Google, Microsoft & Co

6 Vorurteile gegenüber Cloud-Anwendungen

04.02.2011 von Jon Brodkin
Arbeitsplatzverlust, Kostenreduzierung, Bandbreiten-Probleme, Leistungsfähigkeit, Installationsaufwand und Sicherheit - zum Thema Cloud-Computing gibt es viele Vorurteile und Irrtümer. Wir erklären die Technologie, die unter anderem Google und Microsoft vorantreiben.
Was sich durch Cloud Computing verändert.
Foto: Banksidebaby - Fotolia.com

In diesem Artikel stellen wir Ihnen sechs weit verbreitete Vorurteile zum Thema Cloud-Computing vor. Sie erfahren, wie sich die IT-Spezialisten den Nutzen, die Langzeitauswirkung und die Arbeitsweise mit der neuen Technologie vorstellen.

Wir stellen Ihnen bewusst die Meinung verschiedener Experten vor, sodass Sie sich selbst ein Bild über die neue Cloud-Technologie machen können.

Cloud-Computing wird viele IT-Arbeitsplätze vernichten

Es ist wahr, dass mit Hilfe der Cloud-Technologie IT-Aufgaben nicht mehr im Unternehmen selbst durchgeführt werden müssen. Darum wäre es für viele Unternehmen nicht mehr notwendig, eine große IT-Abteilung aufrecht zu erhalten. Einige Organisationen, die Anwendungen wie Google Apps nutzen, sind schon jetzt vollständig auf Cloud-Dienste umgestiegen. Der Grund: Die Belegschaft ist mit der Masse interner E-Mails und kooperierenden Systemen nicht mehr klar gekommen. Dieses Ursache-Wirkungs-Szenario könnte auf andere Unternehmen übertragen werden und den Verdacht des Outsourcing im großen Maße erhärten.

Jedoch, so sagen die Analysten, sind die langfristigen Risiken für Arbeitnehmer im IT-Bereich bei weitem nicht so groß, wie es zunächst aussieht. Unternehmen, die über eine große Zahl Cloud-Applikationen verfügen, benötigen auch weiterhin IT-Mitarbeiter, welche die verschiedenen Programme koordinieren und ins System integrieren können. Einige IT-Projektleiter werden sich und ihre Aufgaben vielleicht später mit etwas anderen Augen sehen. Weniger als ausführendes Projektorgan, sondern eher als Koordinator und Verkäufer der erhaltenen Daten.

"Es ist keine Frage, dass sich die Nachfrage nach den traditionellen IT-Fähigkeiten deutlich abschwächen wird", sagt Jeff Kaplan, Analyst und Vorstand von Thinkstrategies. "Aber dies bedeutet nicht, dass es in Zukunft nicht eine neue Generation Spezialisten im Bereich der Datenorganisation und -aufbereitung geben kann, die mit den Cloud-Lösungen arbeiten können.

Wenn Sie zurzeit als IT-Administrator einen oder mehrere Server betreuen, sich um die Applikationen kümmern und weitere lokale Software verwalten, dann könnte Cloud-Computing ihr Arbeitsleben verändern. Sie müssten sich neue Fähigkeiten aneignen oder sich sogar umschulen lassen. Jedoch sollten clevere technikbegeisterte Mitarbeiter in der Lage sein, sich den Änderungen in einer sowieso schnelllebigen Branche anzupassen.

Die Cloud ist günstig

Das Ziel von Google Apps ist ein Umsatz von 37,50 Euro (50 US-Dollar) pro Jahr und User im Business-Bereich. Der Online-Service von Microsoft zielt auf 90 Euro (120 US-Dollar) pro Jahr. Google und Microsoft bieten beide kostenlose Versionen für Privatnutzer an.

Das Angebot hört sich günstig an, da es auch günstig ist. Jedoch bemerken Nutzer und Analysten schnell, dass nicht nur Lizenzkosten die Unternehmens-Kasse belasten. "Der erste Eindruck vermittelt, dass die Cloud fast kostenlos ist. Sie ist da draußen. Man muss sich nur anmelden und alles ist super", sagt Scott Weidig, der Technologie-Koordinator an der Schaumberg High School in Illinois. Er nutzt schon jetzt viele Cloud-Applikationen, wie Zoho und Google Apps im geschäftlichen und privaten Bereich.

Was höhere Kosten verursachen kann, sind beispielsweise die Bandbreitenanforderungen um die Cloud effektiv nutzen zu können. Einige Nutzer mussten darum schon zu einem teureren Netztarif wechseln.

Viele Nutzer sind sich auch der versteckten Rechtskosten nicht bewusst. "Denn Unternehmen gehen ein großes Risiko ein, wenn sie Applikationen aus dem Unternehmensspeicher in die Cloud laden", sagt Nolan Goldberg, Anwalt für Patentrecht und Spezialist im Bereich der Betriebsgeheimnisse bei Proskauer Rose LLP in New York.

