IT-Gehaltsstudie 2004

Wie viel sind Sie wert?

05.07.2004
Keiner redet darüber, doch jeder will es wissen: Verdiene ich markt- und leistungsgerecht, wie viel kann ich in den nächsten Gehaltsverhandlungen fordern, was bekommt der Kollege? Während die Gehälter von IT-Führungskräften im Schnitt moderat stiegen, legten die Bezüge von Top-IT-Managern 2003/2004 überdurchschnittlich zu.

Ernst Boettcher, Leiter Personalsysteme und -betreuung bei Honda Motor Europe in Offenbach, staunte in den Boom-Jahren nicht schlecht über die hohen Gehaltsforderungen von Bewerbern mit SAP-Kenntnissen. "Die Gehaltswünsche konnten wir nicht erfüllen, gerade die von ehemaligen Beratern nicht."

Das war vor fünf Jahren ein wesentlicher Grund für ihn, an der jährlichen Kienbaum-Vergütungsstudie für Führungs- und Fachkräfte in der Informationstechnologie teilzunehmen. Auch in diesem Jahr brachte sie ihm Gewissheit: Bewerber lassen sich nach wie vor ihre SAP-Kenntnisse und -Verantwortung gut bezahlen. Führungskräfte verdienen im Schnitt neun Prozent höhere Grund- und Gesamtgehälter als ihre Kollegen ohne SAP-Wissen und -Verantwortung.

CIO-Gehälter stiegen überdurchschnittlich

Für die Studie werteten die Gummersbacher Personalberater die Antworten von 219 Unternehmen mit insgesamt 5412 gemeldeten Positionen aus. Die Teilnehmer meldeten dabei 543 Führungspositionen, worunter sich auf den obersten beiden Hierarchie-Ebenen 101 "Leiter Organisation und IT", sprich CIOs, und 113 "Leiter IT" befanden. Die Grundgehälter von CIOs erhöhten sich von Februar 2003 bis Januar 2004 im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt um drei Prozent auf 103 000 Euro. Ihre Jahresgesamtgehälter stiegen um 2,7 Prozent auf 115 000 Euro. Leiter IT ohne Organisationsverantwortung legten bei den Grundgehältern um 2,4 auf 86 000 Euro zu, bei ihren Jahresgesamtgehältern sogar um 3,3 Prozent auf 95 000 Euro. Damit wuchsen die Saläre von CIOs und IT-Managern überdurchschnittlich: Die Grundgehälter aller untersuchten sieben Führungskräftekategorien kletterten "nur" um 2,1 Prozent, die Jahresgesamtbezüge um 1,8 Prozent.

Allerdings weisen die Gesamtgehälter beachtliche Schwankungen auf. Erklären lassen sich diese Spannen am besten durch Quartile. Diese statistischen Kennzahlen geben die Einkommenssumme an, die von einem Viertel der Befragten unter- und von drei Vierteln überschritten wird (unteres Quartil). Oder sie geben die Summe an, die von einem Viertel der Top-Verdiener überschritten wird (oberes Quartil). Die Einkommen von CIOs bewegen sich zwischen 90 000 Euro (unteres Quartil) und 131 000 Euro (oberes Quartil). Leiter IT pendeln zwischen 71 000 und 110 000 Euro (unteres bzw. oberes Quartil). Die Gründe für die Spannbreite liegen bei den üblichen Verdächtigen: Branche, Mitarbeiterzahl des Unternehmens und Zahl der IT-Mitarbeiter.

Ein wichtiges Kriterium ist auch die Ausstattung des IT-Systems. Größe zahlt sich für IT-Manager aus: Stehen CIOs einer IT-Landschaft mit Rechnern der oberen Leistungsklasse und mehr als 500 Servern vor, so verdienen sie mit 134 000 Euro 11,7 Prozent mehr als bei einer EDV-Anlage mit Rechnern unterer und mittlerer Leistungsklasse mit bis zu 500 Servern.

Die Honda-EDV gehört zur unteren Leistungsklasse. Während das Rechenzentrum Europa in Brüssel die Server betreibt, erfolgen Anwendungsentwicklung und Support für das SAP-System in Offenbach. An der Spitze der 32 IT-Mitarbeiter des Anbieters von Autos, Motorrädern und Motorgeräten (Umsatz rund eine Milliarde Euro, 370 Mitarbeiter) steht ein Leiter IT.

Honda-Philosophie: hohe Fixkosten

Letztlich musste auch Honda auf die Marktbedingungen während des Hypes reagieren und führte deshalb ein Vergütungssystem mit pauschalen Mehrabeitsvergütungen für SAP-Spezialisten ein. Diese meist ehemaligen Berater kannten zuvor keine tarifliche Regelungen, Mehrarbeit wurde ihnen bereits mit dem Gehalt abgegolten. Die seit 1961 in Deutschland bestehende und erste europäische Honda-Niederlassung ist in Gehaltsfragen frei von Vorgaben aus Japan. In Bezug auf die hohen variablen Gehaltsanteile ist Boettcher eher skeptisch. Maximal 75 Prozent eines Monatsgehalts oder bis zu sechs Prozent vom Fixgehalt schütten die Offenbacher jährlich pro Mitarbeiter aus - auch das Führungspersonal bekommt nicht mehr. "Zu unserer Philosophie gehört es, einen möglichst hohen Fixkostenanteil zu haben", erklärt Boettcher.

