Personalabteilung spielt Roulette

Absage bei Bewerbung oft Zufall

25.08.2017 von Andrea König
Haben Personaler schon einige sehr gute Kandidaten gesehen, verteilen sie schlechtere Bewertungen für die nachfolgenden. Das gab eine wissenschaftliche Studie.
Wie ein Bewerber abschneidet, kann davon abhängen, wie viele gute Kandidaten der Personaler an diesem Tag bereits interviewt hat. Manchmal hat man einfach Pech.
Foto: Tyler Olson - shutterstock.com

Eigentlich sollte man doch davon ausgehen, dass in Bewerbungsverfahren objektiv entschieden wird und alle Kandidaten mit den gleichen Chancen in eine Bewerbungsrunde starten. Von wegen, zeigt eine Auswertung der beiden US-Wissenschaftler Uri Simonsohn und Francesca Gino. Ihre Analyse von mehr als 9300 Einstellungsgesprächen für einen MBA-Studiengang an einer amerikanischen Business School zeigt, dass oft der Zufall entscheidet.

Ob man eine bessere oder schlechtere Bewertung erhält, kann schlichtweg damit zusammenhängen, wie sich die anderen Kandidaten am gleichen Tag geschlagen haben. Waren sie alle besonders gut, wird der Personaler nur ungern eine vierte oder fünfte gute Bewertung verteilen, so die Wissenschaftler.

Sie vergleichen es mit dem Spiel am Roulettetisch: Wenn mehrere Male hintereinander eine schwarze Zahl kommt, tippt man beim nächsten Mal auf rot. Bei der Bewerbungsauswahl bedeutet das: Wenn ein Personaler mehrere gute Kandidaten hintereinander gesehen hat, tippt er darauf, dass sich anschließend ein schlechterer Bewerber vorstellt. Mit dem feinen Unterschied, dass über die Farbe beim Roulette der Zufall entscheidet und über die Bewertung der Personaler.

Noten für Bewerber sanken im Tagesverlauf

Um iIhre These zu prüfen, analysierten Simonsohn und Gino Daten aus mehr als 9300 Bewerbungsgesprächen für ein MBA-Studium, die über einen Zeitraum von zehn Jahren entstanden sind. Die Personaler führten durchschnittlich 4,5 Gespräche am Tag und vergaben auf einer Skala von eins bis fünf im Schnitt eine 2,8. Die Auswertung bestätigte: Wenn ein Personaler im Laufe des Tages bereits hohe Bewertungen verteilt hatte, sanken die Noten der Bewerber, die sich im späteren Tagesverlauf vorstellten.

