnem Eis.
  • Mitarbeiter ohne Selbstwertgefühl können mit Kritik schlechter umgehen
  • Niemals im Beisein Dritter kritisieren - es geht auch um Gesichtswahrung
  • Wer die Feedback-Regeln einhält, bewegt sich auf sicherem Terrain
Eine Körperhaltung, die sich für ein Feedbackgespräch mit einem schwierigen Mitarbeiter eher nicht empfiehlt.
Foto: Studiostoks - shutterstock.com

Im Berufs- und Privatleben ist es zuweilen unvermeidbar, das Verhalten oder die Einstellung anderer Menschen zu kritisieren. Führungskräfte stehen sogar regelmäßig vor dieser Herausforderung - zum Beispiel wenn sie im Mitarbeitergespräch eine Rückmeldung über Leistung geben. Doch nicht jeder Mensch verträgt Kritik, und sei sie noch so sachlich und wertschätzend formuliert.

Abhängig davon, wie selbstbewusst und gefestigt Personen sind, reagieren sie sehr unterschiedlich auf Kritik. Mal souverän, mal irritiert oder verletzt, zuweilen sogar feindselig und aggressiv. Häufig können Führungskräfte vorab nicht einschätzen: Wie wird der Mitarbeiter reagieren? Deshalb schieben sie das Feedback-Geben auf die lange Bank. Manchmal kehren sie ihre Kritik gleich ganz unter den Teppich, weil sie Angst vor den Mitarbeiterreaktionen haben.

Mitarbeiter haben ein Recht auf konstruktive Kritik

Warum reagieren manche Menschen emotional auf eine negative Rückmeldung, obwohl doch eigentlich Konsens darin besteht, dass Feedback an sich etwas Positives ist? Immerhin liefert uns die Rückmeldung Klarheit darüber, ob unsere Selbstwahrnehmung der von anderen Personen entspricht. Konstruktive Kritik hilft uns,

Sprechen wir über Arbeitsleistung und Verhalten, können wir die wechselseitigen Erwartungen klären und die Arbeits-beziehung sowie die Zusammenarbeit auf ein solides Fundament stellen.

Problem: Mitarbeiter mit einem schwachen Ego

Fakt ist: Fast alle Menschen erhalten lieber eine positive als eine negative Rückmeldung. Aussagen wie "Das haben Sie toll gemacht" oder "Ich genieße die Zusammenarbeit mit Ihnen" gehen Mitarbeitern "runter wie Öl" - zumindest wenn sie spüren: Das Lob ist ernst gemeint. Anders verhält es sich mit kritischen Rückmeldungen wie "Ich würde mir von Ihnen zuweilen einen größeren Einsatz wünschen" oder "Mein Eindruck ist, Sie setzen manchmal die Prioritäten falsch".

Auf solche Rückmeldungen reagieren selbstbewusste Mitarbeiter souverän und fragen zum Beispiel nach: "Wann würden Sie sich mehr Einsatz wünschen?" oder "Können Sie mir ein, zwei Beispiele nennen für die aus Ihrer Warte falsche Prioritätensetzung?" Doch Mitarbeiter mit einem eher schwachen Selbstwertgefühl gehen anders damit um. Sie beziehen eine kritische Rückmeldung, auch wenn sie völlig korrekt und angemessen formuliert ist, oft auf ihre Person und sehen in ihr eine Art Liebesentzug und persönlichen Angriff. Das ist auch dann der Fall, wenn die Rückmeldung sich nur auf gewisse Verhaltensweisen bezieht, die sie nur manchmal zeigen.

Kritik im Mitarbeitergespräch wird als persönlicher Angriff erlebt

Diese Mitarbeiter reagieren verletzt oder bockig, abwehrend oder resignativ - zuweilen sogar feindselig und aggressiv, weil sie die Aussage als Bedrohung erfahren. Diese Reaktion erfolgt so reflexartig, dass die Betroffenen das eigentlich Gesagte gar nicht mehr hören. Die Botschaft kommt bei ihnen nicht an. Und weil sie die kritische Rückmeldung als persönlichen Angriff interpretieren, sehen sie oft nur zwei Möglichkeiten zu reagieren:

Sicher, das sind extreme Mitarbeiterreaktionen - auch weil sich viele Mitarbeiter gar nicht trauen, ihren Chef, der zugleich ihr disziplinarischer Vorgesetzter ist und über ihre Karriere mitentscheidet, offen zu kritisieren. Deshalb verfallen sie, wenn sie ein Feedback als ungerecht empfinden, meist eher in ein beredtes Schweigen und äußern ihre Kritik anschließend lautstark im Kollegenkreis.

Die Feedback-Regeln genau beachten

Doch wie können Führungskräfte vermeiden, dass, wenn sie einem wenig selbstbewussten Mitarbeiter eine negative Rückmeldung geben, die Situation eskaliert und eventuell emotionale Wunden entstehen, die der weiteren Zusammenarbeit schaden? Die Antwort ist einfach: Es geht darum, sehr genau auf das Einhalten folgender Feedback-Regeln achten:

Das eigene Führungsverhalten hinterfragen

Und noch ein Tipp: Die Art und Weise, wie Mitarbeiter auf kritische Rückmeldungen reagieren, sagt eine ganze Menge über deren Beziehung zur jeweiligen Führungskraft aus. Reagiert ein Mitarbeiter bockig oder ablehnend, obwohl die Kritik angemessen formuliert wurde, sollten sich Führungskräfte fragen, welche Fehler sie in der Vergangenheit gemacht oder was sie eventuell versäumt haben. Fragen Sie sich:

Kündigungsgespräche richtig führen
Kündigungsgespräche richtig führen
Wer einem Mitarbeiter die Entlassung mitteilt, sollte darauf achten, dass es ein Gespräch auf Augenhöhe ist. Sechs Tipps zur Gesprächsführung.
Tipp 1
Achten Sie darauf, dass vor dem Gespräch mit dem Mitarbeiter keiner seiner Kollegen von der Kündigung erfährt.
Tipp 2
Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor: Welche Faktoren machen die Kündigung unumgänglich? Wie können Sie auf mögliche Einwände reagieren?
Tipp 3
Seien Sie ehrlich: Beschönigen Sie nicht die Situation, sondern geben Sie Ihrem Mitarbeiter ein konstruktives Feedback.
Tipp 4
Berücksichtigen Sie auf jeden Fall, dass es bei einer Kündigung nicht nur um eine Fach- oder Führungskraft einer bestimmten Abteilung geht, sondern um einen Menschen mit allen seinen sozialen und gesellschaftlichen Bezügen. Das ist gerade dann wichtig, wenn man den Mitarbeiter nicht immer geschätzt hat.
Tipp 5
Geben Sie ihm genügend Zeit für seine Reaktionen wie Wut oder Tränen: Bieten Sie gegebenenfalls ein weiteres Gespräch in ein paar Tagen an, wenn der Mitarbeiter sich wieder gesammelt hat.
Tipp 6
Seien Sie auch in den nächsten Tagen stets offen für weitere Fragen des gekündigten Mitarbeiters.

Das können Sie den Mitarbeiter übrigens auch direkt fragen. Zum Beispiel mit den Worten: "Ich habe den Eindruck, dass Sie auf meine Rückmeldung eher reserviert reagieren. Trifft das zu?" Angenommen der Mitarbeiter antwortet: "Ja". Dann sollten Sie weiterfragen: "Warum?". So finden Sie heraus, was Ihre Arbeitsbeziehung belastet und können diese wieder auf eine gesunde Basis stellen.