Risikomanagement

Wie Sie die passende GRC-Lösung finden

24.09.2013 von Olaf Riedel
Die Vielfalt von Risikomanagement-Software ist ebenso groß wie die Hürden bei der Implementierung. Olaf Riedel und Christian Hoppe von Ernst & Young (EY) erläutern, wie Sie die richtige GRC-Lösung finden und erfolgreich einführen.
Christian Hoppe ist Senior Manager Advisory Services bei Ernts & Young.
Foto: Ernst & Young

Die Anforderungen an das Risikomanagement und an das interne Kontrollsystem in Unternehmen steigen immer weiter - sowohl von außen als auch innerhalb des Unternehmens: Seit langem besteht für Unternehmen eine Reporting-Pflicht über die Existenz eines Risikomanagementsystems (RMS). Mit der 8. EU-Richtlinie und dem Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) als deutschem Pendant wird diese Pflicht nun um eine Einschätzung zur Wirksamkeit des RMS erweitert. Diese ist vom Aufsichtsrat zu bestätigen.

Darüber hinaus plant die EU-Kommission eine Meldepflicht für Hackerangriffe. Von dieser Meldepflicht sind zukünftig etwa 44.000 Unternehmen sämtlicher Branchen betroffen. Auch die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen - gekennzeichnet durch teils hochgradig volatile Märkte - und die Furcht vor Reputationsschädigung lassen das Thema Governance, Risk & Compliance (GRC) auf der Agenda der Unternehmenslenker nach oben rücken.

Handlungsfelder

Innerhalb der Firmen haben sich im Laufe der Jahre eine Reihe von Handlungsfeldern herauskristallisiert, die die Notwendigkeit eines ganzheitlichen GRC-Ansatzes deutlich machen:

Ein GRC-Framework schaffen

Olaf Riedel ist Partner Advisory Services bei Ernst & Young.
Foto: Ernst & Young

Aufgrund von präsenten externen Anforderungen sowie den weitrechenden internen Optimierungsfelder konsolidieren aktuell führende Unternehmen weltweit ihre fachlichen und technischen Initiativen bezüglich GRC und investieren vermehrt in diesen Bereich. Ziel ist die Schaffung eines effektiven GRC-Frameworks mit einem unternehmensübergreifenden Ansatz.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung kann durch die Etablierung einer unternehmensweit verbindlichen GRC- Richtlinie erfolgen. Zum einen wird damit von höchster Ebene eine klare Stellungnahme zur Relevanz der GRC-Initiative ausgesprochen, zum anderen erhalten auch die mit der Umsetzung betrauten Mitarbeiter ein belastbares Mandat, um in der Richtlinie definierte Vorgaben im Unternehmen durch- und umzusetzen.

Hierbei ist wichtig, zu berücksichtigen, dass Konzerne mit Töchtergesellschaften häufig keine gesellschaftsrechtlichen Beherrschungsverträge haben, so dass jede einzelne Tochter die Richtlinie anerkennen und würdigen muss.

Was GRC bedeutet und warum es wichtig ist

Abbildung 1: Risiko-Agenda von EY (Quelle: Insights on governance, risk and compliance, März 2013, EY)
Foto: Ernst & Young

Governance, Risk & Compilance (GRC) ist der Sammelbegriff für Themen und Prozesse wie Unternehmenssteuerung, Risikomanagement, interne Kontrollsysteme und anforderungsgerechte Compliance. In diesem GRC-Zusammenhang meint Governance die Ausrichtung der Risikostrategie, dessen Steuerung und Initiativen in Bezug auf die Unterstützung der strategischen Geschäftsziele.

Das Risikomanagement (Risk) umfasst die Verankerung solcher Maßnahmen in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen und -prozessen und die ganzheitliche Optimierung des ‚Managements der Risiken im gesamten Unternehmen.

Schlussendlich beschreibt Compliance die Erleichterung von Kontrollen und Prozessen zur Einhaltung von regulatorischen wie auch geschäftlichen Anforderungen.

Ernst & Young (EY) hat im Rahmen der Risiko Initiative ein Framework mit dem Ziel "Turning Risks into Results" entwickelt, mit dem sich eine Standortbestimmung ebenso wie die Ableitung von Handlungsempfehlungen zielgenau ermitteln lässt.

Die ganzheitliche Verknüpfung von nachhaltiger Unternehmenssteuerung, anforderungsgerechte Compliance, einem effektiven Risikomanagement und effizienten internen Kontrollsystem von der strategischen bzw. systemischen bis hin zur operativen Ebene kann nur dann effizient sein, wenn eine Software die Integration der Unternehmensfunktionen im Einklang mit einer holistischen Methodik unterstützt.

