Der CIO über seine Projekt-Erfahrungen

Wie die Max Planck Gesellschaft Dezentralität managed

22.05.2009 von Alexander Freimark
CIO Harald Suckfüll weiß um die Brisanz seiner Aufgabe. Er muss die Effizienz der IT steigern, darf aber nicht den Freiraum der Wissenschaftler in den rund 80 Instituten einengen.
Harald Suckfüll, CIO Max Planck Gesellschaft: "Eine absolute Standardisierung über die gesamte Gesellschaft wäre nicht durchsetzbar und würde die Kreativität erdrücken."

In der Münchner Zentrale der Max Planck Gesellschaft (MPG) herrscht eine Atmosphäre wie sonst nur in alten Bibliotheken: Ruhe und Konzentration prägen den modernen Bürokomplex nahe des Hofgartens, in dem die Fäden der rund 80 MPG-Forschungseinrichtungen zusammenlaufen. Zwar führen alle Wege nach Rom, doch ist auch hier die Kapitale weit entfernt. Seit fünf Jahren arbeitet CIO Harald Suckfüll daran, den Spagat zwischen Zentralisierung und Autonomie zu schaffen. Privat läuft er die Marathon-Distanz, das passt ins Bild.

Jedes Institut sei sehr autonom geführt, beschreibt Suckfüll die dezentrale Struktur der MPG. Die Einrichtungen verfügen über eine eigene Verwaltung mit Finanzbuchhaltung, Personal, Einkauf und Bibliothek, eine eigene TK-Anlage mit eigener Amtsleitung und natürlich über eine eigene IT, die sich dank eines eigenen IT-Budgets um die Systeme und ihre wissenschaftlichen Anwendungen kümmert. Neben Suckfüll gibt es in der MPG noch weitere 80 IT-Leiter.

Deutlich wird die heterogene Situation am Beispiel Mail-Server: Einige Institute nutzen eine kommerzielle E-Mail-Lösung ihrer Wahl, einige den zentralen Server im MPG-Rechenzentrum in Göttingen, andere wiederum haben sich ihren Mail-Server aus Komponenten selbst gebaut. "Wir haben", sagt Suckfüll, "in den Instituten eine hohe Fertigungstiefe." Eine Zentralisierung der IT lässt sich hier nicht im Handstreich umsetzen. Geduld und sachliche Argumente zählen mehr als Hierarchiedenken und rigide Vorgaben.

Neben dem Tagesgeschäft der IT-Organisation - Unterstützung der Verwaltung in der Zentrale und den Instituten - versuchen Suckfüll und seine 35 Mitarbeiter, die IT-Verantwortlichen an der Peripherie zumindest bei einigen Themen mit standardisierten Lösungen zu unterstützen. Die Lockmittel sind Innovationen und eine frühzeitige Einbindung der Institute in die Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse.

So arbeitet der CIO derzeit daran, die TK-Systeme der MPG standortübergreifend auf eine VoIP-Plattform umzustellen. Zwar sollte "die Telekommunikation nicht zur engeren Kernkompetenz eines wissenschaftlichen IT-Leiters" gehören, argumentiert Suckfüll, jedoch würden einige Institute Vorgaben für den Rufnummernplan bereits als Eingriff in ihre Autonomie empfinden. "Schmackhaft machen" will der IT-Chef die Umstellung "und die Kollegen frühzeitig abholen". Wenn man die Vor- sowie Nachteile anspreche und Betroffene in das Projekt einbinde, "erntet man fast immer Verständnis".

