Die 10 wichtigsten Stressfaktoren

Worunter IT-Mitarbeiter leiden

04.11.2010 von Christiane Pütter
ITler haben oft Beschwerden an Muskulatur und Skelett sowie psychische Probleme. Nur eine Minderheit glaubt, bis zum Alter von 65 Jahren durchzuhalten.
Wie lange feste und freie IT-Mitarbeiter meinen, ihren Job noch durchzuhalten (Studie der TU Dortmund).

Wer in der IT arbeitet, hat es gut. Dieses Bild vermitteln die offiziellen Statistiken der Krankenkassen. Demnach kommen Beschäftigte der IT-Branche auf 6,6 Arbeitsunfähigkeitstage pro Jahr - wenig im Vergleich mit anderen Sparten. Die Technische Universität (TU) Dortmund hält das für "ein Phänomen des Präsentismus". ITler tauchen in den Krankenkassenstatistiken nicht auf, da sie auch dann weiter arbeiten, wenn es ihnen nicht gut geht, so die Wissenschaftler.

Psychologin und Arbeitswissenschaftlerin Dagmar Siebecke, TU Dortmund, erforscht Möglichkeiten der Stress-Prävention.

Sie wollten es genauer wissen und haben eine eigene Studie unter 344 Beschäftigten der IT- und Medienbranche - Freelancer und Angestellte - durchgeführt. Grund: Die Erfahrungen, die den Wissenschaftlern mitgeteilt wurden, zeichnen ein anderes Bild als die Krankenkassenstatistiken. Diese Diskrepanz hat sich in der Studie bestätigt. Dazu ein paar Zahlen:

Muskel- und Skelettbeschwerden sowie psychische Probleme: Die Studienteilnehmer beklagen Muskel- und Skelettbeschwerden sowie psychische Probleme, wobei die Nennungen von Freelancern höher liegen. 65 Prozent der Freiberufler führen Muskel-/Skelettbeschwerden an, bei den abhängig Beschäftigten sind es 41 Prozent. Bei den psychischen Problemen ist die Diskrepanz mit 51 Prozent (Freiberufler) und 41 Prozent (abhängig Beschäftigte) weniger stark.

Verdauungsbeschwerden: Probleme mit der Verdauung zeigen sich häufiger bei Angestellten als bei freien Mitarbeitern. 30 Prozent der Angestellten und 28 Prozent der Freien berichten davon.

Herz-/Kreislaufbeschwerden und Atmungssystem: 21 Prozent der Freelancer und 15 Prozent der abhängig Beschäftigten beklagen Herz-/Kreislaufprobleme. 18 Prozent der Freiberufler und zwölf Prozent der Angestellten geben Beschwerden mit dem Atmungssystem zu Protokoll.

Schmerzpunkt Nummer Eins, die Probleme mit Muskulatur und Skelett, führen die Forscher zunächst einmal auf sitzende Tätigkeiten zurück. Das gilt zumal, wenn der Arbeitsplatz ergonomische Mängel aufweist. Dass Freelancer diese Klage soviel häufiger äußern, liegt aber auch "zu einem nicht unerheblichen Maße" an Stress, so die Studienautoren.

Die häufigsten Stressfaktoren

Folge des Ganzen: Nur drei von zehn Freiberuflern der IT- und Medienbranche sowie nur rund vier von zehn (41 Prozent) abhängig Beschäftigten trauen sich selbst zu, bis zum Alter von 65 Jahren durchzuhalten. 14 Prozent der Freien und zehn Prozent der Angestellten glauben, dass sie nicht einmal bis 50 mithalten.

Als die zehn wichtigsten Stressfaktoren gelten folgende:

1. Schlecht zu bewältigende Aufgaben,

2. sinnlose Aufgaben und das Gefühl, der Einsatz lohne sich nicht,

3. kaum Wertschätzung durch Vorgesetzte und/oder Kunden,

4. nicht nachvollziehbar strukturierte Aufgaben,

5. Ergebnisdruck,

6. geringe Austauschmöglichkeiten mit Kollegen,

7. unangemessene Vergütung,

8. keine regelmäßigen Pausen,

9. Zeitdruck sowie

10. keine zeitliche Trennung zwischen Arbeit und Privatleben.

Die TU Dortmund wollte wissen, wie sich Stress und psychische Probleme äußern. Die Befragten sprechen vor allem von negativen Emotionen wie Angst und Erschöpfung. Sie hätten das Gefühl, sich nicht mehr erholen zu können.

Obwohl Freelancer die abgefragten Gesundheitsprobleme (bis auf Verdauungsbeschwerden) häufiger ankreuzen als abhängig Beschäftigte, stehen sie nicht unbedingt schlechter da. Sie fühlen sich zum Beispiel freier und erhalten manchmal mehr Wertschätzung für ihre Arbeit als Angestellte. Klagen über mangelnde Freiheit bei Fragen von Arbeitsorganisation und -zeit kamen öfter von Angestellten.

Andererseits fühlen sich Freie gestresster, weil sie Arbeits- und Privatleben weniger gut trennen können. Weitere Stressfaktor sind fehlender sozialer Austausch und wirtschaftliche Unsicherheit.

Stress kann aber auch gute Seiten haben. Mediziner unterscheiden zwischen dem negativen Disstress und dem positiven Eustress. So fand die TU Dortmund heraus, dass Menschen, die Spaß an der Arbeit haben und stolz auf ihre Leistung sind, Belastungen besser gewachsen sind. Das Kriterium ist hierbei die persönliche Erfüllung. Fehlt diese jedoch, steigt die Burnout-Gefahr.

Prävention erst bei Wehwehchen

Stellt sich die Frage nach der Prävention von Gesundheitsgefahren. Nach den Zahlen der Studie kümmern sich rund acht von zehn Befragten (Freelancer: 82 Prozent, Angestellte: 79 Prozent) darum. Offenbar jedoch nicht, bevor die ersten Wehwehchen auftauchen: Umfrageteilnehmer zwischen 20 und 30 Jahren zeigen sich als "Präventionsmuffel". Ab 56 tut jeder etwas für die Gesunderhaltung.

Mittel Nummer Eins ist Sport. Außerdem achten die Befragten auf ihre Ernährung. Jeder Vierte praktiziert regelmäßig Entspannungstechniken.

Was Urlaub betrifft, scheinen ITler Nachhilfe zu brauchen. Fast jeder vierte Freiberufler (23 Prozent) hat im vergangenen Jahr keinen Urlaub gemacht. Das sind jedoch weniger als bei den abhängig Beschäftigten - unter ihnen geben das 29 Prozent an. Wenn die Menschen denn wegfahren, fällt ihnen das Abschalten schwer.

Keine Ahnung wie man Urlaub macht

Das beginnt schon mit der Planung des Urlaubs. Wie Studienleiterin Dagmar Siebecke beobachtet, orientieren sich die Befragten dabei an Image- und Statusüberlegungen statt daran, was wirklich Entspannung bringt. Siebecke: "Hier ist zum Teil tatsächlich Hilflosigkeit und Unterstützungsbedarf zu diagnostizieren".

Die Studie über Belastungen, Beanspruchungen und Ressourcen in der IT-Arbeit ist Teil des Projektes "Pragdis". Pragdis steht für "Präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen" und beschäftigt sich mit Präventionsstrategien für schwer erreichbare Zielgruppen (Freelancer, Intelligent Mobile Worker und diskontinuierlich Beschäftigte), die zukünftig durch das Raster des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu fallen drohen. Im Verbund der Technischen Universität Dortmund mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Team Gesundheit GmbH werden Ansatzpunkte innovativer Prävention auf den Ebenen Individuum, Unternehmen und Netzwerke erarbeitet.

Projektleiterin Dagmar Siebecke ist Diplom-Psychologin und Diplom-Arbeitswissenschaftlerin. Pragdis wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Europäischen Union (Europäischer Sozialfonds) gefördert.

Neun Tipps gegen Stress
Treiben Sie Sport ...
... und ziehen Sie Yoga und weitere Meditationsübungen in Betracht. Diese Übungen sind die besten Mittel gegen Stress und tragen dazu bei, Stressgefühle abzubauen. Ganz abgesehen vom gesundheitlichen Nutzen dienen die Trainings auch dazu, den Stress besser zu managen.
Lernen Sie gut zu atmen
Obwohl wir natürlich seit unserer Geburt atmen, wissen die meisten von uns nicht, wie man richtig atmet. Viele atmen in einer oberflächlichen Art und Weise - besonders in stressbetonten oder unruhigen Zeiten. Tiefes Atmen durch den Bauch kann zur inneren Ruhe beitragen. Und es hilft, in unbequemen und angespannten Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Bringen Sie ihre Mitarbeiter an einen Tisch, um über jetzige schwere Zeiten zu sprechen
Wer sich die Zeit nimmt um darüber zu sprechen, wie die vielen Veränderungen und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz die einzelnen Mitarbeiter bewegen, kann die Arbeitsmoral heben. Es ist ein Fehler zu glauben, Menschen seien nicht verängstigt und besorgt und der Arbeitsplatz sei davon nicht betroffen.
Fordern Sie zu positiven, lösungs-orientierten Antworten auf
Die Zeiten sind angespannt und schwierige Veränderungen in Organisationen sind die Regel. Daher sind Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Offenheit so wichtig. Heute ist es mehr als je zuvor entscheidend, eine positive Einstellung in der Belegschaft auszulösen. Stellen Sie Fragen, die zu Lösungen ermuntern wie "Was läuft heute gut, was sind unsere Stärken, wie möchten wir, dass dieses Unternehmen aussieht?"
Seien Sie mit den Gedanken und mit dem Herzen bei der Sache.
Leute arbeiten intensiver für das, woran sie glauben und was sie zur Schaffung beigetragen haben. Das ist ein entscheidender Punkt, der während einer tiefgreifenden Umgestaltung am Arbeitsplatz geprüft werden muss. Was das mögliche Ausmaß des Arbeitsplatz-Wandels betrifft, sollten Mitarbeiter frühzeitig in die Entwicklung einbezogen werden.
Lernen Sie Ihre eigenen Gefühle zu erkennen
Bücher, Gruppen, Familie und enge Freunde sowie Trainer können wichtige Quellen sein, um sich den eigenen Gefühlen bewusster zu werden. Auch kann man dadurch leichter lernen, mit diesen Gefühlen umzugehen, um sich über sein Verhalten im Klaren zu werden. Besonders sollte man darauf achten, wie man andere Menschen anspricht.
Geben Sie als Führungskraft ein gutes Beispiel
Was man tut oder lässt, hat direkten Einfluss darauf, was Mitarbeiter glauben, was akzeptabel ist. Seien Sie ein überzeugendes Beispiel dafür, dass ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben von Bedeutung ist. Essen Sie mit anderen zu Mittag und motivieren Sie Kollegen dazu mitzukommen. Auch Spaß und Lachen am Arbeitsplatz sind erwünscht, da dies Stress reduzierende Faktoren sind.
Nehmen Sie sich Zeit für gute Nachrichten
Wer sich immer nur auf das Negative konzentriert, tut weder seiner Gesundheit noch seiner Denkweise einen Gefallen. Und seien wir ehrlich: Der Anteil an positiven und erbaulichen Geschichten in den Nachrichten fällt eindeutig spärlich aus. Es ist extrem wichtig, sich so gut wie möglich von jeglichem Trübsal abzukapseln und wieder mit Leuten Kontakt aufnehmen bzw. Dinge zu tun, die Spaß machen.
Halten Sie sich von überflüssigen Dingen frei
Konzentrieren Sie sich auf den Kern Ihrer Arbeit. Jetzt ist Zeit, mit den Mitarbeitern Prioritäten zu setzen und sich darüber Gedanken zu machen, welche Projekte einen perfekten Lösungsansatz erfordern. Nicht jedes Projekt kann an oberster Stelle stehen. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sind Brainstorming-Sitzungen wichtiger denn je.