Aktie legt zu

Wirecard wechselt Aufsichtsratschef aus

13.01.2020
Der unter Druck stehende Zahlungsdienstleister Wirecard hat nun doch vorzeitig seinen Aufsichtsratschef ausgetauscht.
Das Dax-Unternehmen Wirecard am Hauptsitz in Aschheim.
Foto: Wirecard

Der bisherige Oberkontrolleur Wulf Matthias räumt den Chefsessel mit sofortiger Wirkung für Thomas Eichelmann, der zuletzt den Prüfungsausschuss im Gremium leitete, wie das Unternehmen am späten Freitagabend mitteilte. Matthias war seit 2008 Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats. Eichelmann war erst auf der Hauptversammlung vergangenes Jahr bestellt worden.

Matthias werde bis zum Ende seiner Amtszeit im Sommer 2021 dem Aufsichtsrat als gewöhnliches Mitglied angehören, hieß es weiter. Begründet wurde das Vorgehen mit dem Wunsch des 75-Jährigen, einen Generationenwechsel einzuleiten.

KPMG vollzieht Sonderprüfung

Allerdings hatte es auch deutliche Kritik von Investoren an der Arbeit der Aufseher gegeben. Derzeit läuft eine Sonderprüfung der Bücher durch die Wirtschaftsprüfer von KPMG. Regulärer Buchprüfer bei Wirecard ist EY. Wirecard hatte sich zu dem Schritt entschlossen, um immer wieder aufkeimende Medienberichte um angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung zu entkräften.

Mit dem Machtwechsel im Aufsichtsrat rückt nun ein langjähriger Gefährte von Wirecard-Vorstandschef Markus Braun bei der Steuerung des wachstumsstarken Konzerns in die zweite Reihe.

Am Montag stieg der Kurs der Wirecard-Aktie am Morgen um knapp drei Prozent. Ein Händler sagte, Eichelmann dürfte Braun als Aufsichtsratschef mehr Paroli bieten. Matthias' Beziehung zu Braun sei von einigen Investoren als zu eng angesehen worden, schrieb Analyst Wolfgang Specht vom Bankhaus Lampe. Eichelmann sei Experte für Buchführung und Prüfung. Der 1965 geborene Manager war in früheren Funktionen unter anderem Finanzchef der Deutschen Börse während der Finanzkrise vor rund zehn Jahren. Zuletzt hatte er den Vermögensverwalter Aton geleitet.

Wirecard steht unter Druck

Derzeit notiert die Wirecard-Aktie bei gut 113 Euro - weit entfernt vom Rekordhoch aus dem September 2018 zur Zeit des Dax-Aufstiegs bei 199 Euro. Im vergangenen Jahr war das Papier mit einem Minus von knapp einem Fünftel klarer Verlierer im deutschen Leitindex. In den Jahren zuvor hatte das Wachstum der Branche und des Konzerns den Kurs aber stark nach oben getrieben. Noch Ende 2016 pendelte er um die 40 Euro. Mit einem Börsenwert von rund 14 Milliarden Euro ist Wirecard rund 2 Milliarden weniger wert als das größte deutsche Geldhaus, die Deutsche Bank.

Wirecard steht seit geraumer Zeit unter Beschuss. Vor allem die britische "Financial Times" ("FT") veröffentlicht rund um das Unternehmen aus Aschheim bei München seit Längerem kritische Berichte. Vor einem knappen Jahr sorgte ein Artikel zu Unregelmäßigkeiten und möglichen Scheinbuchungen in Singapur dafür, dass der Aktienkurs binnen gut einer Woche um fast die Hälfte abstürzte. Wirecard musste nach der Prüfung durch eine beauftragte Anwaltskanzlei kleinere Buchungsfehler wegen "Qualitätsmängeln" einräumen, sah sich aber vom Vorwurf systematischer Falschbuchungen entlastet.

Wirecard geht rechtlich gegen die Financial Times vor

Dennoch könnten sich in Singapur Mitarbeiter strafbar gemacht haben, die Behörden im Land ermitteln noch. In Deutschland gehen die Staatsanwaltschaft München und die Finanzaufsicht Bafin dem Verdacht nach, dass Wirecard einer von Spekulanten orchestrierten Aktion zum Opfer gefallen sein könnte, mit der sogenannte Leerverkäufer an sinkenden Aktienkursen verdienen wollen - wie es auch schon in der Vergangenheit der Fall war. Nach Ansicht des Unternehmens könnten Verantwortliche der "FT" mit Shortsellern unter einer Decke stecken, Wirecard geht rechtlich gegen die Zeitung vor. Diese wiederum sieht sich nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen von diesem Vorwurf entlastet.

Nach neuerlichen Vorwürfen in der britischen Wirtschaftszeitung zu angeblichen Scheinbuchungen bei Töchtern in Dubai und Irland hatte Wirecard die Sonderprüfung der Bilanzen eingeleitet. Laut Finanzchef Alexander von Knoop dauert die Sonderprüfung bis voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2020. Danach sollen die Ergebnisse in einem Bericht veröffentlicht werden. (dpa/rs)