"Cloud-Dienste sind nicht notwendigerweise günstiger", sagt Goldberg. "Das Vorurteil der günstigen Cloud-Dienste entstammt den Preisschildchen, welche von den Cloud-Unternehmen veröffentlicht werden, und beinhalten nicht die zusätzlichen Kosten."

Bevor Sie sich für einen Cloud-Dienst entscheiden, sollten Sie genau abwägen, ob der Dienst auch für die Applikationen, die Sie ersetzen oder verbessern wollen, sinnvoll ist. Außerdem sollten Sie sich den Vertrag genau anschauen um mögliche Stolperfallen auszuschließen. "In einigen Verträgen wird dem Cloud-Dienstleister das Recht eingeräumt, die Nutzungsbedingungen beliebig zu ändern und nicht einmal den Kunden ausreichend informieren zu müssen. Diese Entwicklung beunruhigt mich sehr", sagt Goldberg.

Wie schon erwähnt ist eine Cloud auch mit Risiken für die Daten und damit das Unternehmen verbunden. Wie sich die Risiken genau auf die Unternehmenskasse auswirken ist allerdings schwer vorhersehbar.

Die Cloud hat nie Leistungsprobleme

Nur dadurch, dass Sie Ihre IT-Datenverarbeitung auf eine Cloud ausgelagert haben, können Sie von der identischen lokalen IT-Architektur keine Leistungssprünge erwarten. System-Direktor Timothy Porter sagt, nachdem er einige Cloud-Applikationen vor einigen Jahren eingeführt hat: "Wir hatten große Schwierigkeiten mit der Bandbreite in unseren Büros. Darum mussten wir sie anpassen."

Porter ist der Direktor des WS Development Associates in Chestnut Hill und muss als Immobilienmakler den Überblick über 82 Objekte in ganz New England bewahren. WS Development Associates nutzt die Cloud-Software für Rechnungen, Immobilieneingaben, Provisionszahlungen und andere Verwaltungsaufgaben. Das Unternehmen hatte zuvor zwei T1-Internetleitungen und musste dann auf ein Verizon Mux aufrüsten um die benötigte Datenrate von 50 Megabit pro Sekunde zu sichern. "Ebenfalls mussten Cisco WAN Beschleuniger für die Filialen eingeführt werden", sagt Porter.

Bevor das Unternehmen die Bandbreite ausbaute, waren Leistungseinbrüche an der Tagesordnung. "Wenn Sie beispielsweise viele Rechnungen über eine Fern-Applikation bearbeiten, werden Sie bei einer zu geringen Bandbreite ständig Bearbeitungsverzögerungen ausgesetzt sein", fügt Porter hinzu. "Wenn nun weitere Rechnungen verarbeitet werden sollen und sich ein wahrer Datenstau entwickelt, dann steht den Mitarbeitern die Frustration ins Gesicht geschrieben."

Auch wenn Ihre Internetbandbreite ausreichen sollte, können andere Faktoren die Leistungsfähigkeit der Cloud-Software beinträchtigen. "An der Schaumberg High School müsste", sagt Weidig, "ein Web-Filter installiert werden, der Schüler davon abhält, unangemessene Webseiten aufzurufen, da die Bandbreiten-Engpässe andere Schüler davon abhielt auf Bildungswebseiten zu recherchieren." Grund des Engpasses ist ein von den Schülern genutztes cloud-basiertes Lese-Eignungsprogramm. Es stellte sich heraus, dass die Leseseite neun verschiedene IP-Adressen und URLs nutzt von denen der Webfilter nur zwei erkannte. Ein nachträgliches Rekonfigurieren des Servers um einen effizienteren Zugang zu ausgewählten Seiten zu gewährleisten hat das Problem noch weiter entschärft. Herauszufinden, wo der Fehler liegt, war jedoch keine einfache Aufgabe.

Cloud-Dienstleister werben häufig damit, dass der angebotene Dienst beliebig skalierbar ist. Dieses Werbeversprechen kann jedoch bei manchen Viel-Nutzern nicht eingehalten werden. Spirent, ein Unternehmen, das Netzwerk-Leistungstests durchführt, hat einige Cloud-Dienstleister, darunter Amazon, Blue Lock, Hosting.Com, GoGrid, Maximum ASP und Rackspace, genauer unter die Lupe genommen. Das Unternehmen hat herausgefunden, dass mit einer steigenden Zahl von Verbindungen die Antwort-Zeiten der jeweiligen Leitungen in die Höhe schnellen. "Das ist zwar nicht weiter überraschend, doch lagen manche Antwortzeiten im Bereich von 3 bis 5 Sekunden", sagt Tim Jefferson, Leiter der Netzwerk und Applikationsgruppe bei Spirent. Um also eine unbegrenzte Anzahl verschiedener Nutzer bedienen zu können müssen Defizite bei den Antwortzeiten hingenommen werden.