Von der angeblich motivierenden und leistungssteigernden Kraft variabler Zahlungen hält er wenig: "Gegenüber variablen Modellen bin ich mittlerweile sehr skeptisch, weil die vereinbarten Ziele häufig von Rahmenbedingungen abhängen, die Ergebnisse manchmal mehr beeinlussen als die individuelle Leistung. Zu ihnen gehören für Boettcher beispielsweise unvorhergesehene Umstände, die das Erreichen vereinbarter Ziele verhindern. Außerdem ließen sich viele Vorgaben einfach nicht exakt messen. Ein funktionierendes IT-System drei Monate nach Plan fertig zu stellen sei schließlich sinnvoller als pünktlich ein Projekt abzuschließen, das noch viele Fehler aufweist. "Mit variablen Gehaltsmodellen kann man sich auch totrechnen, weil sich die Parameter schwer steuern lassen", so Boettcher. Dafür sind Zusatzleistungen wie betriebliche Altersvorsorge, Direktversicherung und Firmenwagen wichtige Bestandteile des Gehalts: "Durch Sozialleistungen verringern wir die Fluktuation, binden die Mitarbeiter langfristig und halten so ein hohes Mitarbeiterwissen im Unternehmen."

Dennoch verzichtet Honda nicht völlig auf variable Bestandteile. Am Ende eines Jahres stehen Beurteilungsgespräche an, auf deren Grundlage die Geschäftsführung die Sonderausschüttungen verteilt. Neben Fachzielen und dem Business-Plan fließen darin auch Einstellung und Verhalten des Mitarbeiters ein.

Immerhin erhalten laut Kienbaum-Studie 56 Prozent aller Führungskräfte variable Anteile, die im Schnitt 12 100 Euro betrugen und zwölf Prozent von Gesamtgehalt ausmachen. Im vergangenen Jahr belief sich dagegen die variable Vergütung nur auf 11 500 Euro oder elf Prozent vom Gesamtgehalt.

"Pech gehabt" lautet die Antwort von Studienleiter Christian Näser, Geschäftsführer bei Kienbaum, wenn CIOs wegen widriger Umstände ihre Ziele nicht erreichen. Gerade in Krisen sei der Manager gefragt, Probleme zu lösen. Schließlich könnten CIOs ihre Projekte auch dank unerwartet positiver Einflüsse wie etwa Preisverfällen leichter mit Erfolg abschließen. Dann heißt es: Glück gehabt, und der CIO erhalte mehr als die vereinbarte Summe. Insgesamt sieht Näser weiterhin den Trend zu mehr variablen Anteilen, auch wenn der noch immer zäh verläuft. "Viele Unternehmen schrecken vor dem vermeintlich hohen Aufwand, wie Ziele zu definieren und Pflichtenhefte einführen, zurück."

Variable Modelle werden immer präziser

Laut Studie fließen bei Führungskräften Positionsziele zu 39 Prozent in die Zielvereinbarung ein, Geschäftsbereichsziele zu 28 Prozent und Unternehmensziele zu 33 Prozent. Und Näser sieht einen weiteren Trend: Unternehmen mit variablen Systemen entwickeln immer präzisere und am Erfolg orientierte Modelle. "Persönliche Eigenschaften wie Engagement, Können und Wissen gehören ins Grundgehalt. Deswegen stellt man die Leute ja ein", so Näser. "Was sie aber aus ihren Fähigkeiten machen, also was als Ergebnis für das Unternehmen dabei herauskommt, das gehört in den variablen Anteil."

Bereits 1995 hat die Continentale begonnen, variable Anteile für Führungskräfte einzuführen. Zuvor zahlte die Dortmunder Versicherung (2,3 Milliarden Beitragseinnahmen, 2500 Mitarbeiter) ihren Führungskräften die jährlichen tariflichen Erhöhungen auf ihr Grundgehalt und auf die Zusatzvergütungen. Seit 1995 wächst nur noch das Grundgehalt mit den Tarifsteigerungen. Die fiktiven tariflichen Erhöhungen auf die Zusatzvergütungen schüttet die Continentale als variable Komponente aus. Anfänglich steigen so diese Beiträge naturgemäß langsam, mittlerweile stoßen die ersten Führungskräfte an die festgelegte Obergrenze der variablen Anteile von zehn Prozent. "Weil wir fiktiv diesen Wert immer weiter fortschreiben, entwickeln sich daraus sehr ansehnliche Beträge", sagt Volker Hempel, Leiter Personalwirtschaft. "Ziel dieses Systems war es, Führungskräfte stärker steuern und leistungsorientierter bezahlen zu können."

Dazu empfiehlt Hempel Zielvereinbarungsgespräche. Werden keine geführt, müssen die Beteiligten die Leistung schätzen. In der Regel definiert der Vorstand die Ziele mit dem Leiter-IT und der wiederum mit seinen rund 200 IT-Mitarbeitern. Dabei fließen nur fachliche und persönliche Ziele ein, Unternehmensgrößen wie Umsatz und Gewinn spielen keine Rolle.

Continentale behielt die Nerven

Bei den Mitarbeitern kommt das System anscheinend gut an. "In den Boom-Jahren hatten wir kaum Abgänge, das hat uns selbst überrascht", so Hempel. Allerdings gab es in dieser Zeit auch wenig Zugänge: Weil Bewerber mit zu hohen Forderungen kamen, behielt die Continentale die Nerven und stellte kaum neue Leute ein. Grundsätzlich legt die Versicherung Wert darauf, dass Führungskräfte aus dem eigenen Unternehmen kommen. So arbeitet auch der Leiter IT, Martin Cordes, schon seit 22 Jahren bei der Continentalen, voriges Jahr avancierte er zum IT-Chef. Um Mitarbeiter möglichst früh und dauerhaft an sich zu binden, stellen die Dortmunder ausschließlich Hochschulabsolventen ein. Hempel: "Die fragen nicht an erster Stelle nach Gehaltsmodellen, sondern nach fachlichen Dingen."