KPMG-Tipps

6 Wege, Digital-Kompetenz in der Führung zu verankern

03.12.2015 von Angelika Huber-Straßer
Digital-Expertise gehört auf die CEO-Agenda, gleichberechtigt neben operativen und Finanzthemen. Ein Digital Advisory Board oder ein Digitalisierungsausschusses im Aufsichtsrat können erste Schritte sein.
  • In Industrieunternehmen wäre eine Art ‚unterstützender Beirat’ (Digital Advisory Board) sinnvoll
  • Start-ups in den USA unterziehen ihre Ideen einem "Disruptions-Check" von teils branchenfremden Experten
  • Je virtueller das Produkt eines Unternehmens ist, desto eher sollte ein Vorstandsressort das Thema Digitalisierung vertreten

Kaum eine Branche, kaum ein Geschäftsmodell gerät nicht durch die Digitalisierung unter Druck. In den USA unterziehen viele Unternehmen ihr Geschäftsmodell gar einem "Disruptions-Check", um Schwachstellen aufzudecken.

"Die oberste Führungsebene muss die Weichen stellen. Aus der Mitte der Organisation können sich Unternehmen nicht neu erfinden, denn das bestehende Geschäftsmodell wird in Frage gestellt und die disruptive Technologie würde das traditionelle Kerngeschäft gefährden", sagt Angelika Huber-Straßer, Bereichsvorstand Corporates bei KPMG.
Foto: KPMG

Ob in Deutschland oder den USA - fest steht: Digital-Expertise gehört auf die CEO-Agenda, gleichberechtigt neben operativen und Finanzthemen. Die Führungsebene muss sich mit dem Thema auseinandersetzen, zum Beispiel in Form eines Digital Advisory Board oder eines Digitalisierungsausschusses im Aufsichtsrat. Im Detail heißt das:

Digital Advisory Board gründen

Nicht jeder Manager muss ein Digital Native sein. In Industrieunternehmen beispielsweise ist eine Art 'unterstützender Beirat' (Digital Advisory Board) sinnvoll, in dem Vertreter aus verschiedenen Branchen und unterschiedlichen Alters den Vorstand zu digitalen Themen beraten. Dieses Modell wird gerade im angelsächsischen Raum ausprobiert. Wer ein solches "Board neben dem Board" installiert, ermöglicht sich als Unternehmen einen echten Blick von außen auf die eigenen Produkte, die eigene Marktnähe und die gesamte strategische Ausrichtung.

Digitalisierungsausschuss im Aufsichtsrat verankern

Aufsichtsräte in England und den USA diskutieren zurzeit die Möglichkeit, einen Digitalisierungsausschuss im Aufsichtsrat zu verankern - analog zu anderen Ausschüssen. So würde das Thema Digitalisierung institutionalisiert. Das ist meiner Meinung nach auch ein mögliches Modell für Deutschland. Die Agenda des Ausschusses hängt von den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens ab. Eine Möglichkeit wäre, den Ausschuss nicht mit festen Mitgliedern zu besetzen, sondern - je nach Thema - Experten hinzuzuziehen. Dieser Ausschuss soll jedoch nicht die Strategieabteilung ersetzen.

9 Wege zur erfolgreichen Digitalisierung eines Unternehmens
9 Wege zur Digitalisierung
Eine neue Studie zum Thema Digitalisierung identifiziert neun Handlungsfelder in denen Unternehmen tätig werden müssen, um die Digitalisierung erfolgreich voranzutreiben und Digitale Exzellenz zu erlangen.
Digital Leadership
Die digitale Transformation muss von der Unternehmensspitze priorisiert und vorangetrieben werden.
Digital Empowerment
Die Qualifizierung von Mitarbeitern für die digitale Transformation sollte unternehmensweit von statten gehen.
Customer & Partner Engagement
Kunden und Partner sind die treibenden Kräfte der digitalen Transformation. Das Ziel für Unternehmen ist es folglich, deren Erwartungen und Anforderungen zu verstehen und diesen möglichst schnell gerecht zu werden.
Business Model Innovation
Digitale Exzellenz erfordert die fortlaufende Überprüfung bestehender Geschäftsmodelle auf Digitalisierungspotenziale und -notwendigkeiten. Unternehmen sollten neue digitale Geschäftsmodelle aktiv entwickeln.
Digital Platform Management
Im digitalen Raum haben verschiedene Plattformen eine zentrale Rolle übernommen. Unternehmen müssen auf diesen Plattformen präsent sein, Einfluss auf sie nehmen oder sogar selbst eine Plattform entwickeln und betreiben.
IT Architecture Transformation
Veraltete IT-Architekturen müssen komplett überarbeitet und erneuert werden. Die auf Stabilität und Sicherheit ausgelegten Backend-Systeme sollten so optimiert werden, dass sie die Frontend-Systeme in ihrer schnellen Weiterentwicklung unterstützen können.
Process Digitisation & Automation
In der klassischen IT-Disziplin der Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung erfordert Digitale Exzellenz ein permanentes IT-Engagement.
Data-driven Agility
Digitale Exzellenz erfordert die stetige Auswertung von entstehenden Daten. Diese sollten anschließend in die steuernden Prozesse zurückgeführt werden, wo sie unmittelbar für die Weiterentwicklung und Gestaltung des digitalen Angebotes zur Verfügung stehen.
Digital Security & Compliance
Digitale Exzellenz ist nur zu erreichen und aufrechtzuerhalten wenn Systeme und Prozesse kontinuierlich in Bezug auf Sicherheit und Compliance überprüft und weiterentwickelt werden.

Disruptionscheck machen

Es gibt in den USA viele Start-ups, die ihr Geschäftsmodell kritisch prüfen lassen um Schwachstellen zu entdecken, indem sie es in der "Community" des Silicon Valley vorstellen. Sie unterziehen ihre Ideen einem "Disruptions-Check" von teils branchenfremden Experten. In Deutschland geben Unternehmen vergleichsweise wenig preis. Die Haltung im Silicon Valley ist genau umgekehrt. Die Unternehmen dort sagen: Wer könnte mein Geschäftsmodell besser kritisieren als mein Konkurrent? Ein Impuls für hiesige Unternehmen, es den Amerikanern nachzutun? In Deutschland herrscht aber eher die Angst vor, der Wettbewerb könne sich wertvolle Ideen abschauen.

Digital-Expertise auf die Agenda des Vorstands

Das Top-Management deutscher Unternehmen sollte sein Kompetenzprofil um einen Aspekt erweitern: Digital-Expertise sollte oberste Priorität erhalten und auf der Agenda des Vorstands stehen - ein Chief Digital Officer ist aber nicht der einzig richtige Weg. Wie ein Unternehmen das Thema Digitalisierung in der Unternehmensführung verankert, hängt von der Branche und dem Land ab. Meiner Ansicht nach gilt: Je virtueller (digitaler) mein Produkt, desto eher sollte ein Vorstandsressort das Thema Digitalisierung vertreten. Versicherungen und Banken etwa haben andere Anforderungen als Branchen mit analogen Produkten. Es gibt keine einheitliche Lösung.

Entscheider über Geschäftsmodelle brauchen Digital-Kompetenz

Die Digitalisierung verändert nachhaltig die Geschäftsmodelle - daher brauchen diejenigen im Unternehmen Digital-Kompetenz, die über die Geschäftsmodelle entscheiden. Die oberste Führungsebene muss die Weichen stellen. Aus der Mitte der Organisation können sich Unternehmen nicht neu erfinden, denn das bestehende Geschäftsmodell wird in Frage gestellt und die disruptive Technologie würde das traditionelle Kerngeschäft gefährden. Bedrohungen für das Geschäftsmodell durch neue Technologien von außen, werden von Organisationen hingegen häufig als ungefährlich betrachtet.

Digitalisierung - Compliance, Haftung und Risiko-Management

Neben dem Geschäftsmodell beeinflusst die Digitalisierung die Bereiche Compliance, Haftung und Risiko-Management. Hier geht es aktuell verstärkt um die Aspekte Datensicherheit, IP und Cyber Security. Das Top-Management sollte prüfen, wo diese Themen in der Wertschöpfungskette des Unternehmens verankert sind.

IT-Skills für die Digitalisierung
8 neue Mitarbeiter-Rollen
Laut Forrester brauchen IT-Abteilungen Beratungsfähigkeiten und übergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert politisches Fingerspitzengefühl und Methodenkompetenz.
1. Beziehungsmanager
Die IT stellt Partnerschaft und Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher. Sie übersetzt zwischen den beiden Seiten und bildet die Unternehmensziele technologisch ab. Im Zeitalter des Kunden bedeutet das vor allem mehr Beschäftigung mit Daten über die Verbraucher.
2. Architekt
In der Rolle des Architekten geht es konkret um das Entwickeln von Standards für Daten, Anwendungen und mobile Endgeräte. Das beinhaltet die Beobachtung der Konkurrenz und das Aufdecken neuer Kundengruppen.
3. Projekt- und Programm-Manager
Immer mehr Projekte starten von vornherein als abteilungsübergreifende Vorhaben. Hier ist nicht selten politisches Gespür gefragt.
6. Daten-Experte
Daten sind über das ganze Unternehmen verstreut. Der Daten-Experte wahrt dennoch die Kontrolle und erklärt jeder einzelnen Anwender-Gruppe, was sie mit welchen Daten tun darf und was nicht. Das beinhaltet Expertise in Daten-Tools, Methoden, dem Status jeder einzelnen Datenquelle und Einblick in die Geschäftsprozesse.
7. Geschäftsprozess-Designer
Unternehmen kaufen Anwendungen und setzen sie an allen Standorten ein. Geschäftsprozess-Designer sorgen für die Balance zwischen der Anpassung der Systeme und der Anpassung der Prozesse.
8. Sicherheitsexperte
Sicherheit ist nicht nur ein Thema von Regeln und Überwachung, sondern auch von Soft Skills. Security-Experten verdeutlichen der Belegschaft, warum sie nicht an der IT vorbeiarbeiten dürfen.
4. Vendor Manager
Der Vendor Manager entwickelt sich zunehmend zum Berater. Fachabteilungen interessieren sich üblicherweise nur für Funktionalitäten und kaum für Sicherheit. Der Vendor Manager schon.
5. Experte für Nutzer-Erfahrung
Die IT muss durch die Brille des Endverbrauchers beziehungsweise Unternehmenskunden sehen können. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im direkten Kundenkontakt.