Machine Learning

4 Schritte zur Prozess-Automatisierung

17.08.2018 von Christiane Pütter
Durch Intelligent Process Automation (IPA) halbierte eine Versicherung die Manpower für ihre IT-Infrastruktur. McKinsey rät, in vier Schritten zum IPA-Vorreiter zu werden.
  • Wer den Wertbeitrag von IPA beziffern will, muss den zeitlichen und finanziellen Aufwand der bisherigen Posten kennen
  • Die Meldung "Ich kriege keine E-Mails!" muss nicht zwangsläufig aus einem Fehler im Mail-Programm resultieren – vielleicht hat der Nutzer sein Passwort vergessen
  • IPA ist ein Weg, das Unternehmen auf den Einsatz von KI und Cognitive Learning vorzubereiten

Als intelligente Prozess-Automatisierung (IPA) bezeichnet McKinsey das Zusammenwirken vom Neu-Design der Prozesse, Prozess-Automatisierung und Machine Learning. Die positiven Effekte sollen über Kostensenkungen hinausgehen und mehr Geschwindigkeit, Genauigkeit und besseren Kunden-Service bewirken. Wie IT-Chefs dabei vorgehen sollten, skizziert McKinsey in dem Papier "A CIO plan for becoming a leader in intelligent process automation".

Wer durch Automatisierung Kosten sparen will, braucht zunächst einen systematischen Überblick aller Ausgaben.
Foto: McKinsey

Der Plan der Consultants umfasst vier Schritte.

1. Den Wert von IPA hoch genug ansetzen

Die Einschätzung des Wertbeitrags von IPA setzt voraus, dass der CIO den zeitlichen und finanziellen Aufwand der bisherigen Posten beziffern kann. Das umfasst Entwicklung und Wartung der Anwendungen, Rechenzentrum, Endnutzer-Services, Telekommunikation sowie das Management des Ganzen. Auf dieser Basis ist in Vorfälle (Incidents), geplante Aktivitäten und Application Delivery zu unterscheiden. Es geht jeweils um Hardware- und Software-Kosten.

2. Die richtigen Use Cases erstellen

Das Identifizieren von Use Cases beginnt mit der Unterscheidung in leicht automatisierbare Incidents und solche, die komplexer sind. Das ist nicht immer einfach. So mag ein Anwender melden: "Ich kriege keine Emails!" Das muss nicht zwangsläufig aus einem Fehler im Mail-Programm resultieren - vielleicht hat der Nutzer sein Passwort vergessen. Hier helfen Text Mining-Tools. Ziel ist, drei Kategorien von Tickets zu unterscheiden: automatisierbar, erfordert Machine Learning, hochkognitiv (erfordert also manuellen Aufwand). Laut McKinsey lassen sich 80 Prozent der "Reset Password"-Incidents automatisieren.

Laut McKinsey können Unternehmen 80 Prozent ihrer "Reset Password"-Anfragen automatisieren.
Foto: McKinsey

CIOs sollten nicht den Fehler machen, sich auf das Reduzieren manueller Tätigkeiten zu beschränken, mahnen die Consultants. McKinsey nennt hier das Beispiel einer großen US-amerikanischen Versicherung, die ihre IT Infrastruktur in mehreren Phasen automatisierte. Zunächst entwickelte das Unternehmen ein DevOps-Modell, um die Zusammenarbeit von Infrastruktur- und Betriebs-Team zu verbessern. Gemeinsam sahen sich die beiden Teams Schnittstellen und Datenquellen an, um schließlich ein IPA-Programm aufzusetzen. Stück für Stück migrierte die Versicherung Teile ihrer Infrastruktur in die Cloud. Hatten zunächst noch 1.400 Arbeitskräfte Vollzeit an der Infrastruktur gearbeitet, sind es jetzt nur noch rund 800.

3. Einen Proof of Concept (PoC) erstellen

McKinsey zerlegt den Proof of Concept (PoC) in folgende Einzelteile: Erstens werden in einem Workshop alle notwendigen Schritte dargelegt. Der CIO erklärt, um welche Systeme es geht. Zweitens wird die richtige IPA-Plattform ausgesucht. Welche das ist, hängt beispielsweise davon ab, ob für das Unternehmen die Fähigkeit zur Integration wichtiger ist als Prepackaged Bots oder die Vorbereitung auf einen künftigen Einsatz von Artificial Intelligence (AI).

Drittens schreibt das Unternehmen fest, welche IT-seitigen Vorgaben (etwa in Bezug auf Sicherheit) und welche Business-seitigen Anforderungen (Zugangsbeschränkungen, Regularien und anderes) eingehalten werden. Viertens muss sich mindestens ein Engineer ausschließlich um das Testing kümmern. Bots folgen einem iterativen Design, um Lernfähigkeit, Geschwindigkeit, Genauigkeit und Skalierbarkeit zu ermöglichen. Punkt Fünf besteht in der fortwährenden Dokumentation der Ergebnisse.

RPA-Hürden meistern
Keep it simple – der falsche Einstiegsprozess
Der häufigste Fehler bei der Implementierung eines RPA-Projekts ist die Wahl des falschen Prozesses. „Falsch“ heißt für den Anfang zu komplex oder zu speziell. Zu empfehlen ist für den RPA-Einstieg die Wahl eines einfachen Prozesses. Damit stellt sich der Erfolg eher ein.
Brauche Input! Aber bitte digital
Bei der Wahl des richtigen Prozesses gilt der erste Blick den Daten. Um die Interaktion durch den Menschen gering zu halten, sollten die zugrundeliegenden Daten natürlich möglichst digital vorliegen.
Strukturierte Daten: Ordnung muss sein
Was ein Unternehmen bekommt, wenn es einen semioptimalen Prozess digitalisiert, hat der damalige Bitkom-Präsident Thorsten Dirks auf dem IT-Gipfel 2015 recht drastisch beschrieben. „Organisation geht vor Automatisierung“ gilt auch bei RPA, deshalb sollten die Daten möglichst strukturiert vorliegen.
Text schlägt Bild
Noch ein Hinweis zum Thema Daten, um den richtigen Prozess für den RPA-Einstieg zu identifizieren: Text- und Zahlenbasierte Daten lassen sich leichter mit RPA verarbeiten als Bildinformationen.
Vorteil Standard
Die Vorteile von standardisierten IT-Prozessen sind mannigfaltig. Stichworte sind Kosteneffizienz, sichere IT in hoher Qualität, transparentes Monitoring und Reporting etc. Je standardisierter ein Prozess ist, desto besser ist er für den RPA-Einstieg geeignet.
Stabilität ist Trumpf
Stabilität sollte nicht mit Stagnation verwechselt werden. Für RPA sind stabile Prozesse enorm wichtig. Denn die Software dient der Bearbeitung von strukturierten Geschäftsprozessen. Sie arbeitet dabei den Prozess genauso ab, wie ein Mensch das machen würde. Läuft der Prozess stabil, sind Interaktionen von Menschen nur selten oder gar nicht nötig.
Die Masse machts - Prozesse mit hohem Volumen wählen
Je häufiger ein Prozess vorkommt, desto größer ist die Entlastung durch RPA. Da Mitarbeiter meist erst einmal skeptisch auf den Ersteinsatz von RPA reagieren, hilft ein Prozess der ein hohes Volumen hat, auch bei der Akzeptanz der Robotics durch die Belegschaft.
RPA als Erbsenzähler? Unbedingt!
Fehleranfällige Prozesse sind häufig monotone Tätigkeiten, in die sich irgendwann der berühmte Schlendrian einschleicht. Aber für RPA gibt es keine Monotonie. Wenn der Prozess fehleranfällig ist, können sie ihre Stärken besser ausspielen!
Das Team gewinnt
Automatisierungen folgen in den meisten Unternehmen einer Strategie. Diese sollte mit einem zentralen Team verfolgt werden, das Informationen bündelt und RPA über Geschäftseinheiten hinweg einführt. Kleine Gruppen ohne Informationsaustausch über Learnings sind dazu verurteilt, die Fehler der anderen zu wiederholen.
Strategie: Was sind die nächsten Schritte?
Spötter sagen, dass eine Strategie vor allen Dingen festlegt, was nicht zu tun ist. Eine Automatisierungsstrategie hat klare Vorteile: Denn sobald Robotic Process Automation gut eingeführt ist, finden sich neue Anwendungsmöglichkeiten wie von selbst. Mit einer Strategie kann das Team abwägen, welche Prozesse zu priorisieren sind.
Hauseigene IT einbeziehen
Ein Vorteil von RPA ist es, dass es von der Fachabteilung angestoßen werden kann. Eine automatisierte Schatten-IT kann aber nicht das Ziel ein. Selbst wenn das Projekt von der Fachabteilung gesteuert wird: Bei der Implementierung der RPA ist die Unterstützung der IT notwendig.

4. IPA-Ressourcen entwickeln, um Skaleneffekte zu nutzen

McKinsey versteht dies nicht nur als Frage von Technologie und Skills, sondern als Kulturfrage. Besonders erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch drei Maßnahmen aus: Erstens dehnt das Team, nachdem es Erfahrung mit der Automatisation von Tickets gemacht hat, seine Arbeit auf Monitoring und Dashboarding aus. Es konzentriert sich nicht mehr auf den Help Desk, sondern nimmt sich beispielsweise das Rechenzentrum und das Netzwerk vor.

Zweitens feilen CIOs in solchen Unternehmen an ihrer Rolle als Business-Enabler. Sie schildern den Erfolg bisheriger IPA-Projekte und bieten Führungskräften an, mit ihnen in ihrem jeweiligen Bereich nach Use Cases zu sehen. Dabei gibt McKinsey zu Bedenken, dass "IPA von Natur aus disruptiv" sei. Das müssen CIOs kommunizieren und sie müssen darauf hinweisen, dass IPA an manchen Stellen im Unternehmen menschliche Arbeitskräfte ersetzen kann.

Drittens verstehen besonders erfolgreiche Unternehmen intelligente Prozess-Automatisierung als Sprungbrett zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI oder englisch AI für Artificial Intelligence). Zwar erscheine KI derzeit noch "irgendwie futuristisch", wie McKinsey schreibt. Doch in den kommenden Jahren werden diese Technologien reifen. IPA ist ein guter Weg, das Unternehmen auf den Einsatz von KI und Cognitive Learning vorzubereiten.