Image-Pflege

"Zetsche könnte eine Action-Rolle spielen"

10.09.2007 von Simon Hage
Eine ungeschickte Geste, ein unbedachtes Wort - in wenigen Minuten können Spitzenkräfte ihren Ruf komplett ruinieren. Psychotherapeut und Coach Ulrich Sollmann erläutert im Gespräch, welche Konzernchefs sich erfolgreich präsentieren - und was ein gutes Image ausmacht.

Herr Sollmann, deutsche Top-Manager gelten gemeinhin als raffgierige, machthungrige und skrupellose Individuen. Was machen sie falsch?

Wir erinnern uns an das Beispiel Josef Ackermann. Der Deutsche-Bank-Chef hatte lange Zeit einen Ruf als Topmanager mit blütenweißer Weste. Eines Tages jedoch, vor Beginn des Mannesmann-Prozesses, hat er zwei Finger gehoben - und alles war dahin. Das Victory-Zeichen war nicht der eigentliche Grund für diesen Gesichtsverlust. Es war nur das falsche Symbol zum falschen Augenblick. Das Unbehagen über den Großverdiener Ackermann, stellvertretend für andere Top-Manager, gärte schon lange. Nun hatte die Öffentlichkeit einen Anlass, auf ihn einzudreschen.

Je deutlicher jemand durch seine Reputation in der Öffentlichkeit hervorgehoben ist, desto tiefer kann er fallen. Die Wall-Street-Legende Warren Buffett hat einmal sinngemäß gesagt: Man braucht 20 Jahre, um einen guten Ruf aufzubauen, doch in wenigen Minuten kann man alles zerstören. Manager müssen also ständig an ihrem Image feilen - und dürfen sich keine so plumpen Fehler bei öffentlichen Auftritten erlauben.

Warum ist das Image für Konzernchefs so wichtig? Eigentlich kann es Top-Managern doch egal sein, was die Öffentlichkeit von ihnen denkt, so lange sie Aktienmarkt und Analysten auf ihrer Seite haben.

Nein. Die Investmentbank Goldman Sachs beispielsweise legt großen Wert auf sogenannte weiche Faktoren, um den Unternehmenswert zu berechnen. Neben harten Zahlen gilt dort auch die Reputation als Bewertungsfaktor. Berechnungen zeigen, dass zwischen dem Renommee eines Unternehmens und der Aktienkursentwicklung ein positiver Zusammenhang besteht. Das Image einer Aktiengesellschaft wird übrigens vor allem außerhalb des Unternehmens gebildet - durch Kunden und die Medienöffentlichkeit.

Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de
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Wer betreibt Ihrer Ansicht nach eine besonders schlechte Außendarstellung?

Klaus Kleinfeld agierte ausnehmend unglücklich in der Kommunikation. Das hat angefangen mit einem Foto, auf dem die Rolex vom Arm des damaligen Siemens-Chefs wegretuschiert wurde.

Die Erinnerungsforschung in der Psychologie hat gezeigt, dass all jenes im Gedächtnis hängen bleibt, was sozusagen einen Knick hat. Kleinfeld ist der Öffentlichkeit als Manager in Erinnerung geblieben, der gezielt täuscht und etwas versteckt. Auch Ex-Außenminister Joschka Fischer hat eine teure goldene Armbanduhr getragen. Das hat ihm aber niemand übel genommen, weil Fischer kein Geheimnis daraus gemacht hat.

Anfang Juli hatte Kleinfelds Nachfolger Peter Löscher seinen ersten Auftritt. Welchen Eindruck haben Sie von der Selbstpräsentation des neuen Siemens-Chefs?

Peter Löscher wirkte in sich ruhig, wenig aufdringlich, aber kraftvoll. Dass er bei seinem ersten Auftritt nicht gleich auf den Putz gehauen hat, macht ihn sympathisch. Er nimmt sich erst einmal 100 Tage Zeit, um den Durchblick im komplexen Siemens-Konzern zu gewinnen, und die wird er auch brauchen. Erst dann kann der neue Chef konkrete Maßnahmen verkünden, sonst macht er sich unglaubwürdig.

Interessant ist die Lebendigkeit von Löschers Augen. Er wirkt dadurch wach und hoch präsent, auch wenn seine Körperhaltung manchmal einen anderen Eindruck vermittelt. Wirklich interessant und ungewöhnlich für einen Top-Manager ist Löschers überraschende Geste, sein Gegenüber auch zu berühren. Er stellt hierdurch seine gute Kontaktkompetenz unter Beweis, ohne Grenzen zu überschreiten. Sympathisch wirkt übrigens auch Löschers österreichischer Dialekt, der von Deutschen als einladend und freundlich empfunden wird.

Als Image-Phänomen gilt DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche. Trotz harter Restrukturierung und umstrittener Erfolge als Chrysler-Vormann genießt er ein hohes Ansehen. Wie macht Zetsche das?

Zetsche ist anschlussfähig. Als er damals bei Chrysler in den USA angefangen hat, wurde Zetsche erst einmal skeptisch beäugt. Doch schon bald galt er als einer von ihnen. Das hat Zetsche auch geschickt inszeniert. Er ist zu den Mitarbeitern hingegangen, hat sich mit der Belegschaft unterhalten und dabei ablichten lassen. Außerdem hat er es geschafft, eine Rolle zu finden, die zu ihm und der Situation passte. Zetsche verkörpert Vertrauenswürdigkeit und gilt gleichzeitig als konsequent in der Sache. Vertrauenswürdig heißt, man kann sich darauf verlassen, dass er klare Vorstellungen hat - und nicht Meinungen und Haltungen schlagartig ändert.

Zetsche verkörpert ein klares Rollenbild. Vielleicht könnte er die Action-Rolle des Schauspielers Kiefer Sutherland in der US-Fernsehserie "24" spielen. Sutherland stellt den Serienhelden Jack Bauer dar - einen kompromisslosen Anti-Terror-Kämpfer, der gleichzeitig für Charakterfestigkeit und Loyalität steht. Er ist verlässlich, sehr hart in der Sache, aber auch hart gegen sich selbst. Sehr sparsam geht Sutherland in dieser Rolle mit seinem emotionalen Ausdruck um, und das macht ihn glaubwürdig.

Wenn man Ihnen so zuhört, bekommt man den Eindruck, Schauspielkunst sei für Unternehmenschefs wichtiger als Sacharbeit.

Dieser Eindruck wäre falsch. Der Chef eines Dax-Unternehmens hat mir einmal ein typisches Erlebnis geschildert. Er fliegt nach London, frühstückt dort mit amerikanischen Analysten und zeigt ihnen den Geschäftsbericht, zwischen Frühstücksei und Croissant. Auf dieser Basis treffen die Analysten dann Entscheidungen. Klar, dass dabei Kommunikationsfähigkeit und Überzeugungskraft des Vorstandschefs eine gewaltige Rolle spielen. Die Geschäftszahlen sind zwar wichtig, als alleinige Entscheidungsgrundlage jedoch viel zu kompliziert.

Vor einer großen Herausforderung, was Kommunikationsfähigkeit anbelangt, steht übrigens auch Siemens-Chef Löscher. Er muss ein neues Führungsmodell aufbauen - und auch Außenstehende dafür gewinnen. Insbesondere die US-Börsenaufsicht SEC braucht überzeugend vermittelte Argumente. Dabei kommt Löscher zugute, dass er völlig unverbraucht ans Werk gehen kann, da er praktisch noch kein Image hat. Diese Jungfräulichkeit ist ein großes Plus, die ihm auch die Chance eröffnet, neue Themen zu besetzen.

Wie bewerten Sie die Auftritte des neuen Telekom-Chefs René Obermann?

Obermann wirkt unscheinbar und unauffällig - ganz im Gegensatz zu Ron Sommer, einem seiner Amtsvorgänger. Entscheidend ist, welche Botschaften mit den visuellen Eindrücken von René Obermann verknüpft werden. Den Telekom-Chef assoziiert man mit der Information: Der hat keinen leichten Stand, der muss ein schwer havariertes Schiff wieder auf Kurs bringen. Das heißt, Obermanns bescheidene Selbstpräsentation passt gut zu der Rolle, die ihm zugeschrieben wird. Wenn man die Position des Telekom-Chefs mit einer schillernden Persönlichkeit besetzt hätte, die eine goldene Uhr trägt, dann würde das wohl für Irritationen sorgen.

Sie nennen Obermanns Auftreten bescheiden und unauffällig. In Teilen der Belegschaft gilt er dagegen als "Dobermann".

Es kommt auf die Kombination beider Images an. Dadurch, dass Obermann sich als harter Sanierer präsentiert, aber gleichzeitig eher zurückhaltend benimmt, entsteht ein stimmiges Bild ohne Widersprüche.

Ein schlüssiges Image gibt übrigens auch Puma-Chef Jochen Zeitz ab. Er taucht in der Öffentlichkeit meist mit offenem Hemd und ohne Krawatte auf - ein sehr unübliches Erscheinungsbild für einen Spitzen-Manager. Er gilt als jugendlicher und unkonventioneller, gleichzeitig aber sehr erfolgreicher Macher, der das Unternehmen von null auf 150 gebracht hat. Dass er 12,4 Millionen Euro pro Jahr verdient, stört kaum jemanden. Bei Ackermann, der gerade mal eine halbe Million Euro mehr einnimmt, schreit die ganze Welt auf. Daran kann man sehen: Geld allein macht das Ansehen eines Managers nicht aus.