Microsoft Office kann durch Google oder Zoho ersetzt werden

Ja es gibt Unternehmen, die komplett von Microsoft Office auf ein cloud-basiertes System umgestiegen sind. Mit der Cloud können E-Mails organisiert, Dokumente editiert und Teamarbeit ermöglicht werden. Der Komplettumstieg ist aber bisher eher die Ausnahme.

IDC hat im Juli 2009 verschiedene Unternehmen zu diesem Thema befragt. 97% gaben an Microsoft Office zu nutzen. 77% gaben sogar an ausschließlich Microsoft-Produkte zu verwenden. Google Docs wurde von 20 % der Unternehmen regelmäßig genutzt, allerdings nur als Zusatz zu den bestehenden Microsoft-Produkten und nicht um sie zu ersetzen.

Erst vor kurzem hat Google offiziell damit geworben, Google Docs als Zusatz zu etablierten Microsoft-Produkten auszuprobieren. Denn es gäbe laut Google "keinen Grund Office zu deinstallieren". Vor kurzem lag der Werbefokus eher darauf Microsoft-Office komplett mit Google Docs ersetzten zu können, da die meisten Nutzer die Zusatzfunktionen der Microsoft-Office-Pakete aus Googles Sicht sowieso nicht bräuchten.

Auch die größten Cloud-Computing-Optimisten geben zu, dass heutige Cloud-Lösung qualitativ nicht an die Microsoft Office Produkte heranreichen können. Raju Vegesna, Sprecher der Cloud-Apps von Zoho sagt, dass die Cloud langfristig Microsoftprodukte ersetzen wird. Kurzfristig sei jedoch nur eine komplementäre Funktion sinnvoll. "Microsoft hatte 20 Jahre Zeit Office so zu entwickeln, wie wir es jetzt vorfinden. Wir brauchen einfach noch etwas Zeit um Funktionen implementieren zu können, die unseren Programmen die gleiche Tiefe verleiht, wie Sie Office im Moment besitzt", sagt Vegesna.

Vegesna sagt voraus, dass die Cloud innerhalb der nächsten 2 Jahre zu Microsoft Office aufschließen wird. Kunden werden sich dann nochmals überlegen können, ob die Cloud ihren Anforderungen entspricht. Aber selbst wenn Vegesna Recht behalten sollte gibt er auch zu, dass es viele Jahre dauern würde, bis lokale Verarbeitungssoftware komplett aus den Unternehmen verschwinde. "Solche Schritte passieren nicht über Nacht", sagt Vegesna.

Eine Cloud ist mit wenig Aufwand installiert und betreut

Cloud-Dienstleister werden Ihnen sagen, dass Sie zur Nutzung der Cloud-Applikationen keinerlei IT-Management mehr benötigen. Kunden sagen hingegen etwas ganz anderes: Cloud-Dienste zu koordinieren sei keine einfache Aufgabe.

"Es gibt auch beim Cloud-Computing immer noch Koordinationsaufgaben, wie beispielsweise die Betreuung der Dienst-Provider-Kontakte", sagt Kaplan. Vegesna sagt: "Das IT-Management der Zukunft muss Software-Werkzeuge verschiedener Anbieter miteinander in Einklang bringen und diese den Wünschen des Nutzers entsprechend anpassen." Außerdem müssen für effektives Cloud-Computing, wie in den vorherigen Abschnitten bereits erläutert, häufig die Bandbreiten und die IT-Struktur ausgebaut werden.

"Private Nutzer, die häufiger mit Google Mail oder Google Docs arbeiten, werden kaum nachvollziehen können, wie kompliziert es für Unternehmen ist, einen auf die entsprechenden Anforderungen zugeschnittenen Cloud-Dienst einzuführen", sagt Weidig. "Aus Sicht eines Konsumenten ist es in der Tat sehr einfach Cloud-Dienste einzurichten," sagt er, "aber aus Unternehmersicht muss ein ungemütlicher Kampf geführt werden."

Eines der größten Koordinations-Aufgaben ist es, die Kontrolle über die eigenen Daten zu behalten. Dies ist aus praktischen und rechtlichen Gründen sehr wichtig. Außerdem sind häufig die Funktionen sehr eingeschränkt, wenn Sie Daten von der einen Cloud in eine andere importieren möchten. Die Frage, wie viel Kontrolle der Cloud-Dienstleister über Ihre Daten hat, wird gerade vor Gericht geklärt. "Trotzdem kann angenommen werden, dass Daten auf fremden Datenservern unsicherer sind als auf den Eigenen. Und die Gefahr, dass beispielsweise die Regierung an sensible Daten über Kunden und Angestellte gelangen kann, bleibt ebenfalls bestehen", sagt Goldberg.

