Interview mit Staatssekretär Harald Lemke

Wirtschaft versteht nichts von Verwaltungs-IT

24.09.2007 von Johannes Klostermeier
Harald Lemke hat sich einen Namen als hessischer Landes-CIO gemacht. Mittlerweile werden dem Staatssekretär im hessischen Finanzministerium auch gute Chancen auf den Titel des Bundes-CIO eingeräumt. In einem Interview mit CIO.de äußerte sich Lemke zu Themen wie Public Private Partnership (PPP).

LKW-Maut und Herkules sind die spektakulärsten Fälle von PPP in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland. Wie beurteilen Sie diese Form der Zusammenarbeit zwischen Staat und privaten Unternehmen? Überwiegen hier Ihrer Meinung nach die Chancen oder die Risiken (PPP="Pleiten, Pech und Pannen")?

Wenn wir schon bei Buchstabenspielen sind: PPP könnte auch auf "progressiv, professionell und profitabel" passen. In Wirklichkeit geht es doch darum, dass private Unternehmen mit Aufgaben der öffentlichen Hand beliehen werden und diese Aufgaben dann in eigener Verantwortung unter vorher definierten Rahmenbedingungen durchführen.

Bisher hat man PPP meist auf Infrastrukturprojekte beschränkt, aber auch im Bereich der Informationstechnik könnte ich mir eine Reihe chancenreicher PPP-Projekte vorstellen. Herkules hat hier eine politisch wichtige Vorreiterfunktion: Wenn es zur Zufriedenheit aller Beteiligten klappt, würde das eine Signalwirkung haben. Umgekehrt allerdings auch. Und was die Pannen angeht: Wenn ein PPP-Projekt schief läuft, ist noch lange nicht bewiesen, dass der Staat das dann besser gemacht hätte. Ich bin zum Beispiel gespannt, ob Galileo unter staatlicher Regie jetzt zum Fliegen kommt. Die Komplexität unserer Projekte ist und bleibt das größte Risiko, nicht die Rechtsform.

Welche Beispiele aus Ihrer Nähe würden Sie als erfolgreiche Beispiele für PPPs nennen, und was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen des Erfolgs?

Die LKW-Maut ist für mich ein Erfolgsprojekt. Immerhin läuft es heute und die medienwirksamen Startprobleme sind für mich als Außenstehender eher eine Frage unrealistischer Erwartungshaltungen gewesen. Ich glaube nicht, dass wir so ein Projekt in der Verwaltung geschafft hätten. Im kleineren Maßstab sehe ich die Auslagerung der Informationstechnik in der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Vor welchen Fallstricken würden Sie die Beteiligten von Public Private Partnerships warnen?

Unrealistische Erwartungshaltungen hinsichtlich Zeit, Kosten und Profit sowie Unterschätzung der organisatorischen, fachlichen und rechtlichen Komplexität.

Gibt es Projekte in Ihrem Verantwortungsbereich, die sich für PPPs besonders anbieten?

Ich sehe im Bereich staatlicher Informationstechnik in Zukunft besondere Chancen für PPP, weil wir als Staat in wirtschaftlich prosperierenden Regionen nicht mehr in der Lage sein werden, das erforderliche IT-Personal zu rekrutieren. Demografische Entwicklung und allgemeiner Fachkräftemangel verstärken diesen Trend. Vor diesem Hintergrund werden wir uns andere Betriebsformen überlegen müssen.

Siemens, beteiligt an Herkules, verweist auf eine viel größere Anzahl an PPPs in anderen Ländern wie etwa in Großbritannien und wünscht sich - wie andere Firmen auch -, eine schnelle Steigerung derartiger Projekte. Können Sie den Unternehmen Hoffnung machen?

Ja, siehe meine Vorbemerkungen. Was die Geschwindigkeit des Prozesses angeht, leiste ich mir allerdings keine Prognose. Das hängt davon ab, wie lange es noch dauert, bis die IT-Strategie in Deutschland als politische Aufgabe begriffen wird.

Was müsste sich in Deutschland ändern, damit es mehr öffentlich-private Partnerschaften geben würde?

Wir brauchen eine vertikale Segmentierung der IT: Heute macht jedes Rechenzentrum alles, was dazu führt, dass die "hoheitlichen" Systeme von Polizei, Steuerverwaltung und Justiz eng mit unseren allgemeinen Querschnittsystemen wie Rechnungswesen, Personalverwaltung usw. verbunden sind. Eine Spezialisierung der Rechenzentren in Kompetenzzentren würde die Möglichkeit eröffnen, einzelne fachliche und technische Segmente der IT durch Private erbringen zu lassen, wenn dadurch keine hoheitlichen Aufgaben tangiert werden.

Eignen sich Ihrer Meinung nach IT-Projekte besonders gut für PPPs? Oder kann es gerade bei IT-Großprojekten - etwa wegen "kultureller Differenzen" - eher zu Problemen zwischen der öffentlichen Hand und den privaten Partnern kommen?

Hier sprechen Sie ein Problem an, das nicht nur auf PPP, sondern auf jedes große IT-Projekt zutrifft: Die kulturelle Differenz zwischen Privatwirtschaft und Verwaltung, die kein Bauchgefühl, sondern teilweise eine erschreckende Unkenntnis der Wirtschaft über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Verwaltungsinformatik widerspiegelt. Aus dieser Unkenntnis heraus entstehen immer wieder Fehleinschätzungen hinsichtlich der Anforderungen und Möglichkeiten der öffentlichen Verwaltung.