Keine Agenda haben
Unstrukturierte Gespräche führen zwangsläufig zu vagen Ergebnissen. Gedankliche Meilensteine helfen dabei. Setzen Sie Ihre Argumente wohl dosiert ein. Legen Sie nicht sofort all Ihre Trümpfe auf den Tisch. Halten Sie noch ein paar gute Argumente in der Hinterhand. Bringen Sie Ihr stärkstes Argument erst gegen Ende Ihrer Argumentationsreihe.
Nervös werden
Der persönliche Eindruck kann sehr entscheidend dafür sein, ob Sie Ihr Ziel erreichen oder nicht. Versuchen Sie deshalb, Ihre Körpersprache bewusst einzusetzen, mögliche Störfaktoren auszuschalten und souverän zu agieren. Eigentlich ist es ganz einfach: Je positiver Ihre Einstellung, desto offener und positiver wird Ihre Körpersprache sein und umso besser wird die Verhandlung laufen.
Überzogene Forderungen
Wer zu wenig fordert, kommt nie zu mehr Geld. Wer zu viel verlangt, verspielt möglicherweise sämtliche Karriere-Chancen. Gehaltsforderungen sollten angemessen sein. Nur wer weiß, was in vergleichbaren Positionen gezahlt wird, hat eine Vorstellung davon, was er für seine Arbeit verlangen kann beziehungsweise was seine Arbeit überhaupt wert ist.
Schlechte Vorbereitung
Wer vorbereitet ins Gehaltsgespräch geht, holt mehr raus. Eine gute Vorbereitung ist allein schon deshalb wichtig, weil Ihr Verhandlungspartner in punkto Gehalt und Verhandlungskompetenz in der Regel wesentlich erfahrener ist als Sie es sind.
Schlechte Argumente
Es gibt Argumente, die Sie nie benutzen sollten, auch wenn das eine oder andere auf den ersten Blick der Auslöser für Ihren Wunsch nach mehr Gehalt gewesen sein sollte. Vermeiden Sie Mitleids- oder Bedürftigkeitsargumente. Auch Vergleiche mit Kollegen sind tabu. Erpressungsversuche á la "Wenn ich nicht mehr Geld bekomme, gehe ich" sowieso. Was zählt, ist einzig und allein Ihre Leistung.
Keine Ziele haben
"Wer nicht weiß, wohin er will, wird auch nie ankommen", lautet sinngemäß ein Sprichwort. Wer schon vor der Gehaltsverhandlung nicht weiß, was er genau will, kann sich mit dem Chef nicht gut in der Mitte treffen. Legen Sie also ein Minimal- und ein Maximalziel fest und planen Sie ausreichenden Verhandlungsspielraum ein.
Falscher Zeitpunkt
Gutes Timing bei der Gehaltsverhandlung kann Gold wert sein. Niemals zwischen Tür und Angel. Machen Sie immer einen Termin. Überlegen Sie, wann Ihr Chef am besten aufgelegt ist. Ein Gehaltsgespräch in hektischen Zeiten setzt den Vorgesetzten unnötig unter Druck. In einer entspannten Situation werden Sie viel eher auf sein Wohlwollen stoßen. Aber Vorsicht: Wenn der Insolvenzverwalter schon durch die Flure wandert oder die Firma in einer existenziellen Krise steckt, dann macht eine Forderung nach mehr Gehalt wenig Sinn.
Unflexibel sein
Wer halsstarrig an seinen Forderungen klebt, nimmt sich die Möglichkeit zu vielleicht gar nicht mal so schlechten Kompromissen - und hinterlässt schnell einen negativen Nachgeschmack. Versteifen Sie sich also nicht auf eine Lösung, sondern haben Sie eine Alternative oder mehr in der Hinterhand. Muss es denn wirklich mehr Geld sein? Oder könnten Sie auch mit einer Prämienregelung oder einer Weiterbildung leben.
Hoffen auf den großen Sprung
Verhandeln Sie lieber häufiger über kleinere Gehaltserhöhungen als in langen Abständen auf gewaltige Sprünge zu hoffen. Fragen Sie auch dann nach einer Gehaltserhöhung, wenn nicht unbedingt damit zu rechnen ist. Wer nicht gelegentlich den Arm hebt, geht nicht nur jahrelang leer aus, sondern büßt möglicherweise auch seine Wertschätzung beim Chef ein.
Sich aus dem Konzept bringen lassen
Es gibt gegen alles Einwände, auch gegen Gehaltserhöhungen. Lassen Sie sich davon möglichst nicht aus der Ruhe bringen und verfolgen Sie konsequent Ihre Gesprächsziele. Viele dieser Phrasen werden gern eingesetzt, um schlecht Vorbereiteten einen Dämpfer zu verpassen oder sie schlicht aus dem Konzept zu bringen. Die entstehende Verwirrung soll es Ihnen schwer machen, ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Und natürlich will die Unternehmensseite sehen, wie wichtig Ihnen Ihr Anliegen wirklich ist.

Wenn Kandidaten, die früh befragt wurden, 0,75 Punkte über dem Schnitt lagen, sank die Benotung bei nachfolgenden Bewerbern um 0,075 Punkte. Um dies auszugleichen, muss man 30 zusätzliche Punkte im GMAT-Test (Graduate Management Admission Test) erreichen, 23 Monate mehr Berufserfahrung mitbringen oder bei der schriftlichen Bewerbung 0,23 Extrapunkte wettmachen.

Auch berufserfahrene Personaler bewerten so

Die beiden Forscher waren selbst überrascht über ihre Ergebnisse. Denn die zeigten auch, dass das keineswegs ein Anfängerfehler war, der Entscheidern nur dann passierte, wenn sie die Aufgabe gerade frisch übernommen hatten. Auch wer in diesem Bereich über jahreslange Berufserfahrung verfügte, benotete Bewerber im Tagesverlauf schlechter.

Simonsohn und Gino glauben, dass diese Bewertungspraxis neben Bewerbungsgesprächen zum Beispiel auch bei der Kreditvergabe zu finden ist. Kandidaten könnten ihr Abschneiden im Bewerbungsverfahren verbessern, indem sie nicht am selben Tag zum Gespräch erscheinen wie ihre stärksten Konkurrenten. Das hilft jedoch nicht wirklich weiter, da man die Mitbewerber nur selten vorher kennt.

Die US-Wissenschaftler Uri Simonsohn von der Wharton School an der University of Pennsylvania und Francesca Gino von der Harvard Business School haben ihre Ergebnisse unter dem Titel Daily Horizons: Evidence of Narrow Bracketing in Judgment From 10 Years of M.B.A. Admissions Interviews in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht.