Workflows

Wissensfluss macht produktiver

29.10.2014 von Wolfgang Miedl und Silvia Hänig
Seit Jahren bieten IT-Unternehmen vernetzte Arbeitskonzepte für den digitalen Workflow. Doch die Produktivitätsverbesserungen halten sich in Grenzen.

Die Erklärung ist einfach: Unternehmen verstehen nicht, wie ihre Beschäftigten arbeiten. Vernetztes Arbeiten, in der aktuellen Fachsprache gerne als Social Collaboration oder Social Business betitelt, ist in aller Munde. Unternehmen versprechen sich von Social Software eine bessere Zusammenarbeit und einen reibungslosen Wissenstransfer ihrer Mitarbeiter über mehrere Standorte hinweg. Teams und Kunden sollen sich leichter zusammenfinden, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Das erklärte Ziel lautet, durch klugen Austausch die Produktivität zu fördern. Problem nur: Viele ITler verstehen zu wenig von der tatsächlichen Arbeit.

Wissen zu teilen, ist keine Frage der Technik, sondern des Klimas im Unternehmen.
Foto: Sergey Niven, Fotolia.com

Mit einer Social-Media-Plattform allein lässt sich noch keine gelungene Teamarbeit aus dem Hut zaubern. Entscheidend ist es, die Informations- und Wissensvermittlung im Unternehmen zu sehen und zu verstehen. Sie ist das Zünglein an der Waage, damit sich Produktivität durch einen vernetzten Arbeitsstil überhaupt entwickeln kann.

Kann IT Kommunikation abbilden?

Einige Experten sind sogar der Meinung, dass sich das, was in Firmen kommunikativ abläuft, überhaupt nicht in IT abbilden lässt. Einer von ihnen ist Ulrich Klotz, Informatiker und Arbeitswissenschaftler, ehemals beim IG-Metall-Vorstand tätig: "Die meisten Informationssysteme beruhen auf formellen Arbeitsabläufen, nicht aber auf den informellen Verfahren, die zur Erledigung der Arbeit notwendig sind. Damit verschlechtern sie oft die Situation, statt sie zu verbessern."

Ein hartes Urteil, für das es Gründe gibt: In den 90er Jahren diskutierte man in diesem Zusammenhang das Produktivitätsparadox. Immer wieder stellte man fest, dass viele Menschen ganz anders arbeiten, als Planer und Programmierer dachten. Das Grundproblem, dass viele ITler zu wenig von der tatsächlichen Arbeit verstehen, existiert auch heute noch. "Deren Vorstellungen und Modelle sind oft ziemlich naiv", so das kritische Fazit von Klotz.

Social-Business-Plattformen im Vergleich
Social-Business-Plattformen im Vergleich
Wenn Teams Projekte gemeinsam bearbeiten, können Social-Business-Plattformen eine sinnvolle Lösung sein. Mit ihrer Hilfe kann die Kommunikation konstant und übersichtlich gestaltet werden, insbesondere dann, wenn die Beteiligten über mehrere Standorte verteilt sind. Allerdings passt nicht jede Software zu jedem Team. Der folgende Vergleich gibt einen Angebotsüberblick.
SharePoint Online (Office 365)
"SharePoint Online" ist eine Lösung des amerikanischen Anbieters Microsoft, die den Fokus auf die gemeinsame Bearbeitung von Inhalten legt.

Produkt: SharePoint <br> SaaS-Version: SharePoint Online <br> Preisstruktur: P1: 2,50 € je Nutzer/Monat P2: 5,70 € je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: /
xelos.net team
Entwickelt von der Blueend Web:Applications AG aus Wiesbaden, deckt "xelos.net team" viele Einsatzszenarien insbesondere für kleine bis mittelständische Unternehmen ab.

Produkt: xelos.net <br> SaaS-Version: xelos.net team <br> Preisstruktur: 8,32 € je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: 5 Nutzer <br> max. Nutzer: 50 Nutzer
Jive Essentials
Der US-amerikanische Hersteller Jive Software legt den Schwerpunkt seiner Lösungen auf die Ablage und Verwaltung von Inhalten beziehungsweise Dokumenten mit sozialen Aspekten.
JiveScreenshot-Profiles
Produkt: Jive <br> SaaS-Version: Jive Essentials <br> Preisstruktur: 12 $ je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: 25 Nutzer, Jahresvertrag erforderlich <br> max. Nutzer: /
Podio Teams
Podio ist ein Angebot des US-amerikanischen Unternehmens Citrix, das vor allem die Arbeit mit strukturierten Informationen erleichtern soll.

