Home Office

Wenn die Arbeit nach Hause kommt - und nicht mehr geht

24.09.2019
Kein Stau, kein Bürokrach, und gebügelte Klamotten sind auch nicht nötig: Home Office ist bequem. Die meisten schaffen dort auch mehr. Doch das Arbeiten zu Hause birgt Risiken.
Home Office ist nicht für alle Arbeitnehmer geeignet.
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Aufstehen, Anziehen, Laptop an: Der Weg ins Home Office ist kurz. Immer mehr Arbeitnehmer machen zumindest tageweise ihre Wohnung zum Büro. Mails, Telefonkonferenzen, ja ganze digitale Team- und Softwareprojekte lassen sich ungestört zu Hause erledigen, wenn die Bandbreite stimmt.

Drei Viertel derer, die zu Hause arbeiten, meinen, dass sie dort konzentrierter arbeiten, zwei Drittel schaffen am Wohnzimmertisch mehr Arbeit als im Betrieb, wie eine AOK-Umfrage ergab. Doch die Krankenkasse warnt: Das flexible Arbeiten kann psychische Belastungen verstärken, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen.

Reizbarer als die Kollegen

"Dienstliche Probleme werden gedanklich weiterbearbeitet, wenn man zu Hause ist, weil dort die Arbeit jederzeit wiederaufgenommen werden könnte", erklärt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Wer zu Hause immer wieder den Rechner hochfährt oder zum Handy mit den Dienstmails greift, ist demnach meist nervöser und reizbarer als die Kollegen, die ihre Arbeit im Büro zurücklassen.

Etwa 40 Prozent der Unternehmen ermöglichen es ihren Beschäftigten, von zu Hause zu arbeiten, wie auch andere Studien ergaben. Laut Statistischem Bundesamt arbeitete 2017 etwa jeder neunte Beschäftigte gewöhnlich oder gelegentlich zu Hause. In anderen EU-Staaten wie den Niederlanden und Schweden ist es schon mehr als jeder Dritte. In Deutschland bröckelt die Präsenzkultur nur langsam.

Home Office eine Oase der Ruhe

Vor allem Besserverdienende und Arbeitnehmer mit Kindern machen Home Office, hohe Quoten gibt es in Informations- und Kommunikationsberufen sowie bei wissenschaftlichen und technischen Dienstleistern, wie aus Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Wer zu Hause arbeitet, macht demnach mehr Überstunden als andere Beschäftigte. Linke und Grüne fordern daher klare Regeln für die Heimarbeiter, damit für sie kein zusätzlicher Stress entsteht.

Wer im Home Office arbeite, sei in der Regel zufriedener als andere Arbeitskräfte, fand das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung heraus. Denn Büros sind häufig keine Oase der Ruhe. Immer mehr Arbeitgeber pferchen ihre Beschäftigten in Großraumbüros zusammen. Allein im Dienstleistungssektor fühlt sich jeder Zweite sehr häufig oder oft gestört, unter anderem durch Telefonate oder Kollegen, fand die Gewerkschaft Verdi heraus.

Home Office gilt als familienfreundlich

Home Office zählt neben Teilzeit und Sabbatical-Auszeiten zu den Angeboten, mit denen sich Arbeitgeber als familienfreundlich profilieren. Vorteile hat, wer morgens noch sein Kind zur Kita bringen kann, statt schon auf dem Weg zur Arbeit im Stau zu stehen - und der dann doch pünktlich am Rechner sitzt, zu Hause.

Beschäftigte und Manager halten ihre Firmen heute für familienfreundlicher als noch vor drei Jahren, wie eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft für das Bundesfamilienministerium ergab, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Aber noch immer sieht jeweils mehr als die Hälfte der Befragten keine ausgeprägte familienfreundliche Unternehmenskultur.

Home Office kann aber auch Überhand nehmen. Der AOK-Umfrage zufolge empfindet knapp jeder Fünfte das Arbeiten von zu Hause als Belastung, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwere. Drei Viertel fühlten sich im vergangenen Jahr erschöpft. Den Grund dürfte dieses Ergebnis offenlegen: Laut der Umfrage macht jeder Dritte sein Home Office häufig auch abends und am Wochenende auf.

Grenzen zwischen Job und Privatleben verschwimmen

"Der Nachteil ist, dass die Grenzen zwischen Job und Privatleben verschwimmen", sagte AOK-Wissenschaftler Schröder. "Der private Rückzugsraum und die Zeit für Erholung schrumpft." Wer im Home Office arbeite, habe häufiger Schwierigkeiten, abends und im Urlaub abzuschalten als die, die ausschließlich im Betrieb tätig sind.

Das kann aber auch mit den Tätigkeiten an sich zusammenhängen. Im Home Office wird meist Büroarbeit erledigt. Reinigungskräfte und Maurer können ihre Arbeit nicht mit nach Hause nehmen. (dpa/rs/sa)

Arbeitsrecht im Home Office und mobilen Job
Rechte und Pflichten im Home-Office
Auch im Home-Office gilt das Arbeitsrecht. Welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben, erklärt Claudia Knuth, Fachanwältin für Arbeitsrecht im Hamburger Büro der Kanzlei Lutz Abel.
Der Arbeitgeber entscheidet
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen mobilen oder häuslichen Arbeitsplatz. Letztlich entscheidet der Arbeitgeber, dem die Gestaltungsfreiheit der betrieblichen Organisation zusteht.
Rechtslage beachten
Wer Ausdrucke, Dateien oder weitergeleitete E-Mails mit nach Hause nimmt, riskiert arbeitsrechtliche Sanktionen, je nach Sensibilität der Informationen sogar bis hin zur Kündigung. Mitarbeiter sollten sich daher vorher mit dem Arbeitgeber genau abstimmen, ob und welche Firmenunterlagen sie mit nach Hause nehmen dürfen.
Voraussetzungen prüfen
Grundsätzlich muss die Tätigkeit des Mitarbeiters dafür überhaupt geeignet sein. Betriebliche Termine, Kundentermine und Besprechungen sollten Vorrang haben. Wenn die Mobilarbeit ohne Störung in die betrieblichen Abläufe eingefügt werden kann, sollte außerdem die gleiche Effizienz der Arbeitsleistung wie bei Präsenzarbeit sichergestellt werden.
Arbeitszeiterfassung klären
Anstatt zum Arbeitsbeginn und -ende ein- und auszustempeln, sollte im Home-Office notiert werden, wie lange der Arbeitnehmer am Tag in der Woche gearbeitet hat. Voraussetzung dafür ist eine vertrauens- und ergebnisorientierte Arbeitskultur, da die Zeiterfassung schwerer kontrolliert werden kann. Das Arbeitszeitgesetz gilt auch außerhalb des Büros: Die Höchstarbeitszeit pro Tag (maximal zehn Stunden), die Ruhezeiten (mindestens elf Stunden) sowie das Sonn- und Feiertagsverbot müssen eingehalten werden.
Datenschutz sicherstellen
Der Arbeitgeber muss die nötigen Schutzvorkehrungen treffen. Zum Beispiel kann über die Nutzung von VPN-Verbindungen ein sicherer Datentransfer garantiert werden. Wichtig ist, dass nur vom Arbeitgeber freigegebene Software und Dateien verwendet werden. Der Mitarbeiter muss sicherstellen, dass außer ihm niemand, auch keine Familienangehörigen, Zugang zu den verwendeten mobilen Endgeräten erhält. Außerdem dürfen Passwörter nicht an Dritte weitergegeben werden oder fahrlässig leicht zugänglich aufbewahrt werden.
Mitspracherechte des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat bei der Entscheidung für oder gegen mobiles Arbeiten kein Mitspracherecht. Bei manchen Änderungen allerdings schon, zum Beispiel bei Änderung der Arbeitszeiten, der Nutzung von noch nicht mitbestimmten technischen Einrichtungen, der Verhütung von Arbeitsunfällen oder bei Versetzungen. Durch den neu eingeführten Paragrafen 87, Absatz 1, Nummer 14 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) wurden die Mitbestimmungsrechte ergänzt, sodass der Betriebsrart auch in den Planungsprozess einbezogen werden sollte.
Kostenübernahme
Wenn der Arbeitgeber Home-Office gewährt, muss er auch die erforderlichen Kosten übernehmen. Das schließt die Büroausstattung, die technische Ausstattung und die Telekommunikationskosten mit ein. Entweder wird der Arbeitnehmer mit allem Notwendigen ausgestattet oder er nutzt seine eigenen Endgeräte ("Bring your own Devices"). Für welche Variante oder Mischkonstellation man sich auch entscheidet, eine vertragliche Grundlage ist unverzichtbar.