Wie man die richtige GRC-Lösung für spezifische Anforderungen findet

Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen GRC-Lösungen auf dem Markt. Um herauszufinden, welches Produkt das passende ist, sollten die Unternehmen folgende drei Hinweise beachten:

  1. Untersuchungen von EY haben ergeben, dass bestimmte Anbieter besonders gut für spezifische Anwendungsszenarien geeignet sind. Es gibt eine Vielzahl von Anbietern, die jeweils einen oder mehrere der folgenden Aspekte in den Mittelpunkt ihres Produktportfolios stellen: Applikationssicherheit und Berechtigungen, Prozessdokumentation, Kontrolldokumentationen, Risiko-Aggregation, Richtlinien-Management, Freigabeverfahren, Continuous Controls Monitoring sowie die Berichterstattung. Einmal mehr bewährt sich die Regel, sich an den realen Anforderungen zu orientieren.

  2. Es muss nicht immer das Premiumprodukt sein. Gleichzeitig sollte die Lösung aber so ausgestattet sein, dass das Unternehmen damit sowohl die aktuellen Anforderungen erfüllen kann als auch mittel- und langfristige Strategien umsetzen kann. Denn auch wenn man bei der Recherche von GRC-Lösungen erst am Anfang steht, sollte man nicht kurzsichtig investieren. Zudem präsentieren sich aktuell viele kleinere, spezialisierte Anbieter am Markt. Grundsätzlich ein absolut positives Zeichen für die Relevanz des Themas. Aber erfahrungsgemäß wird es auch in diesem Bereich zu einer Konsolidierung des Marktsegments kommen. Unternehmen sollten sich deshalb im Vorfeld nicht nur die Lösung genau anschauen, sondern auch den Softwarehersteller aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten näher betrachten.

  3. Was macht eigentlich der Wettbewerb? Ihre Marktbegleiter stellen sich nur allzu häufig ähnliche Fragen und stehen vor vergleichbaren Herausforderungen. Dies gilt sowohl für das Risikomanagement als auch die GRC-Lösung. Unternehmen sollten sich aus diesem Grund nach Referenzen erkundigen, Austauschmöglichkeiten wie zum Beispiel die renommierten Risikomanagement-Stammtische von EY nutzen und sich nicht primär auf die regelmäßigen Berichte der Analysten vertrauen.

Nur wer genaue Ziele und Anforderungen definiert, kann auch die richtige Softwarelösung finden. Der Markt ist groß, die Unterschiede in Funktion, Umfang und Preis der angebotenen Lösung ebenso. Ein genauer Blick zahlt sich aus - manchmal sogar schon kurzfristig.

Wie eine GRC-Lösung das Risikomanagement optimiert

Bevor das Unternehmen eine GRC-Lösung implementiert, ist zur Vorbereitung jedoch ein gründlicher Readiness-Check erforderlich:

Wichtige Aspekte für die GRC-Einführung

EY hat ein GRC-bezogenes Reifegradmodell entwickelt. Dieses Reifegradmodell unterstützt Entscheidungsträgern mit der Hilfe einzelner, geführter Interviews eine adäquate Standortbestimmung und kurz-, mittel- und langfristige Optimierungsmöglichkeiten in kurzer Zeit herauszuarbeiten.

Unternehmen sollten dabei im Rahmen der Einführung einer ausgewählte GRC-Applikation die folgenden Aspekte berücksichtigen, damit sowohl die Methodik als auch die IT-Lösung belastbar und nachhaltig eingesetzt werden kann und das RMS und IKS gleichwohl effizient wie auch effektiv betrieben werden können:

1. Heute schon an morgen denken - wie kann das erreicht werden?

Abbildung 2: Entwicklung hin zu einer umfassenden GRC-Transformation (Quelle: Insights on governance, risk and compliance, März 2013, EY)
Foto: Ernst & Young

Achten Sie bei der Auswahl und Einführung von Anfang an auf die technische und inhaltliche Skalierbarkeit der GRC-Lösung. Konkret geht es darum, von der reinen Identifizierung und Dokumentation von Risiken zu einer GRC-Transformation innerhalb des gesamten Unternehmens hinzuwirken - hin zu einem umfassenden und unternehmensweiten Performance-Risiko-Management, dass nicht nur Werte schützt, sondern einen eigenen Wertbeitrag leistet. Dabei betrachtet man mehr ausschließlich nur die Vergangenheit inkl. des Status Quo, sondern richtet seinen Fokus absichtlich auch auf die Zukunft und auf Chancen und Potenziale, die mit jedem Risikomanagement einhergehen.

Häufig bieten Anbieter die Möglichkeit, mit der GRC-Software ebenfalls auch eine Business Impact Analyse (BIA) durchzuführen. Dies bindet zum einen den jeweiligen Fachbereich stärker in die Identifikation und Dokumentation von Prozessen, Risiken, Kontrollen und Maßnahmen ein und schafft damit eine präferiertes Verantwortungsbewusstsein, zum anderen verknüpft es die GRC Methodik effektiver mit den realen Geschäftsanforderungen und -verfahren, welche die Grundlage für ein zukunftsgerichtetes 'Performance Risk Management' darstellen können.

2. Wie können neue regulatorische Anforderungen umgesetzt werden?

Ein im GRC-Verfahren integriertes Compliance-Management verwaltet nicht nur die aktuell gültigen regulartischen Anforderungen (z.B. HGB, US-GAAP, SOX, BilMoG) und angewandten Standards (ISO 900X, 2700X, COBIT, RiskIT, GOBS, etc.), sondern bietet die Möglichkeit, durch eine Verknüpfung der Regularien und Standards eine proaktive und effiziente Einbindung von Neuerungen durchzuführen. Schon bei der Auswahl und Einführung einer GRC-Lösung sollten Sie deshalb dafür Sorge tragen, dass solche Neuerungen schnell (idealerweise sogar automatisch per neuem Release/Support-Package des Herstellers) mit Hilfe der Lösung und gleichwohl auch in der Lösung umgesetzt werden können.

Solche Anforderungen können unter anderem auf geänderten Daten und Verfahren für Geschäftsprozesse wie zum Beispiel der IBAN oder die elektronische Rechnungslegung basieren, aus denen Anpassungsbedarfe für bestehende Risikodokumentationen, Kontrollen oder Maßnahmen resultieren sowie die neue bzw. geänderte Berichtsformate, -anforderungen oder Workflows mit sich bringen.

Zu viel Geld für zu wenig Effizienz

Viele Unternehmen nutzen das Potenzial automatisierter Kontrollprozesse noch nicht vollständig: 22 Prozent der befragten Unternehmen setzen noch gar keine IT-Lösung ein, um ihre GRC-Aktivitäten zu managen, ergab eine Untersuchung von Unishpere Research aus dem Jahr 2011. Laut dieser Studie beklagen gleichzeitig 40 Prozent der Unternehmen, dass zu viel Arbeitszeit für das Managen von IT-Risiken aufgewendet wird. Diese Befunde zeigen: Die Unternehmen geben zu viel Geld für zu wenig Effizienz aus.

Mit den folgenden fünf Fragen können Unternehmen prüfen, welches Einsparpotenzial ihr Risikomanagement bietet und wie die Effizienz gesteigert werden kann:

  1. Sind alle Unternehmensbereiche und -felder im Risikomanagement berücksichtigt?

  2. Decken die implementierten Maßnahmen und Kontrollen die relevanten Risikobereiche ab?

  3. Wie viel echten Gewinn an Sicherheit und reelle Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos bringen zusätzliche Maßnahmen oder Kontrollen?

  4. Wie hoch sind die durchschnittlichen Kosten, z.B. je Risiko bzw. Kontrolle (cost of controls) und wie können diese reduziert werden - z.B. durch Automatisierung, was häufig zusätzlich mit einer Steigerung der Assurance/Prüfungssicherheit einhergeht?

  5. Wie können durch ein effizienteres Risikomanagement auch Geschäftsprozesse optimiert werden?

Beispiele für Effizienz

Über die Kontrollen und Maßnahmen aus interner und externer Compliance-Sicht hinaus können die Unternehmen GRC-Tools zur Steigerung der Prozesseffizienz nutzen. Diese Nutzung soll mit nachfolgenden Beispielen veranschaulicht werden:

Die richtige GRC-Lösung schafft also nicht nur Transparenz und Sicherheit, sondern hilft sogar dabei, Prozesse zu optimieren. Daraus ergibt sich eine ganz neue Business-Case-Rechnung - über den Benefit eines klassischen Risikomanagement mit separatem Internen Kontrollsystem hinaus.

Fazit

Risikomanagement ist kein Standard, welcher mit generischen Ansätzen optimiert werden kann. Vielmehr braucht es Erfahrung und Weitsicht, um neue Perspektiven zu entwickeln und bestehende Prozesse und Abläufe aus- und umzubauen. Mit den dargestellten Methoden besteht die Möglichkeit, zielgerichtet und bedarfsgerecht Potenziale zu identifizieren, um durch nachhaltigen Einsatz betrieblicher Ressourcen, Kreativität und neuen GRC-Technologien nachhaltige Transparenz und Sicherheit im Einklang mit den Unternehmenszielen zu ermöglichen.

Typische Governance-Fragestellungen

  • Gibt es eine GRC-Strategie oder Roadmap? Wo wollen wir in zwei bis drei, wo in fünf Jahren stehen?

  • Gibt es eine offizielle Richtlinie oder RM-Verfahrens-/Arbeitsanweisung, die verbindlich und konzernweit gilt und kommuniziert ist?

  • Wer ist verantwortlich für die GRC-Richtlinien Risiken, Kontrollen und Maßnahmen?

  • Wer gibt diese frei (ggf. gilt das Mehraugenprinzip)?

  • Wer prüft den Inhalt - formell und fachlich und wie regelmäßig?

  • Wem gehört die GRC-Applikation (System-Owner, Applikation-Owner) und wem die darin befindlichen Daten (Stichwort: Bundesdatenschutzgesetz)?

Olaf Riedel ist Partner und Christian Hoppe Senior Manager Advisory Services bei E&Y.