Mobile Payment

Zahlen mit Google-Handy nicht gewünscht

19.07.2011 von Hartmut  Wiehr
Eine EHI-Studie sieht die Verbraucher langfristig auf dem Weg zum mobilen und kontaktlosen Bezahlen via Handy oder Mastercard. Doch es gibt Zweifel, wann das Wirklichkeit werden wird.

Google will noch dieses Jahr in New York und San Francisco Test-Terminals für „Google Wallet“ in Betrieb nehmen. Voraussetzung auf Kundenseite: das Nexus S 4G von Google und das Betriebssystem Android, ebenfalls von Google. Mit dabei sind ferner das Mobilfunkunternehmen Sprint, der Kreditkartenaussteller Mastercard und 15 Händler, darunter die Imbiss-Kette Subway und der Retailer American Eagle.

Das Nexus S von Google
Google Nexus S
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Google Nexus S
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In der aktuellen Studie "Zahlungssysteme im Einzelhandel“ des EHI Retail Institutes geben bereits zehn Prozent der 448 befragten deutschen Unternehmen aus 32 Branchen an, dass sie noch im Laufe des Jahres kontaktlose Bezahlsysteme einführen wollen. Ihr Ziel, so die Umfrage, ist es vor allem, die Wartezeiten an den Kassen zu verkürzen.

Voraussetzung für Google Wallet: Das Nexus S 4G mit Android-Betriebssystem.
Foto: Google

Manche Marktbeobachter sind bereits der Ansicht, die Verbraucher seien auf dem Weg, ihr Verhalten an die neuen mobilen Bezahldienste anzupassen. Beim EHI ist man da vorsichtiger: Man sieht zur Zeit lediglich eine gestiegene Akzeptanz für das Bezahlen mit Kreditkarte. Als Indiz dient das Faktum, dass 2010 deutsche Kunden Produkte im Gegenwert von 144 Milliarden Euro mit verschiedenen Karten bezahlt hätten. Gegenüber dem Vorjahr ist dies laut EHI eine Steigerung von etwa sieben Milliarden Euro: "Damit entfallen – gemessen am Einzelhandelsumsatz im engeren Sinne (exklusiv Kfz, Mineralöl, Apotheken, Versandhandel, aber inklusiv Tankstellen-Shopumsätze) – aktuell 38,4 Prozent von 375 Milliarden Euro auf Kartenzahlungen."

Rechnet man 2,9 Prozent Rechnungs- und Finanzkaufumsätze sowie 0,3 Prozent Sonstige (Gutscheine, Gutscheinkarten) hinzu, ergibt sich ein um 0,7 Prozentpunkte reduzierter Bargeldanteil von nur noch 58,4 Prozent. Vor 15 Jahren hatte dieser noch bei 76,5 Prozent gelegen.

Das EC-Lastschriftverfahren spielt weiterhin eine große Rolle. Über das PIN-gestützte Girocard-System (früher: electronic cash) werden laut EHI mittlerweile 19,9 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes beziehungsweise 51,8 Prozent des Kartenumsatzes erreicht. Mit ihrem PIN-Verfahren werde die deutsche Kreditwirtschaft dadurch nach Berechnungen des EHI den Einzelhandel durch Einnahmen aus Autorisierungsgebühren zwischen 2010 und 2012 mit insgesamt 739,2 Millionen Euro belasten.

Testumgebungen für mobiles Bezahlen noch im Anfangsstadium

"Spätestens in zwei Jahren werden vier von zehn Euro im Einzelhandel per Karte umgesetzt", gibt Horst Rüter, Mitglied der Geschäftsführung des EHI, zu bedenken. Ob daraus später einmal en Umstieg auf das Bezahlen mit Handy abzuleiten ist, müssen laut EHI die Verbraucher entscheiden.

Aber das kann dauern. Denn das Zahlen mit Karte oder mit Smartphone sind denn doch zwei sehr verschiedene Dinge. Zunächst sind nur die Kartensysteme weiter auf dem Vormarsch. Man kann davon ausgehen, dass auch in zwei Jahren das Bezahlen mit Geldscheinen und mit Münzen noch immer einen Anteil von etwa 60 Prozent haben wird. Es würde aber nicht erstaunen, wenn das bargeldlose Bezahlen langfristig auch den Übergang zum mobilen Bezahlen und Google Wallet vorbereitet.

König Kunde – und das ist wohl der Status quo im Moment – liebt nach wie vor "echtes" Geld und daneben seine Kredit- und Kundenkarten. Während das Handy noch immer weitgehend seinem eigentlichen Zweck, dem Telefonieren, dient. Sicher erfreuen sich Sonderangebote oder Gutscheine wachsender Beliebtheit, die zunehmend per SMS versandt werden. Aber zum Einlösen oder Bezahlen braucht man dafür ja nicht unbedingt sein mobiles Telefon.

Allen Testumgebungen, neuen Geräten und Anwendungen, die gegenwärtig etwas vollmundig angepriesen werden, ist gemeinsam, dass sie sich noch in einem sehr frühen Anfangsstadium befinden. Retailer sollten die Entwicklung aufmerksam beobachten, aber sich hüten, sich in aufwändige und teure Abenteuer zu stürzen. Ohne Investitionen in Lesegeräte und Applikationen wird das mobile Bezahlen nicht funktionieren. Noch dazu sind verschiedene proprietäre Systeme am Start.

Near Field Communication (NFC), ein entscheidender Baustein für Mobile Payment, gibt es übrigens schon seit zehn Jahren. Der Durchbruch auf breiter Front ist bisher nicht passiert, und er wird weiter auf sich warten lassen.

Die komplette Studie des EHI soll ab Mitte Juli in dessen Onlineshop erhältlich sein.