Die Clouds nutzen vor allem Virtualisierungs-Technologien, sodass Daten egal von welchem Ort und zu welcher Zeit verfügbar sind und auch von mehreren Mitarbeitern gleichzeitig bearbeitet werden können. Porter bemängelt, dass er intern Backup-Lösungen für Daten einrichten kann, jedoch bei Drittanbietern wie den Cloud-Diensten keinerlei Kontrolle darüber hat.

Datenschutzgesetze variieren von Land zu Land und müssen immer strikter ausgelegt werden. Kunden müssen sich im Klaren sein, dass die geschlossenen Verträge genauestens analysiert werden um gegebenenfalls unzulässige Klauseln anzuprangern. So können Sie zumindest sicher sein, dass Ihre Daten bestmöglich geschützt werden.

"Der Endnutzer, der Google Mail zu Hause nutzt, kann gar nicht alle Details nachvollziehen, wer wann und wo seine Daten einsehen kann und wie Daten geschützt werden können, wenn persönliche Informationen daraus auslesbar sind", sagt Porter. "Nur weil etwas günstig und einfach ist heißt dies nicht, dass Sie sich keine Gedanken mehr machen müssen. Eine Unternehmensumgebung unterscheidet sich doch sehr stark von der Nutzung im privaten Bereich. Es gibt eine Menge Hürden, die Sie überwinden müssen, bis Sie alle Ihre Informationen in eine Cloud geben sollten."

Sicherheit ist Ansichtsache

Sicherheit ist ein ständiges Thema für Cloud-Beobachter. Einige Argumentieren, dass Nutzer fälschlicherweise glauben ihre Daten seien unsicher, während andere sagen man könne nicht skeptisch genug sein.

Vegesna von Zoho sagt, dass die meisten Nutzerdaten bei Zoho sicherer sind, da "wir eine sehr viel größere Sicherheits-Abteilung haben als die meisten anderen Unternehmen". Außerdem werden Drittanbieter angeworben, welche die Sicherheitseinstellungen mit neuesten Hacker-Methoden monatlich testen.

Weidig hingegen ist der Meinung, dass er zwar generell den Anbietern, wie Google, Zoho und Microsoft, vertraut. Jedoch sollte kein Nutzer den Cloud-Anbietern zu viel Vertrauen im Bereich Datenschutz einräumen. "Sie können täglich Nachrichten darüber lesen, wie die XYZ-Webseite gehackt wurde", sagt Weidig, "denn zu oft denken Nutzer, dass sich niemand für die eigenen Daten interessiere und keine relevanten Informationen aus den Daten gewonnen werden könnten."

Skeptiker können auf eine ganze Reihe verschiedener Vorfälle zurückgreifen um ihre Behauptungen zu untermauern. Google musste beispielsweise vor kurzem zugeben versehendlich Daten von ungeschützten WLAN-Netzwerken aufgenommen zu haben. Letztes Jahr wurden aus vom Unternehmen Twitter 300 geschützte Daten von Hackern kopiert, die mit Google Apps gespeichert wurden. Hier wurden vom Unternehmen unsichere Nutzerpasswörter als Ursache angeführt.

Die Wahrheit ist, dass leider jedes Computersystem gehackt werden kann. In vielen Fällen werden die Unternehmen zum Ergebnis kommen, dass das eigene System sicherer ist als das eines Cloud-Anbieters oder dass die Daten zu wertvoll sind, um sie außerhalb der eigenen Firewall aufzubewahren. Für kleinere Unternehmen, mit einer in der Größe beschränkten IT-Abteilung, werden sich mit einem guten Cloud-Anbieter wohl besser fühlen.

Kaplan ist in diesem Fall auf der Seite der Cloud-Dienstleister. "Viele Leute denken, dass das Internet von vornherein ein unsicherer Ort sei, aber es gibt viele Fälle in denen die Sicherheit doch sehr viel besser ist als auf lokalen Systemen", sagt er, "wenn man mit erfahrenen Menschen von Salesforce und Google spricht, dann erkennt man, dass dort bei weitem größere Sicherheits-Herausforderungen gemeistert werden müssen und sie diese auch meistern können."

Vesegna sagt: "Zoho und weitere Anbieter müssen noch daran arbeiten den Kunden von der Sicherheit ihrer Systeme zu überzeugen. Man möchte zwar gerne, dass man ihnen die kompletten Daten anvertraut, aber die meisten sind ohne Überzeugungsarbeit nicht wirklich dazu bereit."

Quelle: Network World Übersetzung: PC-Welt