Produkt: Podio <br> SaaS-Version: Podio Teams <br> Preisstruktur: 9 $ je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: /
Bitrix24 Standard
Bitrix ist ein 1998 gegründetes Unternehmen mit Hauptsitz in Kaliningrad, Russland. Die Lösung fokussiert sich stark auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen.

Produkt: Bitrix24 <br> SaaS-Version: Bitrix24 Standard <br> Preisstruktur: 99 €/Monat bis 199€/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: unbegrenzt

Produkt: Yammer <br> SaaS-Version: Yammer Enterprise <br> Preisstruktur: 3 $ je Nutzer/Monat <br> Mindestnutzer: / <br> max. Nutzer: /

Was zählt, ist die Tätigkeit

Dass allzu formell angelegte Arbeitsabläufe wenig Wissenstransfer unterstützen, merken viele Firmen spätes-tens dann, wenn die Mitarbeiter auf externe Cloud-Tools wie Dropbox ausweichen: "Mitarbeiter, die von der IT ein zu starres Korsett aus Prozessen und Aufgabenlisten angelegt bekommen, können darin nicht mehr produktiv sein. Da sie ihre Arbeit selbstbestimmt organisieren möchten, suchen sie sich Wege, über die das gelingen kann. Für sie zählt das, was sie leisten, nicht der Ablauf, dem sie gerecht werden müssen", meint Helmut Heptner, Geschäftsführer des Softwareunternehmens Comindware, das über adaptives, flexibles Workflow-Management neue Wege der Arbeitsunterstützung einschlägt.

Wissen ist Macht

"Die Technik kann beispielsweise abbilden, wie in Prozessabläufen formal gearbeitet wird. Wenn man aber genau hinschaut, stellt man schnell fest, dass die Mitarbeiter gar nicht nach diesen formalen Regeln arbeiten. Manche Firmen existieren doch nur noch, weil es Mitarbeiter gibt, die sich nicht immer an Vorschriften und formale Regeln halten", stichelt Arbeitswissenschaftler Klotz.

Diese Aktivitäten jenseits der formalen Regeln zu berücksichtigen und für die Produktivität nutzbar zu machen - genau darin setzten viele Softwareanbieter seit den Anfängen des Web 2.0 große Hoffnungen. Blogs, Communities, die gesamte Klaviatur der sozialen Vernetzung soll das bisher unstrukturierte Wissen aus allen Ecken des Unternehmens einfangen und in den Geschäftsprozessen bereitstellen. So der Plan. Doch in der Realität gehen kollaborative IT-Lösungen und Produktivitätssteigerung durch besseren Wissenstransfer einfach nicht zusammen. Weil sich mit dem Einsatz von Technologie nicht automatisch Wissensarbeit einstellt, wie Klotz betont: "Die IT-basierte Kommunikation scheiterte bisher oft, weil IT-Fachleute leichtgläubig annehmen, dass Wissen wie Wasser sei. Man müsse nur die richtigen Kanäle bauen, damit es überall hinfließen kann." Tatsächlich sei aber das Gegenteil der Fall: "In den meisten Unternehmen wird Wissen nicht bereitwillig weitergegeben, denn sie haben nach wie vor Strukturen, in denen gilt: Wissen ist Macht."

Mit einem Mix aus klassischen Top-down-Strukturen und neuen kollaborativen IT-Konzepten kommt man also in puncto mehr Produktivität durch echten Wissenstransfer nicht vom Fleck. "Wissensarbeiter brauchen eine ganz neue Art der Prozessunterstützung. Die IT kann dabei von zu viel Routine entlasten und für eine hohe Vernetzung sorgen", so Heptner.

Alles andere ist eine Frage der Unternehmenskultur. Arbeiten hier alle Beteiligten über Social Software auf Augenhöhe miteinander und missbrauchen die Technologie nicht für Herrschaftswissen, fließt Wissen richtig und gibt neuen Ideen viel bessere Chancen.

"Solange die Informationstechnik auf ungeeigneten Strukturen aufsetzt, bleibt innovationsfördernder und wertschöpfender Wissensaustausch eine Illusion, und die Unternehmen gehen früher oder später an den Verhaltensweisen zugrunde, die durch die IT nur verstärkt wurden", warnt Klotz.

Verkrustete Software-Landschaften

Während Experten für Wissensarbeit die Ursachen für die Produktivitätshemmnisse vor allem in falsch gesetzten Prioritäten und ungeeigneten Unternehmenskulturen sehen, orten Spezialisten für Business-IT-Systeme die Probleme an anderen Stellen. So seien auch verkrustete Softwarelandschaften daran schuld, dass sich bisher keine produktiveren Formen der Zusammenarbeit etablieren konnten, sagt Andreas Stiehler vom Analystenhaus PAC: "Mit omnipräsenten ERP-Anwendungen auf der einen und etablierten Kommunikationsplattformen auf der anderen Seite haben sich Unternehmen große Inseln aufgebaut, die nicht die Bedürfnisse für moderne Wissensarbeit befriedigen konnten."

ERP in der Praxis 2014
ERP-Zufriedenheitsstudie
Grundsätzlich sind die Anwender mit ihren ERP-Systemen zufrieden. Das hat die aktuelle Umfrage von Trovarit zur ERP-Zufriedenheit gezeigt. Allerdings gibt es an so manchen Stellen durchaus noch Luft nach oben, zum Beispiel im mobilen Einsatz der Systeme.
Zufriedenheitsaspekte und deren Beeinflussbarkeit
Erfahrungen mit dem ERP-Einsatz zeigen Licht und Schatten
Zufriedenheitsaspekte und deren Beeinflussbarkeit (Trend 2012/2014)
Aspekte der Anwenderzufriedenheit 2014/2015
Systeme im Zufriedenheitsportfolio „Zufriedenheit insgesamt“ (i.A.d. Kundenbasis)
Gewinner und Verlierer – ERP-Anwenderzufriedenheit 2014/2015
Trend „Anwenderzufriedenheit insgesamt“ (Vergleich 2012/2014 (i.A.d. Kundenbasis)
Gewinne & Verluste – Veränderungen der ERP-Anwenderzufriedenheit 2014/2015
Nutzen von ERP-Systemen
Nutzen von ERP-Systemen aus Anwendersicht
Hauptprobleme während der Systemeinführung
Probleme bei der ERP-Einführung
Die dringlichsten Probleme im ERP-Betrieb aus Sicht der Anwender
Probleme im ERP-Betrieb aus Anwendersicht
Anforderungen für die Auswahl einer ERP-Lösung
Ausschlaggebende Gründe für die Auswahl der eingesetzten ERP-Lösung

Klassische Geschäftsanwendungen sind für spezielle Aufgaben wie Warenwirtschaft, Unternehmensplanung oder Lieferketten-Management ausgelegt. Was ihnen jedoch fehlt, sind Möglichkeiten zur Verknüpfung formaler Prozessschritte mit informellen Aufgaben.

Lange setzten die IT-Anbieter auf herkömmliche Methoden des Business-Process-Managements (BPM), um Sachbearbeitern und Knowledge-Workern einen strukturierten Ablaufrahmen für die Bearbeitung von Geschäftsprozessen außerhalb der monolithischen ERP-Systeme zu liefern. Doch bei komplexen Prozessen mit großem Kommunikationsanteil und nicht vorhersehbaren Arbeitsschritten kamen auch solche Metaapplikationen mit ihrer starren Formularorientierung schnell an ihre Grenzen. Neue Impulse gab hier der Social-Collaboration-Boom der letzten Jahre, der inzwischen ganz neue Produktentwicklungen im Geschäftsprozess- und Aufgaben-Management anzustoßen vermochte. So existieren insbesondere im Prozess-Management ganzheitliche Lösungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine zusätzliche Integrationsschicht über die etablierten Prozessschichten legen. Laut Stiehler (PAC) geschieht dies üblicherweise in Form einer Portalplattform, die sich in aller Regel aus folgenden drei Ebenen zusammensetzt:

Mit der Entwicklung derartiger Softwareplattformen gewinnt Wissensarbeit weiter an Bedeutung, gibt sich Comindware-Chef Heptner überzeugt: "Früher galt Wissensarbeit als unstrukturiert, schwer steuerbar und ihr Beitrag für das Business als schwer greifbar. Die heutigen Tools machen auch kommunikations- und wissens-lastige Prozesse handhabbar und messbar. Sie bilden daher für den Erfolg wissensorientierter Geschäftsmodelle ein zentrales Werkzeug."

Tools für Wissens-Management
Ein "klassischer" Zettelkasten auf dem Desktop
Mit der auf Java basierenden Software "Zkn3" steht eine Lösung zur Verfügung, die den Aufbau von Literatur- und Textsammlungen ermöglicht.
Unabhängigkeit von der Plattform durch Java
"Zkn3" kann problemlos auch auf Mac OS X zum Einsatz kommen.
Nicht unbedingt WYSIWYG
Aber nach der Eingabe der Daten als reiner Text werden diese dann auch entsprechend der Auszeichnung auf dem Bildschirm dargestellt.
Ein Zettelkasten mit vielen Möglichkeiten
Bei der freien Software "Synapsen" kann der Anwender schon bei der Installation die entsprechende Unterstützung für seine Textverarbeitung installieren.
Der "Synapsen"-Zettelkasten im Einsatz
Die Oberfläche der Software ist nicht mehr ganz auf dem Stand moderner GUIs, wie man sie heute in der Regel auf den Windows-Systemen findet.
Auch hier ist es möglich, über Plattformen hinweg zu arbeiten
"Synapsen" arbeitet dank Java ebenfalls problemlos mit Mac OS X zusammen.
Notizzettel, die überall zur Verfügung stehen
Diese Idee steckt hinter "Evernote und wird durch die Verfügbarkeit auf vielen Systemen und mit Hilfe der Abspeicherung im Web ermöglicht.
Wichtiger Vorgang, wenn das Wissen "up to date" bleiben soll
Evernote muss synchronisieren, damit sich die Daten auf einem einheitlichen Stand befinden.
Die Notizen und anderen Daten stehen auch mobil zur Verfügung
Die freie App von Evernote ermöglicht den Zugriff von Android, iOS und Windows Phone 7 auf das gesammelte Wissen.
Auch Microsoft hat ein gutes Tool für das Wissensmanagement im Angebot
OneNote gehört ebenfalls zur Office-Familie, ist aber vielen Anwendern nicht so geläufig wie Microsoft Word oder Excel.
OneNote kann auch Online und in der Cloud zum Einsatz kommen
Dazu braucht es aber kein Office 365, da eine OneNote WebApp auch für Microsofts Onedrive zur Verfügung steht).
OneNote im mobilen Zugriff
Nachdem es zunächst nur eine App für iOS und Windows Phone gab, stellt Microsoft auch Android-App zur Verfügung, die regelmäßig Updates erfährt.
Zu Beginn sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig
Die freie Software Freemind bietet dem Anwender alle Möglichkeiten des Mindmappings, verlangt aber eine gewisse Einarbeitungszeit
Die in der Basisversion kostenfreie Software von Mindmeister
Sie ermöglicht die Arbeit mit Mindmaps in der Cloud und erlaubt auch das Teilen der Mindmaps mit Kollegen auf diesem Weg.
So ist ein Arbeiten bei jeder Gelegenheit möglich
Die MindMeister-Software wird auch als App für Android oder iOS angeboten und kann dann auf die gleichen Dateien zugreifen, die von der Online- oder Desktop-Version der Software erstellt wurden.
Schnell, klein und einfach
Mit der Wiki-Software Notebook2 können Anwender problemlos eigene Wikis auch auf USB-Sticks anlegen und verwenden.
Einfaches Editieren mit wenig Besonderheiten
Das Prinzip der einfachen Verwaltung "virtueller Zettel", die dann verknüpft sind, wird bei Notebook2 sehr konsequent umgesetzt.
Wiki-Prinzip mit ganz moderner Oberfläche
Die Software lexiCan4 wurde mit dem aktuellen Ribbon-Konzept der Office-Anwendungen ausgestattet und sollte so für die meisten Anwender leicht zu bedienen sein.
Ein neues Wissensgebiet ist schnell angelegt
Wer mit Word umgehen kann und schon mal ein Wiki gesehen hat, wird in der Regel auch mit lexiCan4 schnell eigene Wissensgebiete anlegen und entsprechend gliedern können.

BPM-Alternativen: Prozess-Management in der Ära der Wissensarbeit

Viele Unternehmen setzten bei der Optimierung von Geschäftsprozessen auf klassisches Business-Process- Management (BPM). Derartige Tools verlieren aber an Bedeutung in einer sich wandelnden Arbeitswelt, in der Produktionsarbeitsplätze weniger werden und Wissensarbeit zunimmt. An ihre Stelle treten agilere Workflow-und Prozessplattformen, die Forrester Analyst Craig Le Clair wie folgt charakterisiert: