Forrester widerspricht Gartner

Wer braucht einen Chief Digital Officer?

14.05.2013 von Bettina Dobe
Der Job des Chief Digital Officer (CDO) liegt im Trend. Aber ist es wirklich so sinnvoll, ihn in der Firma zu haben? Ein Forrester-Analyst hat so seine Zweifel.

Ohne eine digitale Strategie geht es nicht mehr. Große Firmen müssen so schnell wie möglich digital werden, wenn sie diesen Schritt noch nicht getan haben. Am Frontend, an den Produkten, beim Kundenkontakt und im Services besteht diesbezüglich Handlungsbedarf, weil ihr die Innovationen stattfinden, während die klassische Backend-IT in den Hintergrund rückt. Aber ist dafür ein Chief Digital Officer (CDO) wirklich die beste Lösung? Nein, sagt der Analyst Martin Gill des Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Forrester. "Stellen Sie keinen Chief Digital Officer ein", rät er in seinem Blog.

Gegen den Trend

Chief Digital Officers sind gerade mächtig im Trend. Aber nicht jede Firma braucht sie.
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Steile These, möchte man meinen. Schließlich stellen einige Firmen mit Begeisterung gerade CDOs ein. Zum Beispiel der Kaffeekonzern Starbucks, der seit mehr als einem Jahr alle digitalen Projekte unter sich vereint. Ein CDO ist dafür zuständig, traditionelle "analoge" Geschäftsmodelle in webbasierte Anwendungen zu übertragen und Marketing mit der entsprechenden Technologie zu vereinbaren. Stellen Firmen einen CDO ein, meinen sie es ernst mit der Digitalisierung, schreibt etwa Gartner-Analyst Mark P. McDonald in seinem Blog.

Gartner erwartet schließlich auch, dass noch weitere neue Positionen eingerichtet werden, etwa der Chief Data Officer und der Chief Innovation Officer. Bis 2015, so eine Gartner-Prognose, habe jedes fünfte Unternehmen einen solchen Posten besetzt, allen voran die CDOs. Gute Zeiten also für C-Level Manager, um sich einen neuen Job zu suchen? Nein, sagt Forrester-Analyst Gill. Der Job ist nämlich viel zu wichtig, um ihm einer einzigen Person zu überlassen. Zumindest, wenn die digitale Strategie noch nicht ausgereift ist.

Doch lieber den CEO ranlassen?

Diejenigen Unternehmen, die es immer noch nicht geschafft haben, sich eine vernünftige digitale Präsenz aufzubauen und Teile ihres Geschäftsmodells ins Internet zu verlagern, müssen sich beeilen, noch hinterherzukommen. Ein solches Projekt sei eine derartige Herausforderung, schreibt Gill, dass die ganze Firma hinter diesen fundamentalen Veränderungen stehen muss, damit sie gelingen können. Und genau darin liegt das Problem des CDOs.

Eigentlich müssten CIOs schon längst an der digitalen Strategie arbeiten. Gelingt dies nicht, muss der CDO ran.
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Andere C-Level-Manager würden sich nicht verantwortlich dafür fühlen, wenn der CDO Projekte durchführen will, glaubt Gill. Und diese Projekte reichen bekanntermaßen immer in den Verantwortungsbereich anderer Manager hinein. Nur hat der CDO oft wohl nicht genug Gewicht, um eine digitale Agenda durchzusetzen.

Keine Guerilla-Krieger in die Firma

Im Klartext: Schnell mal einen digitalen Jungspund anheuern, der als CDO die Digitalisierung durchzieht, funktioniert nicht. "Nur wenige Leute haben genug digitalen Sachverstand, um eine mutige Zukunftsvision zu entwerfen und können gleichzeitig einen Transformationsprozess dieser Größenordnung durchsetzen", schreibt Gill. Nur ein CEO kann eine solche Veränderung durchsetzen. Ein einzelner Guerilla-Krieger kann eine Firma nicht von Grund auf ändern, wenn er nicht gesamte Führungsebene hinter sich stehen hat. Läuft diese Transformation nämlich schief, kann das ein Unternehmen unter Umständen eher zurückwerfen, als voranbringen.

Für welche Unternehmen sich ein CDO lohnt

Sie haben schon eine digitale Strategie? Dann ist ein CDO vielleicht sinnvoll. Und wie ein Gartner-Bericht beweist: 18 Prozent der CIOs arbeiten eigentlich schon als CDOs. Auch für Medienunternehmen kann ein Chief Digital Officer eine gute Idee sein, meint Gill. Als Beispiel nennt er die Firma Blockbuster, einen analogen Filmverleih, der die Konkurrenz von Internet-Anbietern wie iTunes oder Love Film völlig verschlafen hat. Gill meint, dass dort ein CDO vielleicht den digitalen Wandel durchgesetzt hätte. Auch Unternehmen, deren verschiedene Webauftritte und Apps fragmentiert sind, könnten mit einem einzigen Strategen, der für sie zuständig ist, durchaus profitieren.

Webbasierte Unternehmen wie etwa Amazon oder Firmen, deren CEOs von selbst auf IT vertrauen, wie etwa Burberry, brauchen den CDO nicht. Und ansonsten ist es wie mit allen IT-Jobs: Wenn er die Rückendeckung der Geschäftsleitung nicht hat, kann auch er den Karren nicht aus dem Dreck ziehen.

Die neue Zweiklassen-IT

Es sieht so aus, als würde sich die Rolle einiger CIOs wandeln. Denn eigentlich sollten sie bereits ein CDO sein, also schon strategisch denken und die Digitalisierung von Produkten und Services voranzutreiben, dabei immer die Finanzierung im Blick. Idealerweise hat ein CIO heute schon die Schnittstelle Kunde/ IT im Blick. Die Zweiklassen-IT, wie von einigen CIOs vorausgesagt, wird wohl kommen. Diejenigen, die es nicht schaffen, eine digitale Strategie durchzusetzen, werden ins Backend verbannt - für alles andere gibt es den CDO.