Lernen von Amazon & Co.

5 Ratschläge für erfolgreiche Online-Shops

02.10.2012 von Hartmut  Wiehr
Richtig groß wie Amazon werden nur wenige. Warum eigentlich? Marktbeobachter und Analysten geben Hinweise, wie man es besser machen könnte.

Amazon wächst und wächst. Eines der Geheimnisse des amerikanischen Retail-Giganten könnte sein, dass man nicht nur eine, sondern viele Strategien verfolgt. Und dass man immer wieder etwas Neues ausprobiert. Statt statisch geht man dynamisch und auch risikobewusst vor. Andere Online-Anbieter könnten daraus lernen.

1. Kundenbindung über Versandvorteile

Zum Beispiel bietet Amazon in fast allen Ländern einen besonderen Versandservice an: Mit "Amazon Prime“ zahlt man einen relativ bescheidenen Jahresbetrag und bekommt dafür fast alle Produkte umsonst nach Hause geliefert – und oft schneller als auf dem normalen Postweg. Und das ohne Beschränkung bei der Anzahl der Lieferungen. Für Kunden, die viel bestellen, also äußerst attraktiv. In den USA macht Amazon auf diese Weise mit etwa 900.000 Prime-Kunden 20 Prozent des Jahresumsatzes. Also mit einem sehr geringen Prozentsatz der amerikanischen Bevölkerung.

Für den Retail-Spezialisten Brent Leary kommt es darauf an, dass sich Online-Shops gezielt mit Social Media auseinandersetzen.
Foto: Brent Leary

Prinzipiell allen Kunden kostenlosen Versand (oder sogar zusätzlich kostenlose Rücksendung) zu garantieren, wirkt dagegen nur auf den ersten Blick lohnend für einen Online-Versender: Die laufenden Kosten sind einfach zu hoch – siehe zum Beispiel Zalando. Dessen (weibliche) Kunden machen sich zum Teil einen Sport daraus, sich Schuhe an den Arbeitsplatz schicken zu lassen, sie auszuprobieren und sie dann – wenn sie nicht gefallen oder passen – locker zurückzuschicken.

2. Extradienste anbieten

Ein Stiefkind des Online-Handels sind bisher Lebensmittel. Nur in großen Ballungsräumen wie London oder New York scheint sich das zu rechnen. Eventuell noch in einem recht kleinen und für die rechtzeitige Auslieferung überschaubaren Raum wie den der Schweiz. Etabliert haben sich nur wenige Händler bisher: so in der Schweiz Coop, in New York FreshDirect oder in London Tesco. Die Zahl der Pleite gegangenen Online-Anbieter ist dagegen recht groß, darunter HomeGrocer und Webvan in den USA. In Deutschland traut sich so recht niemand, in dieses Geschäft einzusteigen.

Zur Strategie von Amazon gehört es, sich klare Ziele zu setzen, aber bei den Mitteln dafür offen für Experimente zu sein. Die Webseite für Lebensmittel ist in Deutschland immer noch im Beta-Status. In den USA ist man schon weiter.
Foto: Amazon

Amazon ist schon seit einiger Zeit mit AmazonFresh in diesem Markt dabei. Allerdings nur an seinem Heimatstandort in Seattle im Nordwesten der USA. Hier hat man eine eigene Flotte von Lieferfahrzeugen aufgebaut und garantiert einen Rund-um-die Uhr-Dienst: Wer bis 23 Uhr bestellt, hat am nächsten Morgen die bestellten Lebensmittel an seiner Haustür. Und ebenfalls andere Waren wie Bücher oder DVDs, falls die ebenfalls geordert wurden.

Amazon beschleunigt damit die Auslieferung seines Non-Food-Angebotes. In der Nähe von Los Angeles und San Francisco werden derzeit weitere großflächige Lieferzentren aufgebaut, die laut einem Bericht des San Francisco Chronicle vom 22. September 2012 ebenfalls für das Lebensmittelgeschäft vorbereitet werden sollen. Wann diese Amazon-Aktivitäten bis auf europäische oder gar deutsche Ballungsgebiete ausgedehnt werden, ist derzeit offen.

3. Den Kunden Abos schmackhaft machen

Alle Produktgruppen kommen für ein derartiges Angebot natürlich nicht in Frage: Wer möchte schon regelmäßig neue Schuhe oder Büstenhalter geliefert bekommen? Bei Haushaltswaren, Babyartikeln wie Windeln oder bei Tiernahrung sieht es schon ganz anders aus: Warum ständig in den Laden laufen und die zum Teil schweren Dinge umständlich und zeitaufwändig nach Hause transportieren? Auch für bestimmte Lebens- und Genussmittel wären regelmäßige Auslieferungen auf Abonnementsbasis attraktiv – für beide Seiten, den Kunden und den Online-Shop. Inzwischen gibt es auch Spezialisten für Abo-Angebote im Online-Handel, darunter Zuora.

4. Nicht alles selbst machen

Gerade Online-Händler müssen nicht immer alles selber machen. Urbanspoon zum Beispiel, ein Webshop für Restaurantvorbestellungen und -kritiken in der Bay Area von San Francisco, verzeichnet pro Monat etwa 50 Millionen Zugriffe. Und das bei drei festangestellten Mitarbeitern, die sich um die Organisation des Geschäfts kümmern. Alle wesentlichen Bestandteile des Online-Angebotes sind an Spezialisten outgesourct. Wie der Marktbeobachter Brent Leary von CRM Essentials mitteilt, finden sich auf der Webseite von Amazon Web Services zahlreiche Case Studies, die sich mit solchen integrativen Ansätzen befassen.

5. „People buy from People“

Social Media ist in aller Munde. Wer aber mehr machen möchte, als sich nur an einer Modeerscheinung zu beteiligen, der sollte eine gezielte Auswahl treffen. Eine reine Präsenz bei Facebook, Twitter oder im Blogger-Milieu ist das eine, gewichtiger aber sind nach Ansicht von Leary die Urteile und Empfehlungen anderer Kunden oder die Aussagen von expliziten Meinungsbildern oder "Advocats“, die einmal angeworbene Kunden positiv unterstützen.

Leary spricht von einer aus der Psychologie übernommenen Pyramide der Kundenbindung, die zwischen Suchen, Finden und Behalten von Kunden unterscheidet. Der letztere Bereich sei der eigentlich entscheidende: Aus Interessenten oder "Prospects“ muss eine Stammkundschaft aufgebaut werden. Nur so sei ein dauerhaftes und profitables Geschäft möglich.

Pyramide der Kundenbindung

Online-Händler müssten also unterscheiden: Amazon wurde mit dem Ziel gegründet, über das Web zu verkaufen. Social Media, Kundenbewertungen etc. wurden erst später hinzugefügt. Facebook dagegen wurde mit dem Ziel gegründet, die Kontakte zwischen Freunden oder Familienmitgliedern zu fördern, erst später wurden on top kommerzielle Dienste hinzugepackt.