Enterprise Resource Planning

10 Trends im ERP-Markt 2013

03.04.2013 von Norbert  Gronau
Für das Jahr 2013 sind wichtige Entwicklungen in Sachen ERP-Software und ERP-Markt abzusehen. Für Anwender interessant zu wissen, denn ERP-Systeme bilden das Rückgrat der betrieblichen Informationsverarbeitung und verschlingen einen großen Teil des jährlichen IT-Budgets.

Professor Norbert Gronau, Center for Enterprise Research der Universität Potsdam, leitet aus der Marktanalyse seines Instituts sowie der Auswertung von über 1300 ERP-Projekten und einer aktuellen Trendstudie für 2013 folgende zehn Trends ab.

1. Der ERP-Markt bleibt dynamisch

Die schon seit Jahren vorhergesagte, aber bisher nicht eingetroffene Konsolidierung des Marktes für Enterprise Resource Planning wird auch 2013 nicht erfolgen. Zwar werden wieder einige traditionelle Anbieter aufgeben oder Systeme aus der aktuellen Weiterentwicklung nehmen, aber dieser Effekt wird durch zwei wesentliche Zuflüsse neuer ERP-Anbieter mehr als ausgeglichen: zum einen drängen noch immer internationale Anbieter auf den deutschen Markt, wie in den letzten Jahren Plex oder Jeeves. Zum anderen entwickeln sich bisherige Nischenanbieter mehr und mehr zu vollwertigen ERP-Anbietern, etwa der Berliner Anbieter Projektron, der mit seiner Lösung BCS ein vollwertiges ERP-System für projektorientierte Dienstleister anbietet. Vor kurzem wurde das Unternehmen sogar mit der Auszeichnung "ERP-System der Jahres" geehrt wurde.

2. Weiter hohe Investitionsbereitschaft

Die vom Center for Enterprise Research betriebene ERP-Trendstudie 2012 brachte eine erstaunlich hohe Investitionsbereitschaft der ERP-Anwender ans Licht. Fast 70 Prozent der Unternehmen befassen sich derzeit mit Investitionen in ihre ERP-Landschaft, das heißt, planen in ihre ERP-Systeme zu investieren oder machen gegenwärtig bereits. Vor diesem Hintergrund ist mit einer erheblichen Abkühlung der Investitionsbereitschaft im ERP-Umfeld im Jahr 2013 nicht zu rechnen.

3. ERP-Bedeutung nimmt ab

Trotz der hohen Investitionsbereitschaft sind die Tage gezählt, in denen das ERP-System die einzige unternehmensweite Anwendungslösung darstellte. Gerade Unternehmen mit spezialisierten Prozessen gehen zunehmend dazu über, neben das ERP-System weitere unternehmensweit genutzte Anwendungen zu stellen. Spitzenreiter ist dabei die Fertigungsindustrie, in der typischerweise neben dem ERP-System bis zu sieben weitere, gleichrangige Systeme wie zum Beispiel Manufacturing Execution und Dokumenten-Management eingeführt werden. Dennoch bleibt das ERP-System weiterhin der Maßstab für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Geschäftsabläufe und auch führendes System für die meisten Stammdaten.

1. Geschäftsprozesse analysieren:
Identifizieren Sie in einem ersten Schritt nur die unternehmenskritischen Geschäftsprozesse, die das ERP-System abbilden soll. (Foto: olly/Fotolia.com)
2. Spezifika vergleichen:
Erkennen Sie, wo die Spezifika der Branche im Allgemeinen und die Stärken Ihres Unternehmens im Speziellen liegen. (Foto: thoro/Fotolia.com)
3. Alte Zöpfe abschneiden:
Modellieren Sie optimale Arbeitsabläufe und stärken Sie das Zusammenspiel zwischen allen Unternehmensbereichen. (Foto: Inter-Stilist/Fotolia.com)
4. Vorauswahl treffen:
Vergleichen Sie die infrage kommenden Software-Systeme unter Berücksichtigung der zu erwartenden Lizenz- und Wartungskosten. (Foto: 3d kot/Fotolia.com)
5. Professionelle Vergabe:
Formulieren Sie präzise, vollständige und übersichtliche Ausschreibungsunterlagen, die Sie idealerweise direkt in den späteren Vertrag übernehmen können. (Foto: L. Tus/Fotolia.com)
6. Bietergespräche führen:
Lassen Sie berechtigte Ansprüche in den Verhandlungen nicht aufweichen. Fordern Sie aber auch nichts, was der technische Realisationspartner fachlich nicht leisten kann oder möchte. (Foto: endostock/Fotolia.com)
7. Vertrauen aufbauen
Treffen Sie die Wahl des technischen Realisationspartners zügig und betrachten Sie den ERP-Wechsel als Chance, Ihr Unternehmen zu stärken.

4. Anbieter werden professioneller

Viele deutsche Mittelständler haben sich zu internationalen Weltmarktführern entwickelt und ihre Organisation sowie ihren Auftritt entsprechend angepasst. Die Softwarelieferanten dieser "Hidden Champions" haben diese Professionalisierung bisher erst teilweise absolviert. Das Center for Enterprise Research sieht jedoch bei vielen Anbietern große Anstrengungen, die für Softwareanbieter wichtigen Prozesse Vertrieb, Support und Entwicklung deutlich zu professionalisieren. Dies wird zum einen durch die Nutzung automatisierter Testverfahren in der Softwareentwicklung deutlich, unter anderem aber auch durch gesteigerte Anstrengungen zur Verbesserung der Usability. Die Gebrauchstauglichkeit wurde in den letzten Jahren von mehreren Anbietern wie GUS, Asseco oder IFS sichtlich vorangetrieben.

5. Big-Data-ERP ohne Business Analytics

Während noch vor wenigen Jahren die Beschaffung von Daten über Kundenverhalten oder Fertigungsprozesse ein großes Problem darstellte, hat sich der Fokus nunmehr auf die Auswertung dieser großen Datenmengen - Big Data - verschoben. Eine aktuelle Untersuchung des Lehrstuhls www.wettbewerbsfaktor-analytics.de zeigt, dass ERP-Systeme in diesem Punkt wenig leistungsfähig sind und sich dieses Manko in naher Zukunft auch kaum ändern wird. Zwar werden immer mehr BI-Funktionen in ERP-Lösungen integriert, aber für die teilweise anspruchsvollen mathematischen Methoden von Business Analytics stehen weder geeignete Verfahren noch interne Experten bei den Anwendern zur Verfügung. An den ERP-Anbietern ist dieser Trend bisher vorübergegangen und es sieht auch nicht so aus, dass sich 2013 daran etwas ändern wird.

6. ERP muss Prozesse besser abbilden

Die Anbieter kämpfen gegenwärtig mit ganz anderen Baustellen. Immer mehr Kunden verlangen umfassende Lösungen für das Geschäftsprozess-Management, die eng mit dem ERP-System verzahnt sind. Im Idealfall ist dies nicht nur für das Einführungsprojekt von Vorteil, sondern auch für Schulung und Support in der Betriebsphase. Diesen Anforderungen werden die Anbieter unterhalb der SAP-Liga derzeit nur unzureichend gerecht.

Zwar bieten immer mehr Systeme die Möglichkeit der Modellierung von Geschäftsprozessen. Einige verbinden diese Modelle sogar mit ihren angebotenen Funktionen, wieder andere haben sogar E-Learning-Komponenten an die Prozesse angebunden, wie etwa Sage Bäurer.

Insgesamt ist die enge Verknüpfung zwischen Prozessen und ERP-Funktionen und deren Abbildung in einem konsistenten Modell über die gesamte Betriebsphase des ERP-Systems für die meisten Anbieter derzeit aber noch ein weißer Fleck in der Produktentwicklung. Es bleibt abzuwarten, wie die Anwender auf diese unzureichende Angebotssituation reagieren werden.

Grund 1
Die Geschäftsleitung ist zu wenig involviert.
Grund 2
Eingriffe in die Organisation werden vermieden.
Grund 3
Der Nutzen des Vorhabens ist nicht klar.
Grund 4
Die Vorbereitung des Projektes waren so schlecht, dass sich die Schwerpunkte während ds Projektes ändern.
Grund 5
Die Führung des Implementierungspartners ist mangelhaft.

7. Technologie und Architektur werden wichtiger

Der Hype um serviceorientierte Architekturen ist weitgehend vorbei. Nachdem sich der Pulverdampf um dieses Thema verzogen hat, wird folgendes deutlich: Die Anwender schauen stärker auf die Architektur und den Beitrag der vom ERP-Anbieter verwendeten Technologie zur Integrationsfähigkeit ihres ERP-Systems. Dabei ist nach wie vor die Funktionalität eines der wichtigsten ERP-Auswahlkriterien. Die Marktbeobachtung zeigt jedoch, dass auf Grund der immer größeren Integrationsanforderungen die Entscheidung bei nahezu gleichwertiger Funktionalität zugunsten der zukunftsfähigeren Architektur getroffen wird. Einen Nebeneffekt dieser technikgetriebenen Auswahlentscheidung ist sicher, dass die rein funktionsbasierenden Auswahlplattformen an Bedeutung verlieren werden. Das werden viele Anbieter wegen der starken Intransparenz des Selektionsprozesses sicher sehr begrüßen.

8. ERP wird mobiler

Der Trendreport der Universität Potsdam zeigt bei mobilen Lösungen einen deutlichen Unterschied zwischen den Interessen der Anwender und den Investitionsschwerpunkten der Anbieter. Während für Anbieter der Funktionsausbau für mobile ERP-Oberflächen den wichtigsten Entwicklungsschwerpunkt darstellt, ist das Interesse der Anwender noch eher zurückhaltend. 40 Prozent der befragten Unternehmen haben derzeit kein oder nur ein geringes Interesse an mobilen Lösungen. Diese erstaunlich geringe Einschätzung ist unter anderem auf die Nutzung von Drittsystemen zum Beispiel in Logistik oder Vertrieb zurückzuführen. Die Schwächen mancher ERP-Systeme in diesen Bereichen führen dazu, dass Drittanbieter wie beispielsweise die Potsdamer Commsult AG mit ihren Lösungen in Betracht gezogen werden.

9. Die Cloud bleibt wolkig

Kaum ein Thema wurde 2012 so intensiv diskutiert wie Cloud Computing. Wesentliche Hürden sind dabei, wie vertrauliche Informationen behandelt werden, und wie die Abrechnung der genutzten Services erfolgt. Folgender bisher weniger stark diskutierter Aspekt wird 2013 jedoch stärker ins Bewusstsein treten: die sehr stark branchenbezogene Cloud-Nutzung. Während die Serienfertiger zu fast 80 Prozent eine abwartende Haltung einnehmen, besteht bei 50 Prozent des stationären Handels und sogar 60 Prozent des Online-Handels ein starkes Interesse an Cloud-Lösungen.

10. ERP ist spannend

Das Schöne an den vorgestellten Trends und Entwicklungsperspektiven ist, dass Anbieter und Anwender durch ihr Marktverhalten dazu beitragen können, dieseTrends zu gestalten. Insofern wird 2013 auch wieder ein spannendes ERP-Jahr werden.