Innovationsmanagement

Wie Sie dem "Europäischen Tal des Todes" entkommen

27.05.2019 von Simon Hülsbömer
Wie schaffen es Unternehmen, innovativ, disruptiv und erfolgreich zugleich zu sein? Darüber haben wir mit Dries Faems, Chair of Entrepreneurship, Innovation & Technological Disruption an der WHU – Otto Beisheim School of Management, gesprochen.

cio.de: Wie definieren Sie "Innovation"?

Dries Faems: Innovation ist die Umsetzung neuer Ideen in bestimmte Produkte oder Dienstleistungen, die in den Markt eingeführt werden können. Es ist wichtig, eine klare Unterscheidung zwischen "Erfindungen" und "Innovationen" zu treffen. Obwohl Erfindungen ein wichtiger Input für Innovationen sein können, sprechen wir nur dann von Innovationen, wenn Unternehmen in der Lage sind, solche Erfindungen in konkrete Produkte oder Dienstleistungen umzusetzen, die einen Mehrwert in Form von finanziellen und/oder gesellschaftlichen Gewinnen bringen.

Innovation erfordert Kreativität, neue Denkansätze und vor allem Mut.
Foto: ESB Professional - shutterstock.com

cio.de: Warum fällt es europäischen Unternehmen oft schwer, ihre Innovationskraft in die Öffentlichkeit zu tragen - insbesondere im Vergleich zu amerikanischen?

Dries Faems: Traditionell sind die europäischen Unternehmen hervorragend, wenn es um die Schaffung neuer Kenntnisse und Technologien geht. Sie haben jedoch oft Schwierigkeiten, diese Kenntnisse und Technologien in kommerziell erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Europäische Entscheidungsträger beziehen sich bei der Diskussion über dieses Problem oft auf das "Europäische Tal des Todes".

Aktuelle Initiativen wie das Innovationsförderprogramm Horizon 2020 versuchen, dieses Problem anzugehen, indem sie finanzielle Mittel für Unternehmen bereitstellen, die ihnen helfen, dieses Tal des Todes zu überleben. Ein erfolgreicher Übergang von einem Technologie- zu einem Produktschwerpunkt erfordert aber auch einen Wandel in der kulturellen Denkweise. Dazu braucht es unter anderem mehr Aufmerksamkeit für den Aufbau unternehmerischer Fähigkeiten und eine Gesellschaft, die das Scheitern nicht rein negativ sieht.

Dries Faems leitet das Seminarmodul "Building a strategic perspective on innovation" im Rahmen des "Leadership Excellence Program" von CIO, WHU und DXC Technology.
Foto: Kai Myller

Exploitativ vs. explorativ

cio.de: Wie können Unternehmen innovativ und erfolgreich zugleich sein?

Dries Faems: Um in bestehenden Märkten erfolgreich zu bleiben, ist es wichtig, dass Unternehmen Innovationsprojekte betreiben, die es ermöglichen, ihre vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten zu nutzen. Hier sprechen wir von "exploitativer Innovation". Meistens sind solche Projekte inkrementeller Natur, was bedeutet, dass sie sich auf Aktivitäten wie Optimierung, Feinabstimmung und Upscaling konzentrieren.

Gleichzeitig ist es für Unternehmen wichtig, disruptive Veränderungen im Umfeld zu antizipieren oder darauf zu reagieren. Dies erfordert Investitionen in Innovationsprojekte, die die Erforschung neuer Ressourcen und Fähigkeiten ermöglichen. Solche "explorativen" Innovationsprojekte konzentrieren sich in der Regel auf radikalere Aktivitäten wie Experimentieren und Improvisieren.

Um nachhaltigen Erfolg zu erzielen, müssen Unternehmen sowohl für die Gegenwart nutzen als auch für die Zukunft forschen. Die Herausforderung besteht darin, dass exploitative und explorative Innovationen unterschiedliche Arten von Personen, Management-Prozessen und Organisationsstrukturen erfordern. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen exploitative und explorative Aktivitäten klar voneinander trennen.

Diese Trennung kann innerhalb des Unternehmens erfolgen, indem separate Organisationseinheiten für die Exploration geschaffen werden - wie beispielsweise Innovation Labs oder Innovation Outposts. Unternehmen können das Ganze aber auch kollaborativ angehen - über Kooperationen mit externen Akteuren wie Startups und Universitäten. So erklärt sich die aktuelle Popularität von Initiativen wie Unternehmensinkubatoren, Unternehmensbeschleunigern und Venture-Einheiten.

cio.de: Wie lassen sich Innovation und Strategie in einem Unternehmenskontext verbinden?

Dries Faems: Für Unternehmen ist es unerlässlich, sich ein gutes Bild von ihrem bestehenden Wettbewerbsvorteil zu machen. Mit anderen Worten: Sie müssen die Einzigartigkeit ihres Unternehmens verstehen. Um einen besseren Überblick über einen solchen Wettbewerbsvorteil zu erhalten, muss die folgende Frage beantwortet werden: "Wie schaffen wir Mehrwert für unsere Kunden, so dass Wettbewerber nicht kopieren können?" Darüber hinaus ist es wichtig, Trends im Umfeld aufzuspüren, die ihren bestehenden Wettbewerbsvorteil potenziell stören oder in Frage stellen könnten. Erst nachdem sie sich darüber im Klaren sind, können sie mit der Formulierung eines Portfolios von Innovationsprojekten beginnen.

Vom Low-End-Produkt zum Vorreiter

cio.de: Inwieweit braucht es Disruption überhaupt?

Dries Faems: Angesichts des Aufkommens einer Vielzahl von digitalen Technologien werden zahlreiche Branchen in Mitleidenschaft gezogen. Um zu überleben, ist es wichtig, dass die bestehenden Akteure der Branche auf solche disruptiven Trends reagieren. Dies ist jedoch nicht immer einfach, da die Ausgangsqualität von disruptiven Technologien oft niedriger ist als bei bestehenden Lösungen.

Als beispielsweise Google "Google Maps" einführte, war es zunächst kein echter Konkurrent für bestehende Navigationssysteme, da es keine wichtigen Navigationsfunktionen gab und nicht die gleiche Genauigkeit wie herkömmliche Navigationssysteme hatte. Ursprünglich war Google Maps nur ein nützliches Produkt für Low-End-Kunden oder Menschen, die nur selten GPS-Dienste benötigten. Heutzutage hat sich die Funktionalität und Qualität von Google Maps jedoch drastisch verbessert. Auf diese Weise ist es für die meisten Kunden zu einer sinnvollen Alternative zu teureren Navigationssystemen geworden.

cio.de: Was sind die größten Herausforderungen in Innovationsprojekten?

Dries Faems: Eine Herausforderung besteht darin, dass Unternehmen in der Tendenz dazu neigen, bei allen Innovationsprojekten immer die gleichen Verfahren, Werkzeuge und Kontrollsysteme einzusetzen. Innovation ist jedoch ein mehrdimensionales Konzept, das sowohl die Nutzung bestehender Produkte als auch die Erforschung neuer Produkte umfasst. Es ist wichtig, dass Unternehmen unterschiedliche Instrumente und Systeme für verschiedene Arten von Innovationsaktivitäten verwenden.

Eine zweite Herausforderung ist, dass Unternehmen dazu neigen, zu viele Innovationsprojekte gleichzeitig anzugehen. Auf diese Weise müssen die Mitarbeiter ihre Zeit auf eine Vielzahl von Projekten verteilen, was zu Stress, Verzögerungen und Ausfallszenarien führt. Wenn ich Unternehmen bei ihren Innovationsaktivitäten unterstütze, lautet meine erste Frage daher immer: "Welches der aktuellen Innovationsprojekte können wir abbrechen?"

Bestandskunden für Disruption ungeeignet

cio.de: Inwiefern ist es sinnvoll, Kunden und Partner in Innovationsprojekte einzubeziehen?

Dries Faems: Heute betonen Innovations-Gurus und politische Entscheidungsträger nachdrücklich die Bedeutung eines kundenorientierten Innovationsansatzes. Wir Forscher sind nicht ganz einverstanden mit dieser starken Betonung der Einbeziehung der Kunden. Ich stimme zu, dass bestehende Kunden äußerst wertvolle Partner für exploitative Innovationen sein können. Kunden haben Erfahrung im Umgang mit Ihren Produkten und ihr Feedback kann sehr hilfreich sein, bestehende Produkte und Dienstleistungen zu verbessern. Bestehende Kunden sind jedoch in der Regel weniger wertvoll, um disruptive Trends zu erforschen. Um es mit Henry Fords Worten zu sagen: "Hätte ich die Leute gefragt, was sie wollen, hätten sie schnellere Pferde verlangt."

Noch mehr Innovation gefällig? Kommen Sie zum LEP!

Dries Faems leitet das Seminarmodul "Building a strategic perspective on innovation" im Rahmen des "Leadership Excellence Program" von CIO, WHU und DXC Technology. Mehr Informationen: www.leadership-excellence-program.de.

Learnings aus dem Silicon Valley
Wetten auf die Zukunft ...
... darum geht es den Tech-Firmen im Silicon Valley und darin finanzieren Venture Capitalists, wie die 22 IT- und Business-Manager herausfanden. Sie waren im März 2019 eine Woche mit dem Leadership Excellence Program (LEP) von CIO-Magazin, WHU und dem damaligen Sponsor DXC im Silicon Valley.
Mit dem Bus ...
... ging es von San Francisco, nach Sunnyvale, Redwood City, Menlo Park, Palo Alto und und und. Immer gut gelaut dabei: Prof. Serden Ozcan (WHU, links), der akademische Leiter des Programms, und Markus Maas (damals L'Oréal, heute CIO und CDO bei BNP Realestate Deutschland).
Bei Plug and Play in Sunnyvale ...
... erfuhren die Manager, wie ein Inkubator Startups aufbaut und mit Kapitalgebern sowie etablierten Markt-Playern zusammenbringt.
Auch ein Learning ...
... im Großraum-Tummelplatz der Startups bei Plug and Play.
Eine Session fand bei Salesforce ...
... in San Francisco statt ...
... wo die Delegation sehr individuell ...
... auch über optische Mittel willkommen geheißen wurden.
Im Co-Working Space ...
... "we work" trafen die Manager ...
... den Gründer von Cognigy ...
... Sascha Poggemann, der erzählte, warum er neben Düsseldorf ein zweites Standbein in San Francisco eröffnete und wie er Venture Capital für sein Startup bekam.
Stefano Lindt von C3 ...
... erklärte der CIO-Delegation, was der AI-Spezialist seinen Kunden zu bieten hat.
Die Campus-Führung bei Facebook ...
... war eines der Highlights. Die Manager lernten viel darüber, womit sich der Social-Media-Riese beschäftigt und wie wichtig Employee Empowerment ist.
Entdeckung auf der Fahrt zurück in die Stadt ...
... Flixbus in den USA - das wussten viele nicht.
Auch kulturelle Aspekte kamen nicht zu kurz ...
... von Baseball im Oracle Park ...
... mit dem Trainingsspiel ...
... der San Francisco Giants gegen die Oakland Athletes ...
... über einen Abstecher ...
... ins Napa Valley ...
... bis zum Segeln ...
... in der San Francisco Bay ...
... stets herrschte beste Stimmung.
Eine Reise, die sich gelohnt hat, finden die Teilnehmer ...
Christian Ammer, CIO und Head of Digital Transformation, Noerr
Er hat viele Learnings aus dem Silicon Valley mitgenommen, darunter: Culture beats everything / Nobody cares about profit, it's all about growth / Open Innovation is not a buzzword / AI, AI, AI! / Visionary Leadership is KEY.
Michael Sonne, damals CIO von PlanetHome, heute CIO der Software AG:
"Die Reise hat mir sehr gut gefallen. Das LEP-Programm bietet einen tollen Überblick und Einblick in die Startup-Szene im Silicon Valley: von Startup-Inkubatoren (Plug and Play) über Startup-Investoren bis hin zum direkten Kontakt zu ausgewählten und hochspannenden Startups. Als Alumnus ist es vor allem toll zu sehen, wie sich das Programm über die Jahre weiter entwickelt hat und immer up to date gehalten wird. Eine mehrfache Teilnahme zumindest an den Auslandsprogrammteilen ist daher uneingeschränkt zu empfehlen und eine tolle Erfahrung."
Max Ruhwinkel, damals Director Customer IT, Vaillant Group, heute VP und Director Central IT & Head of Process Management bei DMG Mori:
"Was mich begeistert hat, ist die Kombination aus Unternehmertum, technischen Innovationen und dem kontinuierlichen positiven Antrieb, sich zu verbessern und zu hinterfragen – sowohl bei den Teilnehmern als auch bei den besuchten Unternehmen. Das LEP California Modul war die perfekte Kombination aus Theorie, Praxis und Networking gepaart mit der Offenheit der Teilnehmer. Es bot zudem einen eindrucksvollen Blick in die Zukunft", sagt der promovierte Betriebswirt.
Markus Maas, damals Director Business Solutions & Digital bei L’Oréal, heute CIO und CDO bei BNP Realestate Deutschland:
"Das San Francisco Modul des CIO Leadership Excellence Program 2019 war eine gut organisierte Veranstaltung mit Kollegen aus den verschiedensten Branchen. Das hat uns einen sehr interessanten und regen Austausch zu den aktuellen Herausforderungen des sich schnell wandelnden Marktes ermöglicht. Durch den Besuch von etablierten Technologieanbietern wie Salesforce, verschiedenen Investoren und von diversen Startups wurde uns ein spannender Einblick in die Ideenschmiede Silicon Valley gegeben."
Matthias Mehrtens, zuletzt CIO bei Kärcher, heute Dozent an der Hochschule Niederrhein und Berater:
"Für mich war einer der Leitsätze der Reise: The future started yesterday, and we are already late. Wir haben die besten Unternehmen der Region San Francisco besucht, mit einer prima ausgewählten Mischung an CIOs aus unterschiedlichen Branchen und haben viel über die Leadership-Erfolgsrezepte des Silicon Valley gelernt. Für meine Zukunft habe ich mitgenommen: ‚Any useful Statement about the future should at first seem ridiculous’. In diesem Sinne war die Reise wirklich wertvoll und einfach klasse."