Arzneimittel-Informationssystem AidKlinik

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Software

06.11.2006 von Oliver Weiss/CW at
Die Wirkung von Medikamenten-Kombinationen kann von Mensch zu Mensch sehr variieren. Angesichts der unüberschaubaren Menge an verschiedenen Medikamenten haben sich klinische Pharmakologen, Apotheker und Medizininformatiker am Universitätsklinikum Heidelberg zum Ziel gesetzt, eine Software zu entwickeln, die Informationen aus verschiedenen pharmakologischen Datenbanken verarbeitet.

Durch den Datenbankabgleich mit patientenindividuellen Daten werden Fehlmedikationen mit Überdosierungen und unerwünschte Nebenwirkungen vermieden. So ist eine individualisierte, sichere und effiziente Arzneimitteltherapie möglich. Unter der Leitung von Walter Emil Haefeli und Jens Kaltschmidt entwickelte das Heidelberger Team eine auf PHP basierende Software für die Medikamentenverordnung - das Arzneimittel-Informationssystem AidKlinik.

Viele Patienten sind niereninsuffizient - im Durchschnitt jeder sechste Patient in stationärer Betreuung und fast alle älteren Patienten. Außerdem wird nahezu jedes sechste Arzneimittel maßgeblich über die Nieren eliminiert. Dosisanpassungen an die Nierenfunktion sind deshalb ein alltägliches ärztliches Problem. AidKlinik berechnet für jeden einzelnen Patienten die optimale Wirkstoffdosis und liefert dem Arzt angepasste Vorschläge zur Medikation. Hierfür werden automatisch die im Krankenhaus-Informationssystem gespeicherten Blutwerte, Geschlecht, Alter und Gewicht des Patienten herangezogen. Positiver Nebeneffekt: Das System hilft, die Kosten für Arzneimittelausgaben zu senken.

Die Dosis macht das Gift

Für AidKlinik wurden hierfür Algorithmen zu über 600 Inhaltsstoffen zur Dosisberechnung entwickelt und integriert. Außerdem tragen weitere Wissensbasen mit Hinweisen beispielsweise zu Schwangerschaft oder Stillzeit, Doppelverordnung und bei unerwünschten Arzneimittelwechselwirkungen zur optimalen Medikation und somit zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit am Universitätsklinikum Heidelberg bei. "Bei den über 12.000 Rezepten, die mit Hilfe der Software bislang erstellt wurden, konnten riskante Medikamenten-Kombinationen weitestgehend vermieden werden", so Haefeli, Leiter der Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie.

Mit Zend Studio konnte das Entwickler-Team das komplexe Projekt schnell und effizient in einer professionellen Entwicklungsumgebung durchführen. Nicht zuletzt, weil Zend Studio das zeitgleiche Programmieren mehrerer Mitarbeiter ermöglicht. Dabei unterstützten Tools wie PHP Documentor und PHP Doc-Assistent die Zusammenarbeit untereinander.

"Zend Studios Debugging-Funktionen und die PHP Intelligence-Tools beschleunigten zudem den Entwicklungsprozess, da Fehler und Programmierungsschwächen direkt angezeigt werden und sofort von uns ausgebessert werden konnten", so Haefeli. Mit Zend Studio wurden die verschiedenen Datenbanken, auf die bei der Arzneimittelsuche zugegriffen wird, vernetzt. "Die pharmakologischen Datenbanken, in denen die relevanten Informationen zu Medikamenten verzeichnet sind, lassen sich über einen Webbrowser prinzipiell von jedem Computer aus erreichen. Da AidKlinik in jedem Intranet und auch über das Internet eingesetzt werden kann, ist eine Verbreitung des Systems unkompliziert und lediglich eine Anbindung an das jeweilige Krankenhaus-Informationssystem eine kleine Herausforderung", erklärt Simon Schmitt, Diplom-Medizin-Informatiker am Uniklinikum Heidelberg.

Medikamenten-Kombinationen werden mit Patientendaten abgeglichen

Seit über drei Jahren wird am Universitätsklinikum Heidelberg in Pilotambulanzen und seit dem zweiten Quartal 2006 flächendeckend eine strukturierte Arzneimittelverordnung in der Arztbriefschreibung eingesetzt. Durch aktuelle Marktdaten und Wissensbasen unterstützt, ermöglicht sie eine gesetzeskonforme Rezept- und Arztbriefschreibung in sehr kurzer Zeit. Gibt der Arzt die Namen der Arzneimittel oder Wirkstoffe in die Suchfelder ein, baut der Rechner eine Verbindung zu verschiedenen pharmakologischen Datenbanken auf. Dort sind detaillierte Informationen über Medikamente und Wirkstoffe, ihre Nebenwirkungen und bekannte Wechselwirkungen mit anderen Arzneien gespeichert.

Als Datengrundlage dienen hierbei einerseits die 14-täglich aktualisierten Marktdaten mit mehr als 65.000 Präparaten, inklusive Herstellerangaben und Preisen sowie zahlreiche selbst entwickelte Wissensbasen -andererseits findet ein bidirektionaler Datenaustausch mit dem Krankenhaus-Informationssystem statt (am Universitätsklinikum Heidelberg SAP i.s.h.med). Automatisch gleicht der Computer die vom Arzt verordneten Medikamenten-Kombinationen mit den Informationen der Datenbanken ab. Wurden Kombinationen gewählt, die möglicherweise gefährlich sind, warnt das Programm den Arzt und der CCDS (Computerized Clinical Decision Support) tritt in Funktion. Auch wenn zwei Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff eingegeben wurden oder eine Fehldosierung droht, erscheint ein Warnhinweis auf dem Bildschirm.

Die Anwendung von AidKlinik am Universitätsklinikum Heidelberg zeigt, dass sich die Software gut in die ärztlichen Arbeitsabläufe integriert. Viele Rezepte werden innerhalb weniger Sekunden zusammengestellt, die Hälfte innerhalb von 80 Sekunden gedruckt. Pro Monat werden 48.000 Suchanfragen im Mittel in weniger als 1,2 Sekunden durch das System bearbeitet. Durchschnittlich gibt es 20 Prozent falsch formulierte Suchangaben - auch diese können dank der integrierten phonetischen Suche beantwortet werden. Haefeli sieht deshalb gute Chancen, das System auch in anderen Kliniken und in Arztpraxen einzusetzen.