Testing und Skills

9 Gründe, warum agiles Arbeiten noch scheitert

30.05.2016 von Christiane Pütter
Agile Methoden lassen sich in der Praxis der IT-Abteilungen schwer umsetzen. Analysten von PwC identifizieren neun Gründe dafür.
  • Jede zweite IT-Abteilung, die Agile für sich beansprucht, orientiert sich dann doch wieder am Wasserfall
  • Agile scheitert technologischen wie auch organisatorischen Problemen
An agilen Methoden beißen sich viele IT-Abteilungen derzeit noch die Zähne aus.
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Agile hat sich zum Buzzword entwickelt. Russ Riggen und Mayank Agarwal haben es entzaubert und sich die Praxis in den Unternehmen angesehen. These der PwC-Analysten: Die Mehrheit der Firmen kann das Potenzial agiler Methoden nicht heben. Unter "Nine reasons your enterprise is not agile yet" führen sie das in einem PwC-Blog aus.

Riggen und Agarwal stützen sich auf PwCs Studie "Digital IQ Survey". Demnach hält fast jede zweite IT-Abteilung, die sich agile auf die Fahnen geschrieben hat, eben doch am Wasserfall fest. Folgende neun Punkte sind den Analysten aufgefallen, sie fokussieren sich dabei auf Testing:

1. Das Fehlen einer Testing-Strategie

Viele Unternehmen erwarten von ihren neuen Agile-Team so etwas wie einen "Big Bang". In Sachen Testing kann das nicht funktionieren. Denn üblicherweise binden Entscheider die Tester nicht oder erst zu spät in agile Prozesse ein. Das erzeugt Unklarheit bei den Testern. Riggen und Agarwal betonen, dass häufige Veränderungen am Code auch häufigeres Testen erfordern.

2. Silo-Denken

Tester und Entwickler arbeiten oft in komplett verschiedenen Teams. Ein hausgemachter Fehler, der sich ganz einfach beheben ließe, so PwC. Schließlich gehören Kommunikation und Zusammenarbeit zum Kern von Agile.

3. Fehlende Skills für agiles Testing

Das Grundproblem beginnt laut Riggen und Agarwal schon damit, dass Testing als "unsexy" gilt, anders als Entwickeln. Davon abgesehen sind die Anforderungen an Mitarbeiter, die agiles Testing beherrschen sollen, sehr hoch. Nicht nur müssen sie Testen können und sich an agile Methoden halten, sie brauchen auch Domain-Wissen und Kenntnisse des Fachbereichs, also etwa über Finanzsysteme. Das hochgesteckte Ziel lautet, automatisierte, integrierte Test-Umgebungen zu schaffen.

4. Nutzlose User Storys

User Storys gelten als wichtigste Methode zur Steuerung agiler Projekte. Sie dienen zusammen mit Akzeptanztests der Spezifikation von Anforderungen, Autor der Story sollte jeweils der Kunde des Software-Projektes sein. Bleiben diese Berichte vage oder berücksichtigen nicht alle Kriterien, schreiben die Entwickler im schlimmsten Fall den falschen Code.

5. Kein Testing auf allen Levels

Je früher Fehler entdeckt werden, umso besser. Wie PwC beobachtet, kämpfen viele Unternehmen dabei nicht nur mit schlechten Tools und fehlenden Skills. Hier wirkt sich wiederum das Silo-Denken von Entwicklern und Testern negativ aus.

Dritter IT-Radar der Hochschulen Koblenz und Bonn-Rhein-Sieg
Alltag der IT-Entscheider
Kaum eine IT-Konferenz ohne Schlagworte wie Digitalisierung und Transformation, Change und agile Methoden. Doch der Arbeitsalltag in den IT-Abteilungen der Unternehmen sieht ganz anders aus, wie der dritte IT-Radar der Hochschulen Koblenz und Bonn-Rhein-Sieg zeigt. Der Radar basiert auf Angaben von mehr als 100 Teilnehmern.
Aktuelle Themen
Ein Vergleich mit Umfragen von 2012 und 2013 zeigt, dass der aktuelle Spitzenreiter IT-Sicherheit zuvor gar nicht unter den zwölf wichtigsten Punkten vertreten war. Thomas Allweyer, Professor für Unternehmensmodellierung im Fachbereich Informatik an der Hochschule Kaiserslautern, führt die plötzliche Aufmerksamkeit auf "die verschiedenen bekannt gewordenen Sicherheitsvorfälle" zurück. Diese hätten vermutlich zu einem Umdenken geführt.
Zukünftige Themen
Die Studienteilnehmer selbst scheinen ihren Fokus nicht verändern zu wollen. Das zeigt ein Blick auf die Liste mit den Themen, denen sie zukünftige Bedeutung beimessen. Die Top 3 sind exakt dieselben wie im Ranking der aktuellen Themen (IT-Sicherheit, Compliance und Integration).
Ayelt Komus
Professor Ayelt Komus vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Koblenz kommentiert: "Wieder ergibt sich ein Bild, in dem IT-Praktiker mit dem Tagesgeschäft und der Sicherung des Status-quo so beschäftigt sind, dass die Zukunftsthemen hintenanstehen müssen." Das sei zwar verständlich, berge aber "die Gefahr, dass sich die Kluft zwischen Top Management und IT-Leitern eher ausweitet."
Andreas Gadatsch
Professor Andreas Gaddatsch von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg appelliert an CIOs, in der digitalen Zukunft eine federführende Rolle einzunehmen. Offenbar gleichrangig mit dem CIO sieht Gaddatsch einen Chief Process Officer. Übernimmt weder der eine noch der andere diese Aufgabe, würden innovative Themen wie Fast IT von den Fachbereichen besetzt - "oder sogar von neuen Rollen wie dem Chief Digital Officer".

6. Mangelhaftes Daten-Management in Sachen Test-Daten

Daten-Management erfordert strikte Präzision. Andernfalls leiden Wiederholbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Effizienz. Laut Riggen und Agarwal investieren aber viele Unternehmen zu wenig in virtualisierte Testing-Umgebungen. Damit blockieren sie das Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Testing-Phasen, was eine Grundvoraussetzung agilen Arbeitens ist.

7. Falsche Priorisierung

Widersprüche in der Priorisierung können das ganze Agile Team blockieren. PwC berichtet von einem Fall, in dem Produkt-Owner und IT-Team unterschiedliche Prioritäten setzten. Das Agile Team hatte vor, im kommenden Sprint alle sogenannten Open Defects des vorigen Sprints anzugehen. Auf der Liste der Product Owner jedoch wurde das als weniger dringlich ausgewiesen. Vorrang hat, schreibt PwC, die Produkt-Roadmap.

8. User Storys gehen in die Breite statt in die Tiefe

Dieser Punkt berührt das Thema Integration. Werden User Storys horizontal beschrieben, statt vertikal durch die verschiedenen Layers, verzögert das die Integration. Denn die funktioniert nicht "along the way", sondern geht in die Tiefe.

9. Der Unterschied zwischen "Qualität" und Business-Wert ist unklar

IT-Abteilungen wollen qualitativ gute Arbeit liefern. Damit treffen sie nicht unbedingt die Vorstellungen des Produkt-Owners und auch nicht zwingend die der Kunden. Hier steht der Business Value im Vordergrund. Sollte er auch, betont PwC. Agile Methoden an sich dienen in erste Linie dem Business Value.