Capgemini Consulting und MIT

Woran IT-Transformation noch scheitert

15.12.2011 von Thomas Pelkmann
Die Digitalisierung in globalen Unternehmen bleibt hinter den Anforderungen zurück. So lautet das Ergebnis von Capgemini Consulting und dem MIT Center for Digital Business.
Digitale Transformation ist in den meisten Unternehmen noch nicht als strategischer Umgang mit Technologien etabliert, hat eine Studie von Capgemini und dem MIT herausgefunden.
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Es mag eine Zeit gegeben haben, in der nicht danach gefragt wurde, welchen Nutzen, gar: welchen Mehrwert Computer bringen können. Es wurde angeschafft. Im Sinne einer "Digital Transformation" war das nicht, denn dieser Begriff meint den Einsatz von Technik, "um die Performance oder die Reichweite von Unternehmen drastisch zu erhöhen", wie Capgemini Consulting es definiert. "Statt neue Technologien nur zu implementieren, geht es hierbei um Transformierung und Weiterentwicklung der Betriebsprozesse, des Kundenerlebnisses und der Geschäftsmodelle."

Um den Stand der digitalen Transformation zu ermitteln - immerhin geistert der Begriff mindestens schon acht bis zehn Jahre durch Fachdiskussionen - hat Capgemini Consulting zusammen mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) Center for Digital Business eine Studie erstellt. Für die Studie wurden über einen Zeitraum von drei Jahren 157 Führungskräfte von 50 Großunternehmen in 15 Ländern befragt.

Das wichtigste Ergebnis: Die digitale Transformation ist noch nicht etabliert: Nur rund ein Drittel der befragten Unternehmen bezeichnet sich selber als erfolgreich bei dem Versuch, ihr Geschäft durch digitale Technologien zu transformieren. Das wundert nicht angesichts der durchschnittlichen Bewertung der eigenen Innovationskraft: 4,2 auf einer Skala von 1 ("sehr gering") bis 7 ("sehr hoch"). Auch wenn einzelne Befragte sich bei dieser Frage wesentlich höher einstuften: Kein einziger hatte das Gefühl, dass die Innovationskultur seines Unternehmens so ist, wie sie sein sollte.

An mangelnden Anforderungen kann das nicht liegen: Immerhin spüren 70 Prozent der Unternehmensführer den Druck durch Wettbewerber und Kunden, die digitale Transformation voranzutreiben. Ein Drittel fühlt sich auch von den eigenen Mitarbeitern zur Transformation getrieben.

Ungeachtet dieses Drucks von innen und außen, heißt es in der Studie, schöpfen nur "sehr wenige" Firmen die Möglichkeiten aus, den Wandel durch Technik zu unterstützen. Stattdessen geben die Unternehmen Unsummen für neue CRM- oder ERP-Lösungen aus, um am Ende doch nur "auf dem untersten Level" von diesen Investitionen zu profitieren. Im Umkehrschluss heißt das: Es wäre mehr drin, wenn die Firmen die Möglichkeiten der neuen Technologien besser nutzen und etwa ihre Prozesse an die Technik anpassen würden.

So bieten moderne ERP-Systeme beispielsweise sehr viel bessere Finanzdaten für strategische Entscheidungen als früher und könnten dazu genutzt werden, mit Lieferanten über bessere Preise zu verhandeln. Dem Handel würden - ein anderes Beispiel - mittlerweile reichlich Informationen über das Kaufverhalten ihrer Kunden vorliegen, aber es fehlt ihnen an den nötigen Analysefähigkeiten, um die Macht dieser Daten zu verstehen und zu nutzen.

Unternehmen, die auf moderne Technik setzen, seien auf dem richtigen Weg, und damit anderen Firmen weit voraus, beschwichtigen Capgemini und MIT. Aber auch die Fortgeschrittenen hätten bislang eben nur eine Etappe zurückgelegt.

Transformation nur über Top-Down-Ansatz

Untersuchungen der Methoden, mit denen Unternehmen an die digitale Transformation herangehen, zeigen: Unternehmen benötigen einen Top-Down-Ansatz. Der Grund ist einfach: Die Transformation erstreckt sich über verschiedene Abteilungen und Strukturen und erfordert daher eine "übergeordnete Sicht", wie es in dem Bericht heißt, ist also "Chefsache". Nicht erwähnt wird, dass dieser Umbau durchaus auch Aufgabe des CIOs sein kann, denn er besitzt ebenfalls eine abteilungsübergreifende Sicht auf die Dinge.

Dieser Schluss drängt sich angesichts eines weiteren Einzelergebnisses tatsächlich noch mehr auf: Die größte Hürde bei der Umsetzung ist demnach für mehr als drei Viertel der Befragten das fehlende Know-how auf Führungsebene oder bei den Mitarbeitern. Mehr als die Hälfte hält zudem die Unternehmenskultur für hinderlich, weil sie Veränderungen gegenüber nicht offen ist. Allerdings: Auch die IT gilt weiteren 50 Prozent der Befragten als interner Bremser, weil sie "komplex und ineffizient" sein kann.

Diesem Urteil zum Trotz funktioniert auch der Umkehrschluss: Ohne IT, da sind sich alle einig, funktioniert die digitale Transformation sicher nicht. Denn das Fundament des Umbaus ist "eine digitale Plattform mit integrierten Daten und Prozessen". Silos mit eigenen Systemen, Datendefinitionen und Prozessen, heißt es im selben Atemzug, "erschweren eine gemeinsame, geteilte Perspektive, über die Optimierungen möglich sind."

Methoden noch auf Altsysteme abgestimmt

Die meisten IT-Abteilungen, auch das ergab die Umfrage, verfügen über "solide Methoden der Lösungsbereitstellung". Allerdings seien diese Methoden eher auf spezifische Bedürfnisse und auf ältere Systeme abgestimmt, als auf aufkommende digitale Technologien. Sichtbar werden solche Probleme beispielsweise beim holprigen Umgang mit privaten Geräten oder mit sozialen Netzwerken. "Social Media und mobile Plattformen", so der logische Schluss, "sollten für die digitale Transformation berücksichtigt werden".

Über die IT-Abteilung hinaus geht die Anforderung an fortgeschrittene Analysefähigkeiten eines Unternehmens. Gemeinsam mit integrierten Daten könnte das einen echten Wettbewerbsvorteil bieten, argumentieren Capgemini und MIT. Neben Investitionen in die Infrastruktur erfordere dieser Change aber vor allem Veränderungen bei dem Know-how der Mitarbeiter und in der Unternehmenskultur.

Aufgrund der Bedeutung der digitalen Transformation und der übergreifenden Aufgabenstellung "müssen Technik- und Geschäftsebene zusammenarbeiten", fordern die Autoren der Studie.

Wer sich in die Diskussion um die digitale Transformation einordnen möchte, sollte folgende Übersicht studieren:

4 Entwicklungsstufen der digitalen Transformation

Digital Beginners haben einen niedrigen Grad an Digitalisierung und zudem geringe Ambitionen, in digitale Technologien zu investieren. E-Mail, ERP-System und Internet reicht diesen Anfängern aus.

Digital Fashionistas gehen operativ an die Transformation heran: sie implementieren verschiedene digitale Tools, ohne dass daraus ein echter Mehrwert erkennbar wird. Eine Strategie hinter der Transformation fehlt.

Digital Conservatives haben die Bedeutung des Wandels "und einer klaren, vereinenden Vision erkannt, sind aber in der Umsetzung gebremst". Wer bremst, verrät die Studie nicht, urteilt aber: "Das vorsichtige Herantasten kann dazu führen, dass sie hinter den Wettbewerb zurückfallen."

Digiratis schließlich verstehen den Wert der Transformation und bieten neben einer Vision und einer konstruktiven Führung auch das nötige Investment in neue Bereiche auf. "Diese Unternehmen haben eine digitale Kultur entwickelt, die ihnen auch zukünftige Veränderungen erleichtern wird und ihnen einen Wettbewerbsvorsprung verpasst."

Link zur Studie "Digital Transformation: A Roadmap for Billion-Dollar Organizations".