Kelly-Studie gibt Noten

Wie sich Mitarbeiter ihren Chef wünschen

06.12.2011 von Werner Kurzlechner
Deutsche Führungskräfte sollen sich vor allem mehr um die Zukunftsperspektiven der Angestellten kümmern und ihnen mehr Anerkennung zollen.

Diese Nachricht dürfte die Führungskräfte hierzulande erst einmal ins Grübeln bringen: Deutschland Chefs bekommen im internationalen Vergleich von ihren Mitarbeitern eher schlechte Zensuren. Wie der aktuelle „Global Workforce Index“ der Personalberater von Kelly Services zeigt, vergeben deutsche Arbeitnehmer an ihre Arbeitgeber auf einer Skala von eins bis zehn (sehr schlecht) im Durchschnitt 6,2 Punkte. Auf einer Notenskala dürfte das einer befriedigenden Drei entsprechen. Der internationale Mittelwert liegt mit 6,4 leicht höher, wobei insbesondere amerikanische Angestellte ihre Vorgesetzten mit durchschnittlich 6,8 erkennbar besser bewerten.

Europäisches Defizit, Teil 1: ein Vergleich der Antworten auf die Frage, ob Mitarbeiter Anerkennung verspüren.
Foto: Kelly Services

„Wer Führungsverantwortung trägt, sollte sich bewusst machen, dass die Zufriedenheit mit dem Vorgesetzten und der Führungsstil die wichtigsten Faktoren bei der Arbeitszufriedenheit sind“, erläutert Ralf Heiden, Geschäftsführer von Kelly Services Deutschland. „Bei schlechter Arbeitsstimmung sollten Chefs und Mitarbeiter mit Personalführung ihre Fähigkeiten daher selbst kritisch überprüfen und gegebenenfalls ihr Führungsverhalten gegenüber Arbeitnehmern ändern.“

Auf den zweiten Blick allerdings erscheinen die Kelly-Befunde keineswegs entmutigend – und dass nicht nur, weil der Deutschlandwert sogar minimal über dem EMEA-Schnitt von 6,1 liegt:

In Europa und damit auch Deutschland ist das nur an wenigen Stellen nötig. So vermissen Arbeitnehmer in EMEA mehr als anderswo Anerkennung für ihre Leistungen. Im weltweiten Durchschnitt zeigen sich 44 Prozent der Befragten in dieser Hinsicht zufrieden. Allerdings liegen die Werte in Amerika und Asien mit jeweils etwa 50 Prozent deutlich darüber, in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika mit 38 Prozent signifikant darunter.

Am Geld kann das nicht liegen, denn ein Fünftel der EMEA-Angestellten erhält Boni und andere finanzielle Belohnungen für gute Arbeit – ein deutlich höherer Anteil als in anderen Regionen. Zwei Drittel in jeder Region sagen, dass das Management ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten kenne. Woran also fehlt es europäischen Arbeitnehmern, die womöglich einen Tick anspruchsvoller sind als anderswo? Offenbar an explizitem und alltäglichem Lob: Ein „Employee Recognition Programm“ etwa gibt es in EMEA nur in jedem zehnten Unternehmen; in Amerika und Asien ist dieses Instrument häufiger zu finden, wenn auch keineswegs wirklich verbreitet.

Führung und Vision gewünscht

Europäisches Defizit, Teil 2: ein Vergleich der Antworten auf die Frage, ob der Chef einen gut auf die berufliche Zukunft vorbereitet hat.
Foto: Kelly Services

Das zweite hiesige Kardinalproblem: In Europa sehen die Arbeitnehmer schlechtere berufliche Perspektiven als anderswo. Hat der Chef einen gut auf künftigen beruflichen Erfolg vorbereitet? Dieser Aussage stimmt in EMEA nur ein Drittel der Befragten zu – je älter die Mitarbeiter, umso weniger. In Amerika zeigen sich demgegenüber 44 Prozent in dieser Hinsicht zufrieden, in der Region Asien-Pazifik 38 Prozent.

Die Studie beantwortet ferner die Frage, welche Eigenschaften einen guten Chef ausmachen: Insgesamt 26 Prozent nennen Führungsstärke, 24 Prozent Visionskraft, 19 Prozent Kommunikationsfähigkeit, 15 Prozent Teamorientierung, 10 Prozent Persönlichkeit und 4 Prozent Erfahrung.

Wiederum ist es höchst aufschlussreich, diesen Befund zu differenzieren. Regional unterschieden ist für Amerikaner der Kommunikationsstil besonders wichtig (28 Prozent). In Asien liegen mit jeweils etwa 30 Prozent im Durchschnitt die Werte für Führungsstil sowie visionäres und richtungsweisendes Auftreten vorne. Interessanterweise scheint in Europa Vision ein bisschen wichtiger zu sein als jenseits des Atlantiks. Überdurchschnittlich ins Gewicht fallen bei Europäern Teamwork (18 Prozent), Persönlichkeit (13 Prozent) und Erfahrung (5 Prozent).

Digital Natives legen Wert auf Führung

Verschieden ticken hier auch die Generationen: Generation Y, Generation X (30 bis 47 Jahre) und Baby Boomer (48 bis 65 Jahre). Die gerne auch als „Digital Natives“ apostrophierten Jungspunde legen im Gruppenvergleich am meisten Wert auf Führung, während ihnen weniger an Visionen gelegen ist. Diese fordert vor allem die Generation X ein.

Ebenso spannend für Führungskräfte dürfte ein anderer Generationenvergleich sein. Die besten Chefs kommen laut Kelly-Studie aus der mittleren Generation X (44 Prozent). 21 Prozent nennen die Baby Boomer. Etwa ein Viertel der Befragten sieht keinen Unterschied; die Unter-30-Jährigen und die Über-65-Jährigen werden hier kaum genannt. Die Hälfte der Generation X sieht sich und seine Altersgenossen als ideale Chefs; genauso hoch ist der Anteil in der Generation Y. Offenbar haben Vorgesetzte der mittleren Generation also kaum Probleme, junge und mittelalte Mitarbeiter anzusprechen.

12 Prozent fühlen sich bedrückt

Allerdings nennen nur 16 Prozent der Über-48-Jährigen die Generation X als beste Vorgesetztengeneration; ähnlich schlecht fällt die Bewertung von Generation X und Y für die ältere Garde der Chefs aus. Unübersehbar ist also, dass die Chemie zwischen Baby Boomern und den beiden jüngeren Generationen oft nicht stimmt. Chefs aus der mittleren Altersgruppe sollten sich vor diesem Hintergrund speziell fragen, wie sie ältere Mitarbeiter gezielt mit ins Boot nehmen könnten.

Die Führungskultur in den Unternehmen beschreibt jeweils ein Viertel der Befragten als förderlich für die Mitarbeiterautonomie und als integrativ. 19 Prozent empfinden das Klima als autoritär, 12 Prozent sogar als bedrückend. In europäischen Firmen wird offenbar in besonders hohem Maße Verantwortung auf alle Schultern verteilt; autoritärer Führungsstil ist hierzulande seltener als in Asien oder Amerika. Mitarbeiter der Generation Y loben häufiger als die beiden anderen Altersgruppen die Führung in ihren Firmen als integrierend und bestärkend.

Insgesamt würden 52 Prozent der Befragten ihren derzeitigen Arbeitgeber weiter empfehlen. Das erscheint ausbaufähig – gerade in EMEA, wo der Durchschnittswert lediglich bei 49 Prozent liegt. Wiederum äußern sich die jungen Mitarbeiter positiver als der Rest. Besonders zufrieden ist die Generation Y auch mit dem von ihr als besonders wichtig eingestuften Faktor Arbeitsumfeld; gleiches gilt für die Baby Boomer, die auf gute Mitarbeiterführung und herausfordernde Tätigkeiten ihr Augenmerk richten.

Insbesondere der Führungsstil scheint bei den Baby Boomern häufig den Ausschlag zu geben, ob sie ihr Unternehmen als gut oder schlecht empfinden und darstellen. Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer ist hingegen unzufrieden, weil ihnen aus ihrer Sicht unzureichende Aufstiegschancen geboten werden.