Seine Lehren hat der ehemalige Accenture-Manager aus einem Projekt gezogen, das "fast auf der Kippe stand, obwohl es eigentlich fertiggestellt war" - ein übergreifendes E-Procurement-System. Dies wurde vor Jahren den Instituten "vorgesetzt" mit der als Bitte verbrämten Aufforderung, die Beschaffung darüber abzuwickeln. Es kam zu einem "Aufruhr", woraufhin kurz vor Suckfülls Amtsantritt eine kleine Pilotgruppe aus zehn Instituten ins Leben gerufen wurde, die das E-Procurement-System testen und mitgestalten sollten. Inzwischen - nach fünf Jahren - greifen 50 Institute auf die Plattform zu. "Die Wissenschaftler und Key-Anwender haben uns geholfen, die Botschaft in die Institute zu tragen", sagt der IT-Verantwortliche.

Innovation kam von Forschern

So wurde es auch für ein Vorzeigeprojekt der MPG gehandhabt, nämlich die "Digitale Bibliothek". Diese wurde vor drei Jahren auf der "grünen Wiese" und auf Basis einer Service-orientierten Architektur (SOA) ins Leben gerufen, um den wissenschaftlichen Publikationsprozess zu unterstützen. "Hier kam die Innovation klar aus der Forschung", erinnert sich Suckfüll. Neben der Integration von Bildern, Sprache oder Filmen sollen vor allem Primärdaten einbezogen und somit die Resultate überprüfbar werden. "Alles vorkonfektioniert, damit die Kombination aus Medien und Primärdaten für einen Wissenschaftler mit wenig Aufwand intuitiv handhabbar ist", so Suckfüll.

Fakten zur Max Planck Gesellschaft.
Foto: cio.de

Die Devise "Intuitive Handhabung für die Anwender" gilt auch in einem aktuellen MPG-Projekt, mit dem Forscher „alle rechtlichen Anforderungen der Arbeitssicherheit intuitiv und systemgestützt erfüllen sollen“. Hier ging die Initialzündung von den Wissenschaftlern aus, die den Vorschriften etwa aus der REACH-Initiative zu ihren Arbeitsplätzen nicht mehr "manuell, also per Handbuch" entsprechen konnten. Die frühzeitig eingeschaltete IT analysierte zusammen mit den künftigen Anwendern den Markt und entschied sich für eine stark anzupassende Lösung auf SAP-Basis (Modul EH & S). "In diesem Projekt werden die fachlichen Anforderungen und die Technik zu einem innovativen Konstrukt vereint", sagt Suckfüll.

Schnittstelle im "Projektmandat"

Bevor ein Projekt in der MPG startet, muss sich jede Abteilung zu den beigesteuerten Ressourcen verpflichten. Als Schnittstelle fungiert das "Projektmandat", in dem die Fachbereiche Ziele, Nutzen und Aufwand angeben müssen. Die IT steuert dann "ihre Sicht der Dinge bei", so der CIO, "um zu einer sauberen Entscheidung zu kommen". Fällt diese nicht auf Abteilungsebene, ist das Präsidium der MPG am Zug.

Dienstleister betreiben das SAP-System

In der Generalverwaltung hingegen herrscht Suckfüll zufolge "ein permanenter Austausch". Dort regieren Standardisierung und Outsourcing. Ein eigenes Rechenzentrum hat die Generalverwaltung nicht, sie nutzt ein wissenschaftliches RZ in Göttingen. Die SAP-Systeme und den PC-Support betreiben kommerzielle Dienstleister. Im Haus blieben Customizing und Support der SAP-Systeme.

Suckfüll weiß um die Brisanz seiner Aufgabe. Einerseits muss er die Effizienz der IT steigern, andererseits darf er die Wissenschaftler nicht einengen: "Eine absolute Standardisierung über die gesamte Gesellschaft wäre nicht durchsetzbar und würde die Kreativität erdrücken." Dann hätten die Forscher keine Möglichkeit mehr, sich zu differenzieren. Gerade von den Instituten kämen die maßgeblichen Innovationen im IT-Bereich, etwa für Material- und Klimaforschung oder Astrophysik. "Ohne ihre eigenen Algorithmen und Programme kämen die Wissenschaftler nicht weiter", sagt